Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2013 - I ZR 53/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist der 2008 gegründete GIG - Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V. Der Beklagte zu 1 ist der Freistaat Bayern, der über seine Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern Sofortlotterien veranstaltet. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1 und den Geschäftsführer der Staatlichen Lotterieverwaltung in Bayern, den Beklagten zu 2, wegen Internet- und Plakatwerbung für das Glücksspiel KENO in Anspruch.
- 2
- Die Satzung des Klägers bestimmt in § 5 Nr. 1, dass "juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeb- lich beteiligt sind …" von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind. Gemäß § 3 Nr. 1 der Satzung bezweckt der Kläger ausschließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen; zu diesem Zweck will er den lauteren Wettbewerb fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern beobachten.
- 3
- Der Kläger wendet sich gegen die nachfolgend eingeblendete Werbung der Beklagten zu 1 für eine "Sonderauslosung bei KENO":
- 4
- Diese Werbung hing am 4. März 2009 als Plakat in den Annahmestellen des Beklagten zu 1 aus und konnte gleichzeitig auf ihrer Internetseite wie folgt aufgerufen werden:
- 5
- Der Kläger hat beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens für öffentliches Glücksspiel durch Ankündigung einer "Sonderauslosung bei KENO" zu werben und/oder werben zu lassen, wie am 4. März 2009 im Internet unter www.lottobayern.de und nachstehend wiedergegeben geschehen: (es folgt die Einblendung der beanstandeten Werbung im Internet) und/oder nachstehend wiedergegeben in Annahmestellen in Bayern geschehen (es folgt die Einblendung der beanstandeten Plakatwerbung).
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen , weil sie rechtsmissbräuchlich sei. Mit der vom Senat zugelassenen Revision , deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
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- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 8
- Die angegriffene Werbung sei zwar unlauter. Die Internetwerbung sei bereits nach § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 verboten. Die Plakatwerbung verstoße gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2008, weil sie gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordere. Die Klage sei aber unzulässig, weil der Kläger die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG rechtsmissbräuchlich allein zu dem Zweck einsetze, unlauterem Wettbewerbsverhalten der staatlichen Lottogesellschaften entgegenzuwirken, sich aber kategorisch weigere, Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder zu verfolgen.
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- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
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- 1. Wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, handelt der Kläger nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich dauerhaft auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der staatlichen Lottogesellschaften beschränkt. Denn diese Beschränkung folgt bereits aus seinem - rechtlich unbedenklichen - Verbandszweck, ausschließlich die Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen zu vertreten und zu diesem Zweck den lauteren Wettbewerb zu fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu beobachten (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 148/10, GRUR 2012, 411 Rn. 25 = WRP 2012, 453 - Glücksspielverband).
- 11
- Besondere Umstände, die im Streitfall die Rechtsverfolgung durch den Kläger rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
- 12
- 2. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, so dass sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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- Da das Berufungsgericht die Berufung für unzulässig gehalten hat, hat es keine Entscheidung zur Sache getroffen und konnte sie auch nicht treffen. Seine Ausführungen zur Sache gelten grundsätzlich für die Revisionsinstanz als nicht geschrieben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Oktober 1998 - LwZR 3/98, NJW 1999, 794; Urteil vom 22. März 2006 - VIII ZR 212/04, NJW 2006, 2705 Rn. 11, jeweils mwN).
- 14
- III. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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- Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsantrag des Klägers ist nur begründet, wenn er auch nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht besteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 16 = WRP 2012, 1517 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT).
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- 1. Dafür kommt es einerseits darauf an, ob die beanstandete Werbung "Sonderauslosung bei KENO" den Anforderungen entspricht, die nach § 5 Abs. 1 und 2 des für Bayern seit dem 1. Juli 2012 geltenden Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags (GlüStV 2012) für alle Formen von Glücksspielwerbung gelten.
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- Gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 ist Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel an den Zielen des § 1 GlüStV 2012 auszurichten. Neben einem konkretisierten Irreführungsverbot bestimmt § 5 Abs. 2 GlüStV 2012, dass sich die Glücksspielwerbung nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten darf. Nach § 5 Abs. 4 GlüStV 2012 soll eine Werberichtlinie der Länder Art und Umfang der erlaubten Werbung konkretisieren.
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- a) Bei Prüfung der Frage, ob die beanstandete Werbung mit den Zielen des § 1 Abs. 1 GlüStV 2012 in Einklang steht, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass ein Aufforderungscharakter von Werbung für sich allein nicht das Ziel beeinträchtigt "das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen". Denn mit dem gegenüber dem bisherigen Recht neuen Regelungsansatz für Glücksspielwerbung in § 5 GlüStV 2012 sollte eine Kanalisierung der Nachfrage auf legale und weniger gefährliche Formen des Glücksspiels erreicht werden. Das dürfte voraussetzen, dass auf diese legalen Angebote in wirksamer Weise aufmerksam gemacht werden darf (vgl. Erläuterungen zum Antrag auf Zustimmung zum Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, Bayer. Landtag, Drucks. 16/11995, S. 16, 26 i.V.m. 21).
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- b) Hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 GlüStV 2012 wird es kaum ausreichen, dass eine Werbung auch von Minderjährigen oder vergleichbar gefährdeten Personen aufgerufen werden kann. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass sich eine Werbung nur dann an Angehörige der von § 5 Abs. 2 GlüStV geschützten Kreise richtet, wenn sie in Inhalt oder Gestaltung erkennbar - zumindest auch - auf diese Personengruppen als Zielgruppe ausgerichtet ist (vgl. auch Bayer. Landtag, Drucks. 16/11995, S. 16, 26).
- 20
- 2. Bei der beanstandeten Internetwerbung wird zu beachten sein, dass nach dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag für Glücksspielwerbung im Internet kein ausnahmsloses Verbot mehr besteht. Vielmehr gilt für Lotterien, Sport- und Pferdewetten gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV 2012 ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren haben die Beklagten Gelegenheit , zur Frage der Erlaubnis vorzutragen.
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.04.2010 - 11 HKO 19856/09 -
OLG München, Entscheidung vom 17.03.2011 - 29 U 2944/10 -
Annotations
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
- 1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, - 2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, - 3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind, - 4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.
(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.
(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.