Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2004 - I ZR 161/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Die Beklagten vertreiben unter anderem Geräte der Unterhaltungselektronik. Sie boten in einer gemeinsamen Werbebeilage vom 23. März 2000 einen Radiorecorder für 1 DM sowie ein schnurloses Telefon für 4,99 DM an. Ein bei der blickfangmäßig herausgestellten Preisangabe angebrachter Stern verwies den Leser auf einen auf derselben Seite befindlichen Kasten, in dem darauf hingewiesen wurde, daß dieser Preis nur bei gleichzeitigem Abschluß eines Stromliefervertrages gültig sei; ferner fanden sich dort nähere Angaben zum Stromliefervertrag wie Mindestlaufzeit, Grundgebühr und Verbrauchsgebühren. In beiden Anzeigen war ferner angegeben, was die Geräte ohne gleichzeitigen Abschluß eines Stromliefervertrages kosten sollten (Radiorecorder: 199 DM, schnurloses Telefon: 299 DM).
Die Klägerin hat diese Werbung unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Zugabeverordnung und eines übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG beanstandet. Sie hat – soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung – unter Bezugnahme auf die vorgelegten Anzeigen beantragt, den Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. für den Abschluß eines 24-Monats-Stromlieferungsvertrages mit dem Angebot eines Radiorecorders zum Preis von 1 DM und/oder eines schnurlosen Telefons zum Preis von 4,99 DM zu werben; 2. eine der gemäß Ziffer 1 angekündigten Zugaben zu gewähren.
Das Landgericht hat der Klage mit diesen Anträgen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 40).
Die Beklagten haben gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Nach Aufhebung der Zugabeverordnung mit Wirkung vom 25. Juli 2001 hat die Klägerin den Rechtsstreit ab diesem Zeitpunkt in der Hauptsache für erledigt erklärt. Nachdem die Beklagten sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen haben, beantragt sie festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Die Beklagten verfolgen ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, die beanstandete Werbung und die Gewährung der angekündigten Zugaben verstießen gegen § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZugabeVO. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der verständige Durchschnittsverbraucher sehe in dem für 1 DM angebotenen Radiorecorder und dem für 4,99 DM angebotenen schnurlosen Telefon eine gegen ein Scheinentgelt gewährte Nebenleistung zu der in der Stromabnahme liegenden entgeltlichen Hauptleistung. Mit dieser nahezu unentgeltlichen Zuwendung solle der Absatz der Stromleistung gefördert werden. Ein Gesamtangebot liege nicht vor, da es an einer engen Funktionseinheit zwischen den Angeboten fehle. Eine solche Funktionseinheit liege nur vor, wenn der Kauf der angebotenen Geräte typischerweise den Abschluß des zweiten Vertrags erforderlich mache. Das sei hier nicht der Fall, weil der Verbraucher zunächst den vorhandenen Stromliefervertrag kündigen müsse, um überhaupt von dem Angebot der Beklagten Gebrauch machen zu können. Einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens hat das Berufungsgericht verneint.
II. Der Antrag der Klägerin festzustellen, daß sich der Rechtsstreit mit Wirkung vom 25. Juli 2001 erledigt hat, ist begründet.
1. Die Erledigung der Hauptsache kann im Revisionsverfahren jedenfalls einseitig erklärt werden, wenn das Ereignis, das die Hauptsache erledigt haben soll (hier: Aufhebung der Zugabeverordnung), als solches außer Streit steht (BGH, Urt. v. 18.12.2003 – I ZR 84/01, Umdruck S. 5 – Einkaufsgutschein II, m.w.N.). Zu prüfen ist daher, ob die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und – wenn dies der Fall ist – ob sie durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen; andernfalls ist die Klage abzuweisen (BGH aaO Umdruck S. 5 – Einkaufsgutschein II, m.w.N.).
2. Die Klage war in dem Umfang, in dem sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, zunächst zulässig und begründet; sie hat sich durch die Aufhebung der Zugabeverordnung erledigt.
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht in dem beanstandeten Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen die damals noch geltende Zugabeverordnung gesehen. Insbesondere hat es eine funktionelle Einheit der beiden gekoppelt abgegebenen Produkte zutreffend verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats war ein Verstoß gegen die Zugabeverordnung ausgeschlossen, wenn zwar eine Leistung (hier: die Stromlieferung ) zusammen mit einer unentgeltlich oder gegen ein Scheinentgelt abzugebenden Ware (hier: Radiorecorder oder schnurloses Telefon) angeboten wurde, wenn aber zwischen Leistung und Ware aus der Sicht des Verkehrs eine Funktionseinheit bestand. Denn wenn die beiden in Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit angesehen wurden, war eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (BGHZ 139, 368, 372 – Handy für 0,00 DM, m.w.N.). Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß im Streitfall die Voraussetzungen eines solchen einheitlichen Angebots nicht vorlagen, weil die beiden angebotenen Güter – anders als im Falle des Mobiltelefons und des Netzzugangs – typischerweise nicht gemeinsam oder zur selben Zeit benötigt und nachgefragt werden. Derjenige , der einen neuen Stromlieferanten sucht, benötigt nicht typischerweise zur selben Zeit einen Radiorecorder oder ein schnurloses Telefon, ebensowenig wie derjenige, der einen Radiorecorder oder ein schnurloses Telefon erwerben möchte , deswegen typischerweise einen neuen Stromliefervertrag abschließen möchte. Der von der Revisionsbegründung herausgestellte unmittelbare Gebrauchszusammenhang reicht zur Annahme eines vom Verkehr als Einheit verstandenen Angebots nicht aus.
b) Durch die Aufhebung der Zugabeverordnung ist die Klage unbegründet geworden. Das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot läßt sich insbesondere nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen § 1 UWG aufrechterhalten.
Wie der Senat entschieden hat, kann die Aufhebung der Zugabeverordnung nicht dadurch unterlaufen werden, daß die Sachverhalte, die in der Vergangenheit unter die Zugabeverordnung fielen, nunmehr als Wettbewerbsverstöße nach § 1 UWG untersagt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß Kopplungsangebote grundsätzlich auch dann zulässig sind, wenn für eines der beiden Produkte kein Entgelt oder – wie im Streitfall – nur ein Scheinentgelt verlangt wird (vgl. BGHZ 151, 84, 87 ff. – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 980 ff. = WRP 2002, 1259 – Kopplungsangebot II). An die Stelle des früheren Verbots ist eine sich auch auf § 1 UWG stützende Mißbrauchskontrolle getreten. Mißbräuchlich können Kopplungsangebote insbesondere dann sein, wenn die Gefahr besteht, daß die Verbraucher über den Wert des tatsächlichen Angebots, namentlich über den Wert der angebotenen Zusatzleistung, getäuscht oder sonst unzureichend informiert werden.
Die von der Klägerin beanstandete Werbung stellt sich nicht als ein Fall eines mißbräuchlichen Kopplungsangebots dar. Die Beklagten haben die Bedingungen, unter denen der Radiorecorder und das schnurlose Telefon erworben werden können, hinreichend deutlich gemacht. Der Sternchenhinweis neben dem blickfangmäßig herausgestellten Preis führt den Betrachter zu dem auf derselben Seite befindlichen Kasten, in dem in ausreichender Form darauf hingewiesen wird, daß dieser Preis nur gilt, wenn zugleich ein Stromliefervertrag zu den dort genannten Bedingungen abgeschlossen wird.
III. Danach hat sich der Rechtsstreit in dem Umfang, in dem er in die Revisionsinstanz gelangt ist, durch die Aufhebung der Zugabeverordnung mit Wirkung vom 25. Juli 2001 erledigt. Dies ist festzustellen, nachdem die Erledigungserklärung der Klägerin einseitig geblieben ist.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Für die Kosten im übrigen verbleibt es bei der vom Berufungsgericht getroffenen Entscheidung.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert
Annotations
(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.
(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.