Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2011 - 5 StR 467/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges in fünf Fällen, des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in vier Fällen, des versuchten Betruges in zwei Fällen und des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und versuchter Nötigung wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach Urteilsverkündung hat der Angeklagte zwar zunächst Rechtsmittelverzicht erklärt, jedoch unter Widerruf des Verzichts rechtzeitig Revision eingelegt und diese mit der allgemeinen Sachrüge begründet.
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- 1. Über die Zulässigkeit der Revision hat der Senat in seinem Beschluss vom 24. Februar 2011 bereits bindend entschieden. Darin hat er den Antrag des Generalbundesanwalts zurückgewiesen, die Revision nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Er hat den Rechtsmittelverzicht des Angeklagten für unwirksam, folglich dessen Revision für zulässig erachtet. Nicht anders als in Fällen der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Entscheidungen zugunsten des Revisionsführers nach § 346 Abs. 2 StPO vermochte der Senat eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit gesondert zu treffen. Wortlaut und Systematik des § 349 Abs. 1 und 5 StPO stehen dem nicht entgegen. Die Verfahrensweise ist sogar grundsätzlich geeignet, die Chancen des Revisionsführers auf Gehör durch Veranlassung des Generalbundesanwalts zu einer schriftlichen Stellungnahme zum sachlichen Gehalt der Revision zu verbessern, freilich ungeachtet der Möglichkeit eines nachgeschobenen Verwerfungsantrags aus sachlichen Gründen. Eine solche Stellungnahme hat der Generalbundesanwalt hier indessen verweigert, dies entgegen bisheriger Praxis bei Hilfsanträgen nach § 349 Abs. 2 StPO.
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- 2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die tatsächlichen Feststellungen zu den zwölf vom Angeklagten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Taten – Schalten kostspieliger Anzeigen in Tageszeitungen oder Zeitschriften ohne Zahlungswillen und -fähigkeit, Versuche der Konteneröffnungen und des Erwerbs wertvoller Sachgüter unter Verwendung von Falsifikaten, Versuche betrügerischen Erlangens von Versicherungszusagen, Bedrängen von Angehörigen der Schufa als angeblicher Rechtsanwalt – und deren rechtliche Würdigung sind rechtsfehlerfrei. Auch die Anwendung des § 63 StGB, gegen die sich der Beschwerdeführer nunmehr ausdrücklich wendet, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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- Den dem zugrunde liegenden Befund einer krankhaften seelischen Störung – in Form einer bipolaren affektiven Störung, begleitet von Autismus, Tics, einer Panikstörung und Rauschmittelabusus –, welche die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten sicher aufgehoben hat und die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten begründet, hat das Landgericht auf eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung gestützt. Es hat dabei das – in den Urteilsgründen im Einzelnen dargelegte (UA S. 5 ff., 83 ff., 87 f.) – Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen K. verwertet, das sich als widerspruchsfrei erweist und auf rechtlich nicht zu beanstandenden Ausgangspunkten aufbaut. Die Bewertung eines Sachverständigengut- achtens ist Teil der dem Tatgericht gemäß § 261 StPO obliegenden Beweiswürdigung (vgl. BGH, Urteile vom 8. März 1955 – 5 StR 49/55, BGHSt 7, 238, und vom 15. Januar 2003 – 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307, 308; Schoreit in KK, 6. Aufl., § 261 Rn. 32 mwN). Das Landgericht hat das Gutachten als schlüssig und überzeugend erachtet. Es hat namentlich nachvollziehbar auf Grund der weiteren persönlichen Entwicklung des Angeklagten begründet , warum es sich von der Richtigkeit einer abweichenden Beurteilung gegenüber früheren Sachverständigengutachten überzeugt hat, die lediglich eine Persönlichkeitsstörung des Angeklagten angenommen hatten.
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- Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Maßregelvollstreckung nach § 67b StGB derzeit nicht vorliegen. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass ungeachtet der Höhe der vom Angeklagten verursachten und erstrebten Vermögensschäden insgesamt im Blick auf das Gewicht seiner Taten die von ihm ausgehende Gemeingefährlichkeit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nur eine begrenzte Vollstreckungsdauer der – nach Angaben des Verteidigers ungeachtet des Senatsbeschlusses über die Zulässigkeit der Revision bereits weiterhin vollzogenen – Maßregel gestatten wird (vgl. dazu BVerfGE 70, 297, 312 ff.).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.