Bundesgerichtshof Urteil, 20. Jan. 2004 - 5 StR 530/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Es wird davon abgesehen, den Angeklagten Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des versuchten Tot- schlags (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung ), des Raubes (u.a.) und des Diebstahls für schuldig befunden, A ferner des versuchten schweren Raubes (u.a.), Y des Raubes (u.a.), der vollendeten und der versuchten räuberischen Erpressung sowie der (vorsätzlichen) Körperverletzung. Gegen den zur Tatzeit 15-jährigen Angeklagten A wurden fünf Jahre und sechs Monate, gegen den damals 14-jährigen Angeklagten Y vier Jahre Jugendstrafe verhängt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg. Der Ausführung bedarf nur folgendes: 1. Der Senat hat über die Revisionen der jugendlichen Angeklagten nach § 48 Abs. 1 JGG nicht öffentlich verhandelt. Auch das Revisionsgericht ist erkennendes Gericht im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Wickern in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 169 GVG Rdn. 1 f. m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche sind sachlichrechtlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als die Beschwerdeführer wegen tateinheitlichen gemeinschaftlich versuchten Totschlags verurteilt worden sind.
Auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung hat sich die Jugendkammer davon überzeugt, daß die von den Beschwerdeführern und den beiden Mitangeklagten gemeinsam in wechselnder Beteiligung begonnenen Gewalttätigkeiten gegen ihr zuvor ausgeraubtes, gefangen gehaltenes Opfer in Form von Schlägen und Tritten, jeweils unter Billigung der von den drei anderen zugleich verübten Gewalttätigkeiten, bis zum Abschluß der Gewalthandlungen andauerten. Währenddessen versetzte der Mitangeklagte S dem Geschädigten mit direktem Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht fünf Messerstiche, darunter einen heftigen Stich in die rechte Schläfe und einen weiteren in die linke Brustseite. Daß die Beschwerdeführer diese wiederholte Gewalteskalation ihres Mittäters wahrgenommen haben, versteht sich angesichts ihrer unmittelbaren Präsenz und ihres weiteren eigenen Vorgehens gegen das Opfer von selbst, ohne daß es hierfür noch deutlicherer Ausführungen im Urteil bedurft hätte. Die Jugendkammer hatte mit den Einlassungen der beiden Mitangeklagten und der Zeugenaussage des Geschädigten – bei A zusätzlich mit der Einlassung des Beschwerdeführers Y und der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen, bei Y zusätzlich mit Feststellungen zu Blutanhaftungen des Opfers an Y s Schuh – vor dem Hintergrund des bereits vorangegangenen gemeinsamen Vorgehens aller vier Mittäter gegen das Opfer eine ausreichende Beweisgrundlage zur Widerlegung der ihre fortdauernden eigenen Gewaltaktivitäten bestreitenden Einlassungen der Angeklagten.
Auch ohne Nachweis vorheriger Kenntnis vom Tötungsvorhaben S s und eines eigenen Verdeckungsmotivs der Beschwerdeführer stellen die aus der Fortsetzung der eigenen Gewalthandlungen rechtsfehlerfrei abgeleitete Billigung des Messereinsatzes und dessen massive konkrete Gefährlichkeit eine ausreichende Beweisgrundlage für die Annahme des je- weils bedingten Tötungsvorsatzes der mittäterschaftlich handelnden Beschwerdeführer dar. Vor dem Hintergrund des insgesamt mit äußerster Rücksichtslosigkeit einhergehenden besonders gewalttätigen Vorgehens gegen das hilflos unterlegene Opfer im Rahmen eines gruppendynamischen Geschehens mußten bei der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit des wiederholten Messereinsatzes keine weiter erörterungsbedürftigen Bedenken aus der allgemein gegebenen hohen Hemmschwelle vor einem Tötungsvorsatz hergeleitet werden, auch nicht unter Berücksichtigung des sehr jungen Lebensalters der Beschwerdeführer. Durch die lebensgefährliche Art des hier festgestellten Messereinsatzes unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von dem Sachverhalt des Senatsbeschlusses vom 15. August 2000 – 5 StR 275/00, auf den der Generalbundesanwalt zur Begründung seines Terminsantrages hingewiesen hatte.
3. Die Annahme von Verantwortungsreife und uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten Y ist rechtsfehlerfrei. Sie ist auf der Grundlage sachverständiger Beratung ausreichend begründet, und zwar bei der gegebenen Sachlage ersichtlich auch ohne Bezeichnung von Klassifikationen nach Diagnose-Handbüchern. Schließlich läßt die Bemessung der Jugendstrafen bei beiden Beschwerdeführern keinen Rechtsfehler erkennen. Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal
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(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich.
(2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, seinem Erziehungsberechtigten und seinem gesetzlichen Vertreter und, falls der Angeklagte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesenheit gestattet. Das gleiche gilt in den Fällen, in denen dem Jugendlichen Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt wird, für den Leiter der Einrichtung. Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken, zulassen.
(3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist.