Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2007 - I ZR 183/04

published on 22/11/2007 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2007 - I ZR 183/04
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Mannheim, 24 O 2/00, 19/06/2000
Oberlandesgericht Karlsruhe, 6 U 134/04, 27/10/2004

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 183/04 Verkündet am:
22. November 2007
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Direktansprache am Arbeitsplatz III
Ein Personalberater, der bei einem ersten Telefongespräch, das er mit einem
Arbeitnehmer eines Mitbewerbers seines Auftraggebers zur Personalsuche an
dessen Arbeitsplatz führt, dem Arbeitnehmer Daten zu dessen Lebenslauf und
bisherigen Tätigkeiten vorhält, geht über das für eine erste Kontaktaufnahme
Notwendige hinaus und handelt daher wettbewerbswidrig (Fortführung von
BGHZ 158, 174 - Direktansprache am Arbeitsplatz I).
BGH, Urt. v. 22. November 2007 - I ZR 183/04 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2007 durch die Richter Dr. Bergmann, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin vertreibt Computer-Software. Sie beschäftigt hoch qualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter, deren Kenntnisse und Fähigkeiten sie durch Schulungen auf dem neuesten Stand hält. Der Beklagte befasst sich als selbständiger Unternehmer mit der Suche und Vermittlung von Führungs- und Fachkräften. Aufgrund eines Personalsuchauftrags nahm er am 22. September 1999 telefonisch Kontakt mit der Zeugin M. , einer Projektleiterin der Klä- gerin, an deren Arbeitsplatz auf. Nach der Darstellung der Klägerin bot er der Zeugin bei diesem Gespräch eine Stelle als Projektleiterin bei einem ausländischen Softwareunternehmen an.
2
Die Klägerin hat jeden Telefonkontakt am Arbeitsplatz zur Abwerbung von Mitarbeitern für wettbewerbswidrig gehalten und den Beklagten auf Unterlassung , Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung in Anspruch genommen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Mannheim WRP 2001, 974). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe WRP 2001, 1092). Im ersten Revisionsverfahren hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGHZ 158, 174 - Direktansprache am Arbeitsplatz I).
4
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Klägerin unter Berücksichtigung der Ausführungen im ersten Revisionsurteil beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Mitarbeiter der Klägerin erstmals und unaufgefordert an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz zum Zwecke der Abwerbung mit einem Telefongespräch anzusprechen, das über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht.
5
Hinsichtlich der weiteren Klageanträge hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin wiederum zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt , das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat die Klage auch mit den zuletzt verfolgten Anträgen für unschlüssig gehalten. Die Klägerin habe nichts Erhebliches dafür vorgetragen, dass der Beklagte sich bei dem zu Abwerbungszwecken geführten Telefongespräch nicht auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränkt habe. Insbesondere sei das Telefongespräch nach der Darstellung der Klägerin sofort beendet worden, als die Zeugin M. erklärt habe, an der Stelle nicht interessiert zu sein, und es fehle an schlüssigem Vortrag dazu, dass der Beklagte das Gespräch über Gebühr ausgedehnt und die Zeugin unlauter umworben habe. Der Beklagte habe die Zeugin zwar mit zentralen Daten aus ihrer Arbeitsbiographie konfrontiert. Damit habe er ihr jedoch lediglich in zulässiger Weise das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle aufgezeigt und ihr persönliches Interesse daran zu wecken gesucht.
7
II. Die Revision der Klägerin führt erneut zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin nicht berücksichtigt. Infolgedessen hat es den Klagevortrag zu Unrecht als unschlüssig angesehen.
8
1. Nach dem ersten Revisionsurteil vom 4. März 2004 sind bei der Beurteilung , ob ein Personalberater wettbewerbswidrig handelt, wenn er zum Zweck der Personalsuche mit dem Mitarbeiter eines Wettbewerbers seines Auftraggebers ein erstes Telefongespräch an dessen Arbeitsplatz führt, die berücksichtigungsfähigen Interessen des Personalberaters, seines Auftraggebers, des betroffenen Mitarbeiters und dessen Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen.
Danach ist eine erste Kontaktaufnahme nicht wettbewerbswidrig, wenn der Mitarbeiter lediglich nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt, diese kurz beschrieben und gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens besprochen wird. Ein solcher erster Telefonanruf am Arbeitsplatz muss sich auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränken. Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ist ein Indiz dafür, dass der Personalberater bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt hat. Der Personalberater ist gehalten, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Personalberater die in Rede stehende offene Stelle knapp umschreiben und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbesteht, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden. Ein zu Abwerbungszwecken geführtes Telefongespräch, das über eine solche Kontaktaufnahme hinausgeht, ist als unlauterer Wettbewerb zu beurteilen (BGHZ 158, 174, 180, 185; vgl. dazu Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25. Aufl., § 7 UWG Rdn. 65; Harte/Henning/Omsels, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 32; Fezer/Götting, UWG, § 4-10 Rdn. 43 f.; Wulf, NJW 2004, 2424, 2425; Dittmer, EWiR 2004, 881).
9
Die für diese Beurteilung in dem ersten Revisionsurteil vom 4. März 2004 maßgebliche Rechtslage hat sich durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 inhaltlich nicht geändert. Ein zum Zwecke der Abwerbung eines Mitarbeiters geführter Telefonanruf an dessen Arbeitsplatz, der über eine erste Kontaktaufnahme hinausgeht, ist nunmehr nach § 3 UWG unlauter (BGH, Urt. v. 9.2.2006 - I ZR 73/02, GRUR 2006, 426 Tz. 14, 16 = WRP 2006, 577 - Direktansprache am Arbeitsplatz II).
10
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nichts Erhebliches dafür vorgetragen, dass im vorliegenden Fall das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige überschritten worden sei. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht tatsächliches Vorbringen der Klägerin übergangen hat.
11
a) Nach dem ersten Revisionsurteil hat der Personalberater, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zu Beginn des Gespräch zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nach dem Vortrag der Klägerin in der wiedereröffneten Berufungsinstanz hat der Beklagte diese Anforderung nicht erfüllt, weil er die Zeugin M. zunächst mit Informationen über sie selbst (insbesondere ihre Handy-Nummer, ihren Lebenslauf und ihre bisherigen Tätigkeiten) konfrontiert habe.
12
b) Zudem war es - unabhängig vom zeitlichen Ablauf des Telefongesprächs - bei der ersten Kontaktaufnahme unter keinem Gesichtspunkt notwendig , der Zeugin Daten vorzuhalten, die sie selbst betrafen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nicht erforderlich, den Angerufenen mit (detaillierten) Kenntnissen seines eigenen beruflichen Werdegangs zu konfrontieren , um das Anforderungsprofil der offenen Stelle in einer Weise darzulegen, die dem Angerufenen die Entscheidung ermöglicht, das Gespräch sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder davon Abstand zu nehmen. Vielmehr ist, wie die Revision zutreffend ausführt, die (umfangreiche) Konfrontation mit Lebenslaufkenntnissen schon Teil des Umwerbens, das dem Angerufenen den Eindruck vermittelt, der Personalberater habe sich bereits näher mit seiner Persönlichkeit befasst und er sei aufgrund seiner konkreten Berufsbiographie für die offene Stelle besonders geeignet. Ein solches Umwerben geht über den notwendigen Inhalt einer ersten Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz hinaus und ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wie der Senat in seinem ersten Revisionsurteil ausdrücklich ausgeführt hat (BGHZ 158, 174, 185). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es wettbewerbswidrig, wenn der Personalberater bei der ersten unaufgeforderten Kontaktaufnahme versucht, das persönliche Interesse der Zielperson an der betreffenden Stelle in einer Weise zu wecken, wie dies hier nach der Behauptung der Klägerin geschehen ist.
13
c) Die Klägerin hat ferner ausdrücklich unter Bezug auf den von ihr detailliert dargestellten Ablauf des Gesprächs vorgetragen, das Telefonat mit der Zeugin M. habe länger als nur wenige Minuten gedauert. Die Gesprächstaktik des Beklagten sei nicht auf einen kurzen Erstanruf, sondern darauf gerichtet gewesen, die Zeugin M. in ein längeres Gespräch zu verwickeln. Dies sei dem Beklagten auch gelungen. Das Berufungsgericht hat diesen Sachvortrag übergangen. Nach dem ersten Revisionsurteil ist eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ein Indiz dafür, dass der Personalberater bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise genutzt hat (BGHZ 158, 174, 185). Das Berufungsgericht hätte daher Feststellungen zur Gesprächsdauer treffen und das danach gegebenenfalls vorliegende Indiz für die Wettbewerbswidrigkeit bei seiner Bewertung des Verhaltens des Beklagten berücksichtigen müssen.
14
3. Hingegen vermag die Klägerin ihr Begehren nicht darauf zu stützen, der Beklagte habe die Zeugin M. unstreitig zunächst nicht erreicht und das Telefonat mit ihr sei deshalb nur aufgrund von deren Rückruf zustande gekommen , den der Beklagte über die Telefonzentrale der Klägerin veranlasst gehabt habe. Unabhängig von den näheren Umständen dieser Rückrufbitte, die zwischen den Parteien streitig sind, hat die Klägerin den Umstand, dass das Telefongespräch erst nach einem Rückruf des Mitarbeiters zustande gekommen ist, nicht zum Gegenstand ihres Unterlassungsantrags gemacht. Dem Be- klagten sollen vielmehr über eine erste Kontaktaufnahme hinausgehende Telefongespräche generell verboten werden, ohne Rücksicht darauf, wie sie im Einzelfall zustande kommen.
15
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im erneut eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nunmehr die bereits im ersten Revisionsurteil für erforderlich gehaltenen Tatsachenfeststellungen zu Inhalt und Dauer des beanstandeten Telefongesprächs nachzuholen haben. Sollte sich der Vortrag der Klägerin als zutreffend erweisen, könnte ihr Unterlassungsantrag nicht abgewiesen werden. Ferner wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, in welchem Umfang die auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung gerichteten Ansprüche bis zur Erledigungserklärung der Klägerin zulässig und begründet waren (vgl. dazu BGHZ 158, 174, 187 f. - Direktansprache am Arbeitsplatz I).
Bergmann Büscher Schaffert
Koch Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 19.06.2000 - 24 O 2/00 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.10.2004 - 6 U 134/04 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}


(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha
2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/02/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 73/02 Verkündet am: 9. Februar 2006 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 22/04/2009 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 176/06 Verkündet am: 22. April 2009 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.