Bundesgerichtshof Urteil, 18. Sept. 2012 - II ZR 178/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte trat mit Beitrittserklärung vom 19. September 1998, die am 25. September 1998 angenommen wurde, über die Treuhandkommanditistin P. GmbH der Klägerin bei, einem Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft.
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- Sie übernahm eine Gesamteinlage von 20.000 DM einschließlich 5 % Agio, die ab dem 1. Oktober 1998 in 200 Monatsraten zu 100 DM (51,13 €) zu erbringen war. Die Beklagte zahlte lediglich die Raten bis einschließlich Januar 2007.
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- Der Gesellschaftsvertrag (künftig: GV) der Klägerin, der in den Treuhandvertrag zwischen der Beklagten und der P. GmbH als dessen Bestandteil einbezogen wurde, enthält u.a. folgende Regelungen: § 5 Haft-/Festkapital, variables Kapital … 2. Die Treugeber des Treuhandkommanditisten sind zur Barleistung ihrer Gesamteinlage (Haft-/Festkapital und variables Kapital) verpflichtet. Die Barleistung hat innerhalb von zehn Tagen ab Annahme des Treuhandvertragsangebotes auf das Gesellschaftskonto zu erfolgen, soweit nicht die Erbringung der Gesamteinlage nach ei- nem Einzahlungsplan vereinbart wurde. … § 6 Rechtsstellung der treuhänderisch beteiligten Gesellschafter … 2. Im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander werden die Treugeber, für die der Treuhandkommanditist die Gesellschaftsbeteiligungen treuhänderisch hält, wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt. … … § 17 Beteiligung am Vermögen und am Ergebnis, Ausschüttungen … 3. Für Gesellschafter oder Treugeber, die ihre Einlage nach einem mit der Gesellschaft vereinbarten Einzahlungsplan (mindestens 60 Monatsraten) leisten, gilt statt Abs. 2 folgende Regelung: Mit wirksamem Beitritt ist der Gesellschafter oder Treugeber entsprechend den Einzahlungen auf die bedungene Gesamteinlage mit je vollen DM 1.000 / Euro 500 gemäß Abs. 1 am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. … … Wird der Einzahlungsplan nicht nach den vereinbarten Bedingungen bedient (§ 22 Abs. 1 e), ohne dass der Gesellschafter oder Treugeber aus der Gesellschaft ausscheidet, so wird seine Gesamteinlage herabgesetzt. Die herabgesetzte Gesamteinlage entspricht der Summe der auf die Gesamteinlage geleisteten Einzahlungen , vermindert um den Unterschiedsbetrag zwischen den ursprünglich vereinbarten und den herabgesetzten Belastungen auf dem Kapitalkonto III aus Aufwendungen des Treuhandkommanditisten und persönlichen Werbungskosten des Treugebers , abgerundet auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag. Der Rundungsbe- trag wird dem Gesellschafter oder Treugeber erstattet. … Die gleiche Regelung gilt, wenn der Gesellschafter oder Treugeber die Befreiung von der Verpflichtung künftiger Einzahlungen beantragt. Dies ist frühestens sieben Jahre nach Leistung der ersten Einzahlung auf die Gesamteinlage möglich. … § 21 Dauer der Gesellschaft, Kündigung … 3. Die Kündigung eines Kommanditisten oder Treugebers ist im Falle der wirtschaftlichen Not nach einer Mindestbeteiligungsdauer von fünf Jahren möglich. Als wirtschaftliche Not gilt insbesondere schwere Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr. Diese Kündigungsmöglichkeit gilt nicht bei ratenweiser Einbringung der Einlagen. Auf die Möglichkeit der Befreiung von künftigen Einzahlungsverpflichtungen und Einzahlungsplänen gem. § 17 Abs. 3 wird verwiesen. … § 22 Ausscheiden von Gesellschaftern 1. Ein Kommanditist oder Treugeber scheidet aus der Gesellschaft aus, wenn …
e) der vereinbarte Einzahlungsplan nicht vertragsgerecht erfüllt wird und die Summe der Einzahlungen auf die Gesamteinlage geringer ist als die Summe der auf dem Kapitalkonto III belasteten Aufwendungen und Kosten zuzüglich Euro 1.250 / DM 2.500. Ein Einzahlungsplan gilt als abgebrochen, wenn der Anleger am 31.12. eines Vertragsjahres mit mehr als insgesamt fünf vereinbarten Einlageraten in Rückstand ist und dieser Rückstand einschließlich Zinsen und Nebenkosten nicht bis zum 31.12. des Folgejahres ausgeglichen wird. … § 22a Sonderbestimmungen für Einzahlungspläne … 2. Die mit der Gesellschaft vereinbarten Einzahlungen sind jeweils am 1. eines Kalendermonats fällig. Kommt der Treugeber mit den vereinbarten Zahlungen von Einlagen in Verzug, so schuldet er der Fondsgesellschaft für jeden angefangenen Monat des Verzuges einen Verzugszins von 1%. Bei Rücklastschriften hat der Anleger zusätzlich zu den Bankgebühren die bei der Fondsgesellschaft anfallenden Kosten, mindestens jedoch je Euro 10,00 / DM 20,00 zu tragen.
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- Die Klägerin beansprucht die von Februar 2007 bis Dezember 2008 an- gefallenen Raten in Höhe von insgesamt 1.175,99 € zuzüglich Zinsen und Rücklastschriftkosten. Die Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, dass die Einstellung der Ratenzahlung nach § 17 Nr. 3 GV zur Herabsetzung der Gesamteinlage auf die bisher geleisteten Einzahlungen geführt habe, so dass keine weitere Zahlungspflicht bestehe.
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- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, ihre Beteiligung an der Klägerin sei auf 4.857,35 € her- abgesetzt. Die Berufung der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht unter Abweisung der weitergehenden Widerklage eine Herabsetzung der Beteiligung auf 3.500 € festgestellt hat. Im Übrigen hat das Berufungsge- richt das Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr Zahlungsbegehren und ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Widerklage weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
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- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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- Die Voraussetzungen für einen Abbruch des Einzahlungsplans nach § 22 Nr. 1 Buchst. e GV seien im Streitfall erfüllt. Dies führe nach § 17 Nr. 3 GV zur automatischen Herabsetzung der Einlage mit der Folge, dass die Beklagte über die bereits gezahlten Beträge hinaus keine weiteren Ratenzahlungen zu erbringen habe.
- 9
- Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, der eine im Ermessen der Klägerin stehende Entscheidung über die Herabsetzung der Einlage nicht vorsehe, spreche dafür, dass die Herabsetzung der Einlage allein durch den Abbruch des Einzahlungsplans ausgelöst werde und vom Einverständnis der Klägerin unabhängig sei. Ein durchschnittlicher Beitrittsinteressent, auf dessen Empfängerhorizont abzustellen sei, könne dem Gesellschaftsvertrag in diesem Punkt bei objektiver Würdigung nichts anderes entnehmen. Dieses dem Wortlaut des Vertrags folgende Verständnis sei auch sinnvoll, da bei einer positiven Geschäftsentwicklung des Immobilienfonds, wie sie der Anleger erwarte, eine Absenkung der Beteiligung nach Maßgabe der bisher geleisteten Zahlungen genüge , um den Treugeber von einer willentlichen Nichterfüllung der Einlagepflicht abzuhalten. Die wortlautgetreue Auslegung passe auch in das Gefüge des Gesellschaftsvertrages , der keine Regelung darüber enthalte, welches Organ der Gesellschaft nach welchen Kriterien über die Herabsetzung einer Einlage nach § 17 Nr. 3 GV entscheiden solle. Wegen der in § 21 Nr. 3 GV enthaltenen Bezugnahme erscheine zwar klar, dass der gleichfalls in § 17 Nr. 3 GV geregelte Antrag des Treugebers auf Befreiung von künftigen Einzahlungsverpflichtungen nur in Fällen wirtschaftlicher Not möglich sei. Aus der Sicht eines Beitrittsinteressenten müsse sich deshalb aber kein Widerspruch zu der nach dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen automatischen Herabsetzung der Einlage bei vertragswidriger Nichtzahlung der Einlageraten aufdrängen. Auf die Widerklage sei die Herabsetzung der Beteiligung festzustellen; die herabgesetzte Beteiligung belaufe sich bei richtiger Berechnung aber nur auf 3.500 €.
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- II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
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- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf weitere Einlagezahlungen ab dem 1. Februar 2007 verneint.
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- a) Die Klägerin kann allerdings, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ausstehende Einlagezahlungen aus eigenem Recht einfordern.
- 13
- Nach dem Gesellschaftsvertrag, insbesondere nach § 6 Nr. 2 GV, haben die über die Treuhandkommanditistin beteiligten Treugeber im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters (Quasi-Gesellschafter). Daraus ergeben sich einerseits unmittelbar gegen die Gesellschaft bestehende Rechte der Treugeber; andererseits können gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen im Innenverhältnis die Treugeber unmittelbar treffen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 - II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 15 ff.). Vor diesem Hintergrund ist den einschlägigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (§ 5 Nr. 2, § 22a GV) zu entnehmen, dass der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch auf Leistung der Gesamteinlage der Gesellschaft aus eigenem Recht zusteht.
- 14
- b) Die Gesamteinlage der Beklagten ist gemäß § 17 Nr. 3 GV auf einen Betrag herabgesetzt, der der Summe der auf die Einlage geleisteten Einzahlungen , vermindert um die in § 17 Nr. 3 GV aufgeführten Abzugspositionen, entspricht.
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- aa) Die in § 17 Nr. 3 GV genannten Voraussetzungen für die Herabsetzung der Gesamteinlage sind erfüllt. Erforderlich ist nach dieser Vertragsbestimmung , dass der Einzahlungsplan nicht nach den vereinbarten Bedingungen bedient wurde (§ 22 Abs. 1 Buchst. e GV), ohne dass der Treugeber (deshalb) aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.
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- Die Beklagte hat den Einzahlungsplan nicht nach den vereinbarten Bedingungen bedient. Nach § 22 Nr. 1 Buchst. e GV, auf den in § 17 Nr. 3 GV Bezug genommen wird, gilt ein Einzahlungsplan als abgebrochen, wenn der Anleger am 31. Dezember eines Vertragsjahres mit mehr als insgesamt fünf vereinbarten Einlageraten in Rückstand ist und dieser Rückstand einschließlich Zinsen und Nebenkosten nicht bis zum 31. Dezember des Folgejahres ausgeglichen wird. Diese Voraussetzung war im Streitfall zum 31. Dezember 2008 eingetreten , wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet festgestellt hat.
- 17
- Die Beklagte ist auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden. Nach § 22 Nr. 1 Buchst. e Satz 1 GV führt die nicht vertragsgerechte Erfüllung des Einzahlungsplans zum Ausscheiden des Kommanditisten oder Treugebers, wenn die Summe der geleisteten Einzahlungen geringer ist als die Summe der auf dem Kapitalkonto III belasteten Aufwendungen und Kosten zuzüglich 1.250 € / 2.500 DM. Die Einzahlungen der Beklagten übersteigen diesen Wert, wie die unbeanstandet gebliebenen Berechnungen des Berufungsgerichts zur Höhe der abgesenkten Beteiligung ergeben.
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- bb) Die Herabsetzung der Gesamteinlage ist nicht von einer Entscheidung der Klägerin abhängig, wie die Revision meint. Das Berufungsgericht hat den Gesellschaftsvertrag in diesem Punkt zutreffend ausgelegt.
- 19
- Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin als einer Publikumsgesellschaft ist nach seinem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertra- ges auszulegen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2011 - II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 14 m.w.N.). Diese Auslegung kann das Revisionsgericht selbständig vornehmen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 46 m.w.N.). Offen bleiben kann, ob die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG bzw. des § 310 Abs. 4 BGB nF im Hinblick auf die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21. April 1993, Seite 29-34) nicht eingreift, wenn sich Verbraucher an Publikumsgesellschaften beteiligen, oder aber Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften weiterhin einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle (§ 242 BGB) wie Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 50; Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231, Rn. 45 - jeweils m.w.N.). Denn schon nach §§ 133, 157 BGB ist dem Gesellschaftsvertrag - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 5 AGBG (§ 305c Abs. 2 BGB nF) - aus der Sicht eines durchschnittlichen Anlegers zu entnehmen, dass die Herabsetzung der Gesamteinlage nicht der Zustimmung der Klägerin bedarf.
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- (1) Nach dem Wortlaut des § 17 Nr. 3 GV („… so wird seine Gesamtein- lage herabgesetzt“) ist die Herabsetzung der Gesamteinlage die zwingende Folge eines nicht zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führenden Abbruchs des Einzahlungsplans. Besondere Umstände, die in Anwendung allgemein anerkannter Grundsätze zu einem hiervon abweichenden Auslegungsergebnis führen könnten, liegen nicht vor. Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Auslegung ist interessengerecht und fügt sich in die Systematik des Gesellschaftsvertrages der Klägerin widerspruchsfrei ein.
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- (2) Die Revision beruft sich ohne Erfolg darauf, dass eine Herabsetzung der Einlage, die der Gesellschafter durch Nichtzahlung der vereinbarten Raten selbst herbeiführen könne, einem vorweggenommenen Forderungserlass oder -verzicht durch die Klägerin gleichkomme (so auch OLG München, Urteil vom 18. August 2010 - 20 U 2303/10, juris Rn. 14).
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- Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung zu beachten und den der Erklärung zugrundeliegenden Umständen besondere Bedeutung beizumessen. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgeben wollen. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, WM 2002, 822, 824; Urteil vom 7. März 2006 - VI ZR 54/05, NJW 2006, 1511 Rn. 10, jeweils m.w.N.).
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- Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt im Streitfall indes nicht vor. Denn hier geht es nicht um die Auslegung einer Erklärung, durch die ein zuvor erworbenes Recht wieder aufgegeben worden sein soll. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Beteiligungsraten wurde nicht zeitlich vor der in § 17 Nr. 3 GV geregelten Begrenzung dieses Anspruchs begründet; er war von Anfang an nach Maßgabe des § 17 Nr. 3 GV beschränkt. Somit befanden sich die Klägerin und ihre Gesellschafter in dem für die Auslegung maßgebenden Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten gerade nicht in der Lage eines Gläubigers, dessen Willenserklärung darauf zu prüfen ist, ob er auf ein ihm bereits zustehendes Recht verzichtet. Ferner hat die Einstellung der Ratenzahlungen nach der vom Berufungsgericht befürworteten Auslegung nicht nur die für den Gesellschafter rein vorteilhafte Folge, keine weiteren Beteiligungsraten zahlen zu müssen. Vielmehr wirkt sich die Herabsetzung der Gesamteinlage zugleich zum Nachteil des betroffenen Gesellschafters aus.
- 24
- (3) Ebenfalls unbegründet ist der Einwand der Revision, die in § 22a Nr. 2 GV getroffene Regelung der Verzugsfolgen wäre überflüssig, wenn die Gesamteinlage bei einer Zahlungseinstellung ohne weiteres auf den bis dahin geleisteten Betrag reduziert würde, so dass ein Verzug gar nicht eintreten könnte.
- 25
- Diese Argumentation lässt zum einen die - durch § 22a Nr. 2 GV erfassten - Fälle außer Acht, in denen die Zahlungen nach zwischenzeitlicher Säumigkeit wieder aufgenommen werden, so dass es zu einem Abbruch des Einzahlungsplans nicht kommt, oder in denen die Zahlungseinstellung zum Ausscheiden des Gesellschafters führt.
- 26
- Die vertraglichen Verzugsregelungen sind aber auch dann von Bedeutung , wenn die Einstellung der Ratenzahlungen die Herabsetzung der Gesamteinlage zur Folge hat. Die Herabsetzung der Gesamteinlage und die damit verbundene Befreiung von der Verpflichtung zu weiteren Einlagezahlungen tritt erst mit dem Abbruch des Einzahlungsplans nach § 22 Nr. 1 Buchst. e Satz 2 GV ein. Sie ändert nichts daran, dass der Anleger, der seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt, gegen den Vertrag verstößt und in Verzug gerät. Allerdings knüpft der Gesellschaftsvertrag an diesen Vertragsverstoß, wenn er zum Abbruch des Einzahlungsplans führt, die in § 17 Nr. 3 GV geregelte Rechtsfolge der Herabsetzung der Gesamteinlage, womit zugleich die Verpflichtung zur Zahlung weiterer Raten endet und die Verpflichtung zur Zahlung der bis dahin noch fällig gewordenen und offen gebliebenen Raten erlischt.
- 27
- (4) Anders als die Revision meint, führt die vom Berufungsgericht befürwortete Auslegung nicht deshalb zu einer gravierenden Ungereimtheit des vertraglichen Regelwerks, weil der Gesellschaftsvertrag dem Anleger, der seine Einlage in Raten erbringt, die Möglichkeit, frühestens nach sieben Jahren seine Befreiung von der Verpflichtung zu künftigen Einzahlungen zu beantragen (§ 17 Nr. 3 GV), nur in Fällen wirtschaftlicher Not einräume (so aber OLG München, Urteil vom 18. August 2010 - 20 U 2303/10, juris Rn. 10, 16).
- 28
- Der - vom Berufungsgericht geteilten - Annahme der Revision, das Recht eines Anlegers, sich von den künftigen Einzahlungspflichten befreien zu lassen, sei auf Fälle wirtschaftlicher Not beschränkt, kann nicht gefolgt werden. In § 17 Nr. 3 GV ist eine solche Einschränkung nicht vorgesehen. Sie ergibt sich auch nicht aus § 21 Nr. 3 GV. In § 21 GV sind die Dauer der Gesellschaft und das Kündigungsrecht der Anleger geregelt, nicht aber die Herabsetzung der Einlage eines in der Gesellschaft verbleibenden Anlegers. Nach § 21 Nr. 3 Satz 3 GV wird das dort geregelte Kündigungsrecht im Falle wirtschaftlicher Not einem Anleger, der seine Einlage in Raten erbringt, nicht zugestanden. Der daran an- schließende Satz „Auf die Möglichkeit der Befreiung von künftigen Einzahlungs- verpflichtungen und Einzahlungsplänen gem. § 17 Abs. 3 wird verwiesen“ stellt keine Regelung dar, insbesondere enthält er keine Änderung oder Einschränkung der Befreiungsmöglichkeit, auf die er verweist. Vielmehr handelt es sich um einen einfachen Hinweis auf eine an anderer Stelle des Gesellschaftsvertrages zu findende Regelung, der entnommen werden mag, dass der Anleger, der seine Einlage in Raten erbringt, infolge der ihm möglichen Begrenzung seiner Ratenzahlungspflicht eines Sonderkündigungsrechts in Fällen wirtschaftlicher Not nicht zwingend bedarf. Hätte neben dem Sonderkündigungsrecht auch die Möglichkeit der Befreiung von künftigen Einzahlungsverpflichtungen auf Fälle wirtschaftlicher Not beschränkt werden sollen, so hätte dies durch eine Verweisung in § 17 Nr. 3 GV auf § 21 Nr. 3 GV zum Ausdruck gebracht werden können - nicht umgekehrt.
- 29
- Allerdings besteht die Möglichkeit der Befreiung von künftigen Einzahlungsverpflichtungen frühestens sieben Jahre nach der ersten Einzahlung, während der Abbruch des Einzahlungsplans schon vor Ablauf dieser Zeitspanne zu einer Herabsetzung der Gesamteinlage führen kann. Darin liegt aber schon deshalb keine systemwidrige Besserstellung des vertragsbrüchigen Gesellschafters , die zu einer vom Wortlaut abweichenden Auslegung des Gesellschaftsvertrages zwingen könnte, weil der Anleger, der seinen Einzahlungspflichten nicht nachkommt, hierdurch bedingte Nachteile in Kauf nehmen muss. Nach § 22a Nr. 2 GV schuldet er etwa das unverminderte Agio aus der ursprünglich vereinbarten Gesamteinlage sowie zwischenzeitliche Verzugszinsen, die den Einlagezahlungen zu entnehmen sind.
- 30
- Nach § 17 Nr. 3 GV tritt die in der Herabsetzung der Gesamteinlage bestehende Rechtsfolge sowohl bei einem Abbruch des Einzahlungsplans infolge vertragswidriger Zahlungseinstellung als auch dann ein, wenn der Anleger vertragsgemäß die Befreiung von künftigen Einzahlungsverpflichtungen beantragt. Verhält sich der Anleger vertragsgemäß, so kann das ihm vertraglich zugestandene Recht, die Herabsetzung der Einlage zu erwirken, ersichtlich nicht von einer im Vertragstext nicht vorgesehenen Einwilligung der Gesellschaft abhängen. Aber auch bei einem Abbruch des Einzahlungsplans gilt nichts anderes. Für eine in diesem Punkt differenzierende Auslegung des Gesellschaftsvertrages ist auch deshalb kein Raum, weil die in § 17 Nr. 3 GV gewählte Formulie- rung „Die gleiche Regelung gilt, …“ die Gleichbehandlung beider Fallgestaltun- gen hinsichtlich der Rechtsfolge unmissverständlich festlegt.
- 31
- (5) Auch die Erwägung, die Klägerin benötige eine verlässliche Kalkulationsgrundlage , an der es fehle, wenn Anleger sich durch die Einstellung der vereinbarten Ratenzahlung von ihren Verpflichtungen lösen könnten, führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis.
- 32
- Für einen durchschnittlichen Anlageinteressenten war schon nicht ersichtlich , wie viele Anleger die Klägerin werben würde und in welchem Maße sie auf ungeschmälerte Zuflüsse aus Einzahlungsplänen angewiesen war, die insgesamt nur einen (verhältnismäßig geringen) Teil der kalkulierten Einnahmen ausmachten. Vor allem aber hat die Klägerin durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages , der neben der in § 17 Nr. 3 GV eröffneten Möglichkeit einer Herabsetzung der Gesamteinlage in § 24 Nr. 4 GV vorsieht, dass die infolge einer Einstellung der Ratenzahlung ausscheidenden Gesellschafter ein vom aktuellen wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils unabhängiges Auseinandersetzungsguthaben erhalten, den - auch werbewirksamen - Eindruck vermittelt, sie könne es sich leisten, das Risiko der Anleger, die sich im Rahmen begrenzter finanzieller Möglichkeiten nach einem Einzahlungsplan mit überschaubaren Raten beteiligen, sozialverträglich zu beschränken. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen (vgl. auch BGH, Urteil vom 27. November 2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 245).
- 33
- cc) Der Wortlaut des § 17 Nr. 3 GV, der die Herabsetzung der Gesamteinlage als zwingende Folge eines nicht zum Ausscheiden aus der Gesellschaft führenden Abbruchs des Einzahlungsplans festlegt, lässt lediglich die rechtstechnische Frage offen, ob die Herabsetzung der Einlage automatisch eintritt oder von der - hierzu verpflichteten - Klägerin vorzunehmen ist. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Herabsetzung der Einlage bei Erfüllung der Voraussetzungen ohne weiteres eintritt und keiner formalen Umsetzung durch die Klägerin bedarf. Diese Sichtweise trägt dem Interesse beider Parteien Rechnung, unnötige formale Erschwernisse zu vermeiden. Sie harmoniert zudem mit der Regelung in § 22 Nr. 1 Buchst. e GV, die für einen Gesellschafter, der keine für den Verbleib in der Gesellschaft ausreichenden Zahlungen geleistet hat, ein automatisches Ausscheiden aus der Gesellschaft vorsieht.
- 34
- c) Die Herabsetzung der Gesamteinlage nach § 17 Nr. 3 GV hat zur Folge , dass der Gesellschafter oder Treugeber keine weiteren Raten zu leisten hat, da der Betrag der Gesamteinlage für die in § 5 Nr. 2 GV begründete Zahlungspflicht maßgebend ist. Der Gesellschafter ist auch nicht (mehr) verpflich- tet, die bis zum Abbruch des Einzahlungsplans fällig gewordenen Raten nachzuentrichten. Denn die vertragliche Regelung legt unmissverständlich fest, dass die herabgesetzte Gesamteinlage im Ausgangsbetrag, von dem sodann noch die in § 17 Nr. 3 GV im Einzelnen geregelten Abzüge vorzunehmen sind, der Summe der auf die Einlage geleisteten Einzahlungen entspricht.
- 35
- 2. Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beteiligung der Beklagten an der Klägerin auf 3.500 € herabgesetzt ist.
- 36
- a) Mit ihrer Widerklage erstrebt die Beklagte zum einen die Feststellung, dass ihre in der Antragsfassung als Beteiligung bezeichnete Gesamteinlage gemäß § 17 Nr. 3 GV herabgesetzt ist. An dieser Feststellung hat die Beklagte ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil aus der Herabsetzung der Gesamteinlage folgt, dass die Beklagte auch nach Dezember 2008, dem durch die Klage erfassten Zeitraum, keine weiteren Einlageraten zu entrichten hat. Zum anderen bezieht sich das Interesse der Beklagten auf die Höhe der ihr nach der Herabsetzung verbleibenden Beteiligung.
- 37
- b) Die Widerklage ist in dem vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang begründet. Die Gesamteinlage der Beklagten ist herabgesetzt (s.o. unter II. 1.
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 29.01.2010 - 25 O 1826/09 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 19.08.2010 - 24 U 138/10 -
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Annotations
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.