Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2001 - I ZR 74/99
published on 15/11/2001 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Nov. 2001 - I ZR 74/99
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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 74/99 Verkündet am:
15. November 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher
und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der U. Deutschland Inc. & Co. OHG wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens gegen die U. Deutschland Inc. an das Berufungsgericht zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.
Von Rechts wegen
Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens gegen die U. Deutschland Inc. an das Berufungsgericht zurückverwiesen , dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, Transportversicherer der K. GmbH in H. , nimmt die beklagte U. Deutschland Inc. mit Sitz in N. (im folgenden : U. Inc.) aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 59.425,-- DM nebst Zinsen gerichteten Klage im vollen Umfang stattgegeben. Dagegen haben die Rechtsanwälte H. , die die U. Inc. im ersten Rechtszug vertreten haben, namens der in N. unter derselben Adresse wie die U. Inc. geschäftsansässigen U. Deutschland Inc. & Co. OHG (im folgenden: U. OHG) Berufung eingelegt. Die Klägerin hat unselbständige Anschlußberufung eingelegt, mit der sie ihre Klage um 1.000,-- DM erweitert hat.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der U. OHG als unzulässig verworfen und zugleich ausgesprochen, daß die Anschlußberufung der Klägerin wirkungslos sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der U. OHG, mit der diese die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig angesehen, weil sie von der durch das angefochtene Urteil nicht beschwerten U. OHG eingelegt worden sei. Hierzu hat es ausgeführt:
Die die Berufung führende U. OHG habe selbst vorgetragen, daß die beklagte U. Inc. mit ihr nicht identisch, sondern eine ihrer persönlich haftenden
Gesellschafterinnen sei, weshalb weder eine bloûe Firmenänderung noch eine Rechtsnachfolge durch Umwandlung vorliege. Ebensowenig liege nach dem eigenen Vortrag der Berufungsklägerin lediglich eine aus den Umständen wie insbesondere aus dem der Berufungsschrift beigefügten Urteil erster Instanz zu entnehmende versehentliche Falschbezeichnung der die Berufung führenden Partei vor. Die von der Berufungsklägerin schlieûlich noch angesprochene Möglichkeit eines gewillkürten Parteiwechsels auch in der zweiten Instanz setzte eine zulässige Berufung und auûerdem die Zustimmung des Gegners voraus; im vorliegenden Fall seien beide Voraussetzungen nicht erfüllt.
II. Die hiergegen gerichtete Revision ist gemäû § 547 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Daû die die Revision führende U. OHG gemäû den Darlegungen zu nachfolgender Ziffer III entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts tatsächlich nicht Berufungsklägerin war, steht dem nicht entgegen. Die U. OHG ist damit durch das Berufungsurteil allerdings nicht formell beschwert. Bei der beklagten Partei ist jedoch, da sie keine Sachanträge stellt, die materielle Beschwer maûgeblich. Für diese reicht jeder nachteilige rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung - wie im Streitfall der Ausspruch , daû die Berufung der U. OHG unzulässig sei und diese die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe - aus (BGH, Urt. v. 5.1.1955 - IV ZR 238/54, NJW 1955, 545; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., Vorbem. § 511 Rdn. 19 m.w.N.).
III. Die Revision der U. OHG hat auch in der Sache Erfolg. Das Oberlandesgericht ist im Berufungsurteil zu Unrecht davon ausgegangen, daû nicht die im Verfahren vor dem Landgericht unterlegene U. Inc., sondern die durch das Urteil erster Instanz nicht beschwerte U. OHG Berufungsklägerin sei.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehört zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift neben den in § 518 Abs. 2 ZPO ausdrücklich normierten Voraussetzungen weiterhin die Angabe, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird. Dabei müssen, da mit der Berufung ein neuer Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befaûten Gericht eröffnet wird, aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Parteien des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Berufungsfrist für das Berufungsgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschlieûenden Weise erkennbar sein (BGHZ 21, 168, 170 ff.; 113, 228, 230; BGH, Beschl. v. 13.7.1993 - III ZB 17/93, NJW 1993, 2943 f.; Beschl. v. 7.11.1995 - VI ZB 12/95, NJW 1996, 320; Beschl. v. 16.7.1998 - VII ZB 7/98, NJW 1998, 3499; Beschl. v. 18.4.2000 - VI ZB 1/00, NJW-RR 2000, 1371, 1372, jeweils m.w.N.). Dies bedeutet jedoch nicht, daû die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschlieûlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (BGH NJW 1996, 320 m.w.N.).
2. Im danach auch im Streitfall maûgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist hatte das Berufungsgericht, dem zur damaligen Zeit die Berufungsschrift und das dieser beigefügte Urteil des Landgerichts vorlagen, keinen Anlaû zu zweifeln, daû die U. Inc. Berufungsklägerin sein sollte. Dem stand nicht entgegen, daû als solche in der Berufungsschrift die U. OHG unter Angabe ihrer von der U. Inc. abweichenden gesetzlichen Vertretung bezeichnet
war. Unter Berücksichtigung dessen nämlich, daû die U. OHG in der Berufungsschrift als "Beklagte und Berufungsklägerin" bezeichnet und im beigefügten Urteil des Landgerichts die U. Inc. zweifelsfrei als Beklagte ausgewiesen war, konnten für das Berufungsgericht und die Klägerin aus deren damaliger Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, daû die U. OHG bei der Berufungseinlegung versehentlich anstelle der - im übrigen unter derselben Anschrift geschäftsansässigen - U. Inc. als Berufungsklägerin benannt worden war.
Nach dem vorstehend Ausgeführten ist es, da für die Frage, wer als Berufungsführer anzusehen ist, allein maûgeblich ist, was insoweit für das Berufungsgericht und den Gegner bis zum Ablauf der Berufungsfrist erkennbar geworden ist, mithin unerheblich, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat und die Revisionserwiderung geltend macht, eine versehentliche Falschbezeichnung ausweislich des eigenen späteren Vorbringens der Berufung tatsächlich nicht vorgelegen hatte, weil danach die U. OHG sich - zu Unrecht - als Rechtsnachfolgerin der U. Inc. angesehen hatte.
IV. Da sich die Klägerin auch mit einem Parteiwechsel auf der Beklagtenseite im Berufungsverfahren nicht einverstanden erklärt hat, ist das Berufungsurteil zu Unrecht gegen die Revisionsklägerin ergangen. Es konnte daher keinen Bestand haben und war deshalb aufzuheben.
Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses nunmehr das bei ihm noch anhängige Berufungsverfahren zwischen der U. Inc. und der Klägerin durchführt.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert
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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von
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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges
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published on 11/05/2010 00:00
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 93/09 vom 11. Mai 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 519 Abs. 2 An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind weniger strenge Anforderungen als an die Bezeichn
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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.