Bundesgerichtshof Urteil, 12. Sept. 2018 - 5 StR 278/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. September 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Köhler
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt B. als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwalt F. als Verteidiger der Angeklagten T. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die weitergehende Revision betreffend den Angeklagten N. sowie die Revision betreffend die Angeklagte T. werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen –
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Besitzes von Be1 täubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Schusswaffe, und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, eine Sperrfrist zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis erteilt und ein Kraftfahrzeug eingezogen. Die Angeklagte T. hat es wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie in erster Linie die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift. Die vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich der Sachrüge zum Schuldspruch hinsichtlich der Tat zu II.6 der Urteilsgründe vertretenen Rechtsmittel haben keinen Erfolg, soweit sie zu Ungunsten der Angeklagten eingelegt sind. Jedoch ist das Urteil gemäß § 301 StPO zugunsten des Angeklagten N. im Schuldspruch abzuändern.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führten die beiden Ange2 klagten seit 2016 eine Beziehung miteinander und teilten sich eine Wohnung. Sie konsumierten jahrelang neben anderen Drogen Methamphetamin (Crystal) und haben den Hang, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Sie beschlossen, ihre finanziellen Mittel zusammenzulegen, um dem Angeklagten N. zu ermöglichen, Betäubungsmittel zum gemeinsamen Verbrauch auf Vorrat zu erwerben. Zu diesem Zweck kaufte der Angeklagte N. in der Zeit zwischen Januar und April 2017 mindestens viermal jeweils zehn Gramm Crystal. Ihren Vorrat verwahrten die Angeklagten im Kühlschrank, aus dem sich beide zum eigenen Konsum bedienten (Taten 1 bis 4).
Am Abend des 31. Mai 2017 kam es zu einer polizeilichen Kontrolle der
- 3
- beiden Angeklagten und zu einer Durchsuchung des Pkw des Angeklagten N. , der damit ohne Fahrerlaubnis unterwegs gewesen war (Tat 5). In dem Pkw wurden 17,82 Gramm Crystal mit einer Wirkstoffmenge von 9,65 Gramm Methamphetamin-Base sowie 1,69 Gramm Marihuana sichergestellt. Das Crystal hatte der Angeklagte N. wenige Tage zuvor unter finanzieller Beteiligung der Angeklagten T. erworben. Die Angeklagten hatten ihren Vor- rat an Crystal außerhalb der gemeinsamen Wohnung bei sich, „um den weite- ren Besitz zu garantieren und um die Tagesdosis zu gewährleisten“ (UA S. 16). Außerdem führte der Angeklagte N. in seinem Fahrzeug eine Federdruckpistole nebst Munition mit sich, die er nachmittags gekauft und ausprobiert hatte (Tat 6).
von den Vernehmungsbeamtinnen als erschreckend wahrgenommenes Erscheinungsbild belegt sei. Zudem habe die polizeiliche Auswertung des Telefons des Angeklagten N. dessen Einlassung gestützt, mit den Betäubungsmitteln keinen Handel getrieben zu haben.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft decken keine Rechtsfehler zu5 gunsten der Angeklagten auf. Insoweit erweisen sich die Rechtsmittel in Bezug auf die jeweils erhobene Ausschöpfungsrüge (§ 261 StPO) und auf die sachlich -rechtlichen Beanstandungen der Beweiswürdigung zu den Taten 1 bis 4, deren Feststellung auf dem Geständnis des Angeklagten N. und den diesbezüglichen Angaben der Angeklagten T. beruht, schon aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen als unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet auch zu
- 6
- Tat 6 die Beweiswürdigung, auf der die Überzeugung der Strafkammer gründet, dass das am 31. Mai 2017 sichergestellte Crystal zum Eigenkonsum erworben wurde, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind die Urteilsgründe nicht lückenhaft.
wurde ein Diebstahl geahndet, den der Angeklagte N. gemeinsam mit der Angeklagten T. in der Nacht zum 30. Januar 2016 begangen hatte. Gleiches gilt für die Angeklagte T. . Sie ist ebenfalls erheblich wegen Diebstahlsdelikten vorbestraft und auch bei ihr wurden mit den in die Gesamtstrafe einbezogenen Strafen jeweils Diebstahlstaten geahndet. Zudem wurde bei der polizeilichen Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung am 1. Juni 2017 Diebesgut sichergestellt, so dass es naheliegt, dass die Angeklagten ihren Lebensunterhalt weiterhin auch durch Diebstähle bestritten. Insofern hat das Landgericht im Rahmen der Erörterung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten N. sogar ausdrücklich festgestellt, dass dieser ab 2010 seinen Betäubungsmittelkonsum, soweit er nicht durch legale Einkünfte gedeckt war, „überwiegend“ durch Diebstähle finanzierte.
Die Beweiswürdigung ist auch nicht insofern lückenhaft, als das Landge8 richt die Erklärung, weshalb die – aus Sicht des Landgerichts ein Handeltreiben glaubhaft bestreitenden – Angeklagten ihre Vorratsmenge an Crystal nicht wie nach früheren Käufen im Kühlschrank aufbewahrten, sondern sie im Pkw mit sich führten („um den weiteren Besitz zu garantieren und die Tagesdosis zu gewährleisten“), nicht näher erläutert hat. Denn damit war ersichtlich die Be- fürchtung eines Verlustrisikos gemeint, nachdem bereits bei einer früheren Durchsuchung der Wohnung aufgrund eines Diebstahlsverdachts unter anderem 19 Gramm Crystal sichergestellt worden waren. Insofern durfte das Landgericht für die Absicht der Angeklagten, ihren Betäubungsmittelvorrat zu sichern, auch das Ergebnis der am 1. Juni 2017 durchgeführten Durchsuchung heranziehen, wonach in der Wohnung der Angeklagten nur eine geringfügige Spur von 0,01 Gramm Crystal sichergestellt wurde.
Schließlich hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auch aus der Menge
- 9
- des am Vortag sichergestellten Rauschgifts noch keinen Schluss auf ein Handeltreiben gezogen. Die Angeklagten hatten, wie ihr gesundheitlicher Zustand belegte, in erheblichem Umfang Crystal konsumiert. Danach stellte die Gesamtmenge von 17,2 Gramm Crystal keine so ungewöhnlich große Vorratsmenge dar, dass sich für das Landgericht insoweit eine weitergehende Erörterung hätte aufdrängen müssen.
- 10
- Schuldsprüche tragen und auch die Rechtsfolgenbestimmungen rechtlicher Überprüfung standhält, waren die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu verwerfen , soweit sie zu Ungunsten der Angeklagten eingelegt sind.
III.
Die den Angeklagten N. betreffende Revision der Staatsanwalt11 schaft wirkt indes zugunsten dieses Angeklagten (§ 301 StPO).
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle 5 und 6 durch das
- 12
- Landgericht, das zwei selbständige Taten angenommen hat, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 13
- Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 StVG und des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat hier nicht nur ein äußerer Zusammenhang bestanden. Vielmehr diente die Aufbewahrung der Betäubungsmittel im Fahrzeug gerade deren Sicherung während der gemeinsamen Fahrt der Angeklagten. Das Mitführen ihrer Betäubungsmittel stand danach in einem inneren Beziehungszusammenhang mit dem Fahrvorgang (vgl.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO
- 14
- steht der Änderung nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Angesichts der Höhe der Einsatzstrafe im Fall 6 (ein Jahr und sechs Mo16 nate) sowie der verbleibenden weiteren vier Freiheitsstrafen (jeweils sieben Monate) und der einbezogenen Freiheitsstrafe (zehn Monate) schließt der
Senat zudem aus, dass die Strafkammer ohne die wegfallende Strafe eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe gegen den mehrfach vorbestraften Angeklagten festgesetzt hätte.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Köhler
moreResultsText
Annotations
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder - 2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer
- 1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht, - 2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder - 3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter
- 1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war, - 2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder - 3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.