Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2011 - 5 StR 75/11
published on 04/05/2011 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2011 - 5 StR 75/11
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Gericht
Richter
5 StR 75/11
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 4. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
4. Mai 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 3. November 2010, soweit es den Angeklagten K. betrifft, im Ausspruch über die im Fall II.2.b der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter Nötigung und wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf Überprüfung der im Fall II.2.b der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und der Gesamtstrafe beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
- 2
- 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen im Fall II.2.b der Urteilsgründe getroffen:
- 3
- Der Angeklagte K. , der dem engeren Umfeld der Rockergruppe „Hells Angels“ zuzurechnen ist, erhielt am 15. März 2010 von dem Mitange- klagten J. die Mitteilung, dass ein Mitglied dieser Rockergruppe, der Mitangeklagte R. , in Gefahr sein könnte, angegriffen zu werden. R. habe ihm telefonisch berichtet, dass er während seines Trainings im FitnessCenter zwei Personen bemerkt habe, von denen er vermute, dass sie der mit den „Hells Angels“ verfeindeten Rockergruppe „Bandidos“ angehören wür- den. J. und der Angeklagte, der bei zwei Messerattacken in den Jahren 2007 und 2008 erhebliche Verletzungen davongetragen hatte und deshalb aus Angst vor Übergriffen stets ein Messer und Pfefferspray mit sich führte, trafen sich vor dem Fitness-Center mit R. , um diesem beizustehen. Nach einer kurzen Besprechung verfolgten R. , J. und der Angeklagte die Nebenkläger G. und M. , als diese das FitnessCenter verließen und zum Parkplatz gingen. Dort wollten sie die Nebenkläger zunächst zur Rede stellen; der Angeklagte K. entschloss sich aber, diese sogleich anzugreifen. Er sprühte ihnen Pfefferspray ins Gesicht. M. ging aufgrund der Schmerzen in den Augen sofort zu Boden. G. fiel, nachdem er zwei Faustschläge von den Angeklagten erhalten hatte, ebenfalls zu Boden und kam auf M. zu liegen. Nunmehr entschloss sich der Angeklagte K. , die Nebenkläger durch „Messerstiche im Brust- und Rumpfbereich weiter zu verletzen“. Es war insoweit nicht auszuschließen , dass der Angeklagte K. – aufgrund seiner Erfahrungen im Rahmen früherer Auseinandersetzungen – „jede Möglichkeit verhindern woll- te, dass sich die Nebenkläger ihm gegenüber zur Wehr setzten“. Er stach deshalb auf die am Boden liegenden Tatopfer ein; M. erlitt eine vier bis fünf Zentimeter tiefe Stichverletzung an der rechten Rumpfseite auf Höhe des Beckenkamms, die jedoch nicht „lebensgefährlich“ war.G. er- hielt zwei Stiche; einer drang in den Zwischenrippenraum ein und führte zu einer Blut-Luft-Brust. Die hierdurch bedingte Lebensgefahr konnte durch eine schnelle ärztliche Behandlung abgewendet werden.
- 4
- Die Strafkammer hat die Tat des Angeklagten K. als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB bewertet, die mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich, mittels einer Waffe und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wurde. Sie hat bei der Strafrahmenwahl einen minder schweren Fall nach § 224 Abs. 1 StGB im Rahmen einer Gesamtabwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte verneint; angesichts einer Schadensersatzleistung aller Angeklagter in Höhe von 5.000 € an die Nebenkläger und der schriftlichen Erklärung, weitere 5.265 € zu zahlen, aber den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten K. den Grad der Verletzungen beider Tatopfer berücksichtigt, strafmildernd insbesondere das Geständnis des nicht vorbestraften Angeklagten K. , die ihm ansonsten nicht zuordenbaren Messerstiche ausgeführt zu haben, und seine Wiedergutmachungsbemühungen. Darüber hinaus hat es zu seinen Gunsten angeführt, dass es sich bei dem Angriff um eine ungeplante Spontantat gehandelt habe, bei der der Angeklagte einen Angriff auf den Mitangeklagten R. oder auf sich selbst für möglich hielt. Es lasse „sich nicht ausschließen, dass der Angeklagte nicht nur durch das Tränengas, sondern auch durch die Messerstiche jegliche Möglichkeit einer körperlichen Gegenwehr der Tatopfer und eigener Verletzungen von vornherein verhindern wollte, wenngleich – wie festgestellt – ein derartiger Angriff oder Gegenwehr der Nebenkläger nicht be- vorstanden“.
- 5
- 2. Die Strafzumessung der Strafkammer hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
- 6
- Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Angesichts dieses Prüfungsmaßstabs beanstandet die Revision zu Recht, dass das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinn Tatumstände als strafmildernd bewertet hat, die nicht vorliegen.
- 7
- Insoweit ist es rechtsfehlerhaft, die nicht „ausschließbare“ Vorstellung des Angeklagten bei dem Messereinsatz gegen die bereits kampfunfähigen und wehrlos am Boden liegenden Tatopfer – nämlich um jegliche Möglichkeit einer körperlichen Gegenwehr und eigene Verletzungen von vornherein zu verhindern – als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt zu berücksichtigen. Eine Gegenwehr der Opfer war auch aus subjektiver Sicht des Angeklagten nicht mehr zu erwarten; ein von dem Landgericht angenommener „vorbeugender“ Messereinsatz kann auch mit Blick auf frühere gewalttätige Auseinandersetzungen, in die der Angeklagte verwickelt war und bei denen er selbst erheblich verletzt wurde, nicht zur Begründung einer Strafmilderung herangezogen werden. Im Übrigen ist jegliche strafmildernde Bewertung ei- ner „Präventivnotwehr“ von der Rechtsordnung nicht anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 – 1 StR 403/02, NJW 2003, 1955, 1958, insoweit in BGHSt 48, 207 nicht abgedruckt).
- 8
- Darüber hinaus begegnet es durchgreifenden Bedenken, die Vorgehensweise des Angeklagten als ungeplante Spontantat zu bewerten. Es lag zum Zeitpunkt der Übergriffe keine wie auch immer geartete Provokation seitens der Tatopfer vor. Vielmehr haben der Angeklagte und die Mitangeklag- ten die Auseinandersetzung mit den Nebenklägern, in die sich der Angeklagte bewaffnet begeben hatte, gezielt gesucht und die vorgefundene Situation zu einem für die Nebenkläger überraschend geführten Angriff ausgenutzt.
- 9
- Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Strafzumessung auch wegen einer Überbewertung des bereits als strafrahmenverschiebend herangezogenen Täter-Opfer-Ausgleichs zu beanstanden wäre, ebenso, ob die Einsatzstrafe allein ihrer Bemessung wegen als unvertretbar milde angesehen werden müsste.
- 10
- 3. Die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen führen zur Aufhebung des Strafausspruchs im Umfang der Anfechtung. Bei den hier lediglich vorliegenden Wertungsfehlern bedarf es jedoch keiner Aufhebung von Feststellungen. Die bisherigen Feststellungen können um solche ergänzt werden, die zu den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die
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(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö
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published on 12/02/2003 00:00
Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ______________________ StGB § 211 Abs. 2, § 32 1. Der Erpresser ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpreßten gegenüber einem wehrenden Gegenangriff des Erpreßten auf sein Leben re
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(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.