Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2000 - II ZR 250/99

published on 20/03/2000 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2000 - II ZR 250/99
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 250/99 Verkündet am:
20. März 2000
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Klageänderung liegt nicht vor, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter einer
BGB-Gesellschaft den zunächst auf eine Aufhebungsvereinbarung gestützten Anspruch
auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens in zweiter Instanz, weil er
die Aufhebungsvereinbarung nunmehr für nichtig hält, unmittelbar auf die Bestimmungen
des Gesellschaftsvertrages zur Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens
gründet.
BGH, Urteil vom 20. März 2000 - II ZR 250/99 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Mai 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Patentanwälte, die sich ab 1. Januar 1989 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer überörtlichen Sozietät zusammengeschlossen hatten. Der Kläger schied, nachdem es zwischen den Parteien zu einem Zerwürfnis gekommen war, am 2. September 1996 aus der Sozietät aus.
Er nimmt die Beklagten auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens in Anspruch. Der Kläger hat - gestützt auf eine Aufhebungsvereinbarung der Parteien vom 28. August 1996 - mit der Klage erstinstanzlich zunächst 143.607,-- DM, dann 131.980,44 DM und schließlich 162.321,33 DM verlangt. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung des Landgerichts hat er in einem ihm insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, die Aufhebungsvereinbarung sei nichtig, deshalb gründe er sein Zahlungsverlangen nicht mehr auf sie, sondern unmittelbar auf den Sozietätsvertrag. Das Landgericht hat für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß gesehen, das Vorbringen des Klägers zur Nichtigkeit der Aufhebungsvereinbarung gemäß § 296 a ZPO unberücksichtigt gelassen und die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kläger aufgrund der Bestimmungen des Sozietätsvertrages, den er 1995 und 1996 gekündigt habe, Zahlung von 189.000,-- DM verlangt und sich auf die Aufhebungsvereinbarung lediglich hilfsweise für den Fall berufen, daß das Berufungsgericht sie für wirksam halte. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist - gemäß § 547 ZPO unbeschränkt - zulässig, sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht darauf gerichtet sei, die vorhandene Beschwer - nämlich die Abweisung der Klageforderung, gestützt auf die Aufhebungsvereinbarung vom 28. August 1996 - zu beseitigen, sondern das Zahlungsbegehren auf einen völlig neuen Klagegrund, nämlich Kündigungen und ihre Rechtsfolgen, stütze. Die lediglich hilfsweise Weiterverfolgung des ursprünglichen Klagebegehrens genüge insoweit nicht.

II.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. 1. Das Berufungsurteil geht zutreffend von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus, wonach eine Berufung unzulässig ist, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also eine erstinstanzliche Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Danach kann die Ä nderung der Klage im Berufungsverfahren (§§ 263, 523 ZPO) nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sie setzt dessen Zulässigkeit vielmehr voraus (siehe zuletzt BGH, Urt. v. 6. Mai 1999 - IX ZR 250/98, ZIP 1999, 1068 = NJW 1999, 2119; v. 25. Februar 1999 - III ZR 53/98, NJW 1999, 1407; v. 13. Juni 1996 - III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276, jeweils m.w.N.; ebenso die h.M. im Schrifttum, vgl. Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 58. Aufl. Grundz. § 511 Rdn. 13; Musielak/Ball, ZPO vor § 511 Rdn. 19; Thomas/Putzo, ZPO 21. Aufl. Vorbem. § 511 Rdn. 21; a.A. Stein/Jonas/ Grunsky , ZPO 21. Aufl. Einleitung vor § 511 Rdn. 73; Altmeppen, ZIP 1999, 1071; ZIP 1993, 65; ausführlich ZIP 1992, 449; differenzierend Bub, MDR 1995, 1191). Es entspricht der funktionellen Zuständigkeit und dem Wesen der Be-
rufung, daß sie zunächst an das erstinstanzliche Verfahren anknüpft (vgl. etwa §§ 519 Abs. 3, 525 ZPO) und das Berufungsgericht nicht mit einem völlig neuen Sachverhalt befaßt wird, der nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung war. Hieran ändert es nichts, daß § 523 ZPO (auch) auf § 263 ZPO verweist. 2. Das Oberlandesgericht legt die Berufungsbegründung des Klägers dahin aus, daß mit ihr ein neuer Streitgegenstand geltend gemacht und das Berufungsbegehren auf einen neuen Klagegrund gestützt wird. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Der Streitgegenstand ist nach der vom Bundesgerichtshof vertretenen prozeßrechtlichen Auffassung der als Rechtsschutzbegehren verstandene eigenständige prozessuale Anspruch. Er besteht aus dem Klageantrag, der die Rechtsfolge konkretisiert, und aus dem Lebenssachverhalt, dem Anspruchsgrund , aus dem die Rechtsfolge hergeleitet wird. Zum Anspruchs- oder Klagegrund gehören alle Tatsachen, die bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht der Parteien den Sachverhalt ausmachen, den der Kläger dem Gericht zur Begründung seines Begehrens vorträgt (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1999 aaO, 1069 m.w.N.; BGHZ 117, 1, 5).
b) Hiernach ist der Streitgegenstand des Berufungsvorbringens des Klägers kein anderer als der seines erstinstanzlichen Vortrags. Der Kläger verlangt weiterhin das ihm nach seinem Ausscheiden aus der Sozietät zustehende Auseinandersetzungsguthaben. Der Lebenssachverhalt, auf den er sich stützt, ist bei natürlicher Betrachtung in erster wie in zweiter Instanz die Beendigung seiner Mitgliedschaft in der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft der Parteien. Daß sich die Rechtsfolgen nach seiner im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht nicht, wie erstinstanzlich angenommen, aus der Aufhebungsvereinbarung
vom 28. August 1996 ergeben sollen, weil diese nichtig sei, sondern unmittelbar aus dem Sozietätsvertrag, ändert hieran nichts. Damit trifft es nicht zu, daß der Kläger seinen Sachvortrag in zweiter Instanz geändert habe, es liegt lediglich eine Ä nderung seiner Beurteilung der Rechtsfolgen vor.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke
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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
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Annotations

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

(1) Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

(2) Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muss, ist § 274 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

(2) Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muss, ist § 274 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.