Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juni 2001 - I ZR 210/97
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik einschließlich des Vertriebs von Mobiltelefonen mit entsprechenden Netzkartenverträgen.
Am 30. November 1995 warb die Beklagte in der Allgäuer Zeitung für ein Mobiltelefon der Marke Bosch zu einem Preis von 1 DM bei gleichzeitigem Abschluß eines Netzkartenvertrages. Bei der Preisangabe findet sich ein Sternchen, das auf eine – kleiner gedruckte – Aufstellung von Tarifen für einen Netzkartenvertrag mit einer Laufzeit von zwölf Monaten verweist.
Die Klägerin hat diese Werbung gemäû § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens als wettbewerbswidrig beanstandet. Ferner hat sie sich auf einen Verstoû gegen die Zugabeverordnung berufen und die Darstellung der Bedingungen des Kartenvertrages als irreführend gerügt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeanzeigen , Zeitungsinseraten und ähnlichem für den Verkauf von Handys zu werben, die zu dem beworbenen Preis nur bei Freischaltung eines Netzkartenvertrages abgegeben werden ± wie geschehen in der Allgäuer Zeitung vom 30. November 1995 ±, wenn für das Handy ein Preis von 1 DM gefordert wird.
Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, in der beanstandeten Werbung liege ein Verstoû gegen die Zugabeverordnung und gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG. Das Berufungsgericht hat einen Verstoû gegen die Zugabeverordnung verneint, die Verurteilung jedoch mit der Begründung bestätigt, die Werbung verstoûe unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, in der beanstandeten Werbung liege ein nach § 1 UWG wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wie der Senat in mehreren nach Erlaû des Berufungsurteils ergangenen Entscheidungen vom 8. Oktober 1998 ausgeführt hat, stellt sich die Werbung mit der an den Abschluû eines Netzkartenvertrages gekoppelten unentgeltlichen oder besonders günstigen Abgabe eines Mobiltelefons als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung dar, durch den die eigene Leistungsfähigkeit hervorgehoben wird (BGHZ 139, 368, 374 f. ± Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 8.10.1998 ± I ZR 7/97, GRUR 1999, 261, 263 = WRP 1999, 94 ± Handy-Endpreis; Urt. v. 8.10.1998 ± I ZR 147/97, WRP 1999, 517, 518 m.w.N.). Die damit verbundene Anlockwirkung ist nicht wettbewerbswidrig, sondern liegt als gewollte Folge in der Natur des Leistungswettbewerbs (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1994 ± I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 744 = WRP 1994, 610 ± Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank ; Urt. v. 25.9.1997 ± I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 501 = WRP 1998, 388 ± Skibindungsmontage). Nach den Senatsentscheidungen vom 8. Oktober 1998 tritt dem auch die Revisionserwiderung nicht mehr entgegen.
2. Das Berufungsgericht hat allerdings ± aus seiner Sicht folgerichtig ± ungeprüft gelassen, ob die beanstandete Werbung hinsichtlich der Darstellung der Preise für die Leistungen aus dem Netzkartenvertrag gegen das Irreführungsverbot oder gegen die Gebote der Preisangabenverordnung verstöût. Hierzu besteht nunmehr Veranlassung.
Gegenstand des mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Unterlassungsantrages ist die konkrete Verletzungsform, auf die der Antrag ± ungeachtet
der in ihm enthaltenen abstrakten Beschreibung der angegriffenen Wettbewerbshandlung ± durch den Hinweis “... wie geschehen in der Allgäuer Zeitung vom 30.11.1995 ...” Bezug nimmt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 7.6.2001 ± I ZR 115/99, WRP 2001, 1182, 1183 ± Jubiläumsschnäppchen). Die Klägerin hat diese konkret bezeichnete Werbeanzeige ± mit Blick auf die Bedingungen des Kartenvertrages ± in der Klageschrift und in der Berufungserwiderung vom 24. Februar 1997 unter anderem als irreführend und als Verstoû gegen die Gebote der Preisangabenverordnung beanstandet. Nachdem die auf § 1 UWG gestützte Verurteilung keinen Bestand hat, ist dem nun nachzugehen.
Dem Senat ist eine eigene Sachentscheidung verwehrt. Denn das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Gestaltung der Anzeige getroffen, die eine entsprechende rechtliche Beurteilung erlauben würden. Auch dem unstreitigen Parteivorbringen läût sich nicht entnehmen, ob die beanstandete Werbung vollständig über die mit dem Abschluû des Netzkartenvertrages verbundenen Kosten aufklärt. Nach der Senatsrechtsprechung ist die Werbung mit einem Mobiltelefon , das nichts oder fast nichts kosten soll, irreführend und verstöût gegen die Preisangabenverordnung, wenn die für den Verbraucher mit Abschluû des Netzkartenvertrags verbundenen Kosten nicht deutlich kenntlich gemacht werden. Dies bedeutet, daû die Angaben über die Kosten des Netzzugangs räumlich eindeutig dem blickfangmäûig herausgestellten Preis für das Mobiltelefon zugeordnet sowie gut lesbar und grundsätzlich vollständig sein müssen (BGHZ 139, 368, 375 ff. ± Handy für 0,00 DM; BGH GRUR 1999, 261, 264 ± Handy-Endpreis; BGH, Urt. v. 8.10.1998 ± I ZR 94/97, WRP 1999, 509, 512 m.w.N.). Bei den Akten befindet sich lediglich eine stark verkleinerte, gröûtenteils unleserliche Kopie der angegriffenen Werbeanzeige, die sich nicht als Grundlage für eine anhand des unstreitigen Parteivorbringens nachzuholende Feststellung eignet (vgl. BGH, Urt. v.
28.11.1996 ± I ZR 197/94, GRUR 1997, 767, 769 = WRP 1997, 735 ± Brillenpreise II). Das erst im Revisionsverfahren vorgelegte Original der Werbeanzeige muû bei der rechtlichen Beurteilung auûer Betracht bleiben (§ 561 Abs. 1 ZPO).
3. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Büscher
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(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.