Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2005 - II ZR 17/04

published on 21/11/2005 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2005 - II ZR 17/04
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Previous court decisions
Landgericht Paderborn, 7 O 107/02, 30/01/2003
Oberlandesgericht Hamm, 27 U 77/03, 04/12/2003

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 17/04 Verkündet am:
21. November 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der kein Gesellschaftsvermögen
mehr vorhanden ist, können die Gesellschafter Ausgleichsansprüche
auch dann gegeneinander geltend machen, wenn Gesellschaftsverbindlichkeiten
offen sind (vgl. BGHZ 26, 126, 133).
BGH, Versäumnisurteil vom 21. November 2005 - II ZR 17/04 - OLG Hamm
LG Paderborn
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 21. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und
Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Dezember 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung aus der Abrechnung gemeinsamer Geschäftstätigkeit in Anspruch.
2
Die Parteien beschlossen, Grundstücke im Gebiet "P.", die in ihrem Miteigentum standen oder von ihnen zu Miteigentum erworben wurden, gemeinsam zu erschließen und nach Parzellierung als Baugrundstücke zu veräußern. Der erzielte Gewinn sollte hälftig zwischen ihnen geteilt werden. Nach Durchführung des Vorhabens stellte die Beklagte, die das Projekt "P." leitete, schließlich eine "endgültige" Abrechnung auf, die - unter Kürzung der Ausgabenposition "Abwicklungsgebühr" um den der Klägerin bereits bei der Abrechnung eines anderen gemeinsamen Vorhabens (Projekt "A.") belasteten Teilbetrag - mit einem Guthaben der Klägerin in Höhe von 487,96 € endete. Die Klägerin , die ihren Zahlungsanspruch wegen der beim Projekt "A." zu Unrecht berücksichtigten - weil das Vorhaben "P." betreffenden - Kosten in der Berufungsinstanz als noch offenes Guthaben aus der Abrechnung des Projekts "A." dargestellt hat, beanstandet im Wesentlichen vier Positionen der Abrechnung und verlangt - weil zu verteilendes Vermögen nicht mehr vorhanden ist - von der Beklagten Zahlung von 53.802,78 €.
3
Das Landgericht hat den Zahlungsanspruch als nicht fällig angesehen und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die gegen die Abweisung des Zahlungsantrags gerichtete Berufung zurückgewiesen und dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag, die zwischen den Parteien streitigen Rechnungsposten festzustellen, teilweise stattgegeben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter, das sie nunmehr insgesamt auf das Projekt "P." stützt.

Entscheidungsgründe:


4
I. Über die Revision der Klägerin ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81).
5
II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
Das Berufungsgericht hat zur Abweisung des Zahlungsantrags im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien habe hinsichtlich des Projekts "P." eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden. Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben , der unmittelbar gegenüber ausgleichspflichtigen Gesellschaftern durchgesetzt werden könne, wenn kein Gesellschaftsvermögen vorhanden sei, werde erst fällig, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern festgestellt und über ihren Inhalt Einigkeit erzielt worden sei. Dies sei angesichts des umfangreichen Streits der Parteien über zahlreiche Positionen der Abrechnung nicht der Fall. Eine Auszahlung an die Klägerin komme auch nicht ausnahmsweise in Betracht. Da noch Steuerforderungen auf die Gesellschaft zukommen könnten, sei nämlich nicht unzweifelhaft, dass ein Auseinandersetzungsguthaben mindestens in Höhe der Klageforderung bestehe. Es könne somit nur die Berechtigung einzelner Rechnungsposten durch Feststellungsklage geklärt werden.
8
III. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
9
1. a) Mit Recht - und von der Revision unbeanstandet - hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass zwischen den Parteien bei der Durchführung des Projekts "P." eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden hat. Die Rechtsbeziehung der Parteien erschöpfte sich nicht in der gemeinschaftlichen Berechtigung an den Grundstücken, sondern war durch den gemeinsam verfolgten Zweck geprägt, die Grundstücke zu erschließen und gewinnbringend als Bauland zu veräußern (vgl. MünchKommBGB/ Ulmer 4. Aufl. Vor § 705 Rdn. 15).
10
b) Ebenso zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Klägerin den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben unmittelbar gegen die Beklagte geltend machen kann (Sen.Urt. v. 5. Juli 2003 - II ZR 234/92, ZIP 2003, 1307, 1309).
11
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Zahlungsanspruch fällig. Einer - von den Gesellschaftern festzustellenden - Auseinandersetzungsbilanz bedarf es hierzu nicht (Senat aaO). Der Fälligkeit des Zahlungsantrags steht insbesondere nicht die Erwägung entgegen, es könnten noch Steuerforderungen gegen die Gesellschaft erhoben werden. Das Vorhandensein oder die Möglichkeit offener Gesellschaftsverbindlichkeiten schließen den internen Ausgleich zwischen den Gesellschaftern nicht aus, wenn - wie hier - kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Senat BGHZ 26, 126, 133; Ulmer aaO § 730 Rdn. 62; Staudinger/Habermeier, BGB 2003 § 730 Rdn. 26; Bamberger/Roth, BGB § 730 Rdn. 32).
12
3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Höhe eines etwaigen - von der Klägerin noch näher darzulegenden - Zahlungsanspruchs klären kann. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Goette Kurzwelly Kraemer
Caliebe Reichart

Vorinstanzen:
LG Paderborn, Entscheidung vom 30.01.2003 - 7 O 107/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 04.12.2003 - 27 U 77/03 -
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. (2) Für die Beendig
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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Annotations

(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

(2) Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Die einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zustehende Befugnis zur Geschäftsführung erlischt jedoch, wenn nicht aus dem Vertrag sich ein anderes ergibt, mit der Auflösung der Gesellschaft; die Geschäftsführung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.