Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2010 - 5 StR 18/10

published on 29/04/2010 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 29. Apr. 2010 - 5 StR 18/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Zur Verantwortlichkeit eines im Beweissicherungsdienst tätigen
Arztes für tödlich verlaufenen Brechmitteleinsatz gegen Drogen
-Kleindealer.
BGH, Urteil vom 29. April 2010 - 5 StR 18/10
LG Bremen -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 29. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 27. und 29. April 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
alsVerteidiger,
Rechtsanwältin M.
alsNebenklägervertreterin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 29. April 2010 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 4. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem als fahrlässige Tötung angeklagten Vorwurf freigesprochen, am 27. Dezember 2004 im Rahmen einer polizeilich angeordneten Exkorporation von Drogenbehältnissen durch sogenannten Brechmitteleinsatz den Tod des 35 Jahre alten, des Drogenhandels verdächtigen C. verursacht zu haben. Die dagegen gerichteten Revisionen der Nebenkläger, der Mutter und des Bruders des Verstorbenen, haben Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Dem in Kasachstan bis 1991 als Arzt ausgebildeten Angeklagten wurde im Juni 1997 in Bremen die Approbation erteilt. Nach einer Tätigkeit am dortigen Institut für Rechtsmedizin stellte ihn dessen Direktor B. ab September 2000 bei dem von diesem auf eigene Rechnung selbständig betriebenen ärztlichen Beweissicherungsdienst an, für den er im März 2001 eine detaillierte Dienstanweisung erließ. Für einen zwölfstündigen Bereitschaftsdienst erhielt der Angeklagte 100 DM brutto als Grundvergütung, zusätzlich Honorare für einzelne ärztliche Handlungen.
4
Die ganz überwiegende Mehrheit aller in Bremen vorgenommenen Exkorporationen wurde von den Mitarbeitern des Beweissicherungsdienstes ohne Zwang und ohne Einsatz einer Magensonde durchgeführt. Das Landgericht hat zugunsten des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten unterstellt, dass dieser am 27. Dezember 2004 erstmals einen solchen zwangsweisen Eingriff vorgenommen hat.
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b) Die Polizeibeamten K. und F. nahmen den unbestraften, aus Sierra Leone stammenden C. um 0.10 Uhr wegen des Verdachts des illegalen Kokainhandels vorläufig fest. Bevor C. auf Aufforderung der Polizeibeamten den Mund öffnete, sahen sie dessen deutliche Schluckbewegungen und gingen aufgrund kriminalistischer Erfahrung mit „Kleindealern“ von einem Verschlucken von Kokainbehältnissen aus. POK K. ordnete die sofortige Exkorporation der Drogenbehältnisse gemäß § 81a StPO an. C. verstand kaum deutsch, und auch in englischer Sprache fand eine Verständigung nur in rudimentärer Form unter Zuhilfenahme von Zeichensprache statt. Deshalb wurde C. auch nicht strafprozessual belehrt.
6
Der Angeklagte begann gegen 1.10 Uhr im Behandlungszimmer des Polizeigewahrsams mit der Vorbereitung der Exkorporation. Er gab C. zu verstehen, dass ihm Brechsirup und Wasser verabreicht werden solle, um verschluckte Drogencontainer zu Tage zu fördern. C. brachte vehement zum Ausdruck, er habe keine Drogen genommen, was der Angeklagte in den Untersuchungsbogen eintrug. Die im Stehen durchgeführte körperliche Untersuchung unter Einsatz eines Stethoskops und eines Blutdruckmessgeräts dauerte fünf Minuten und erbrachte keine Auffälligkeiten der Atmung, des Kreislaufs und der Nervensysteme. C. erklärte sich zunächst bereit, Brechmittel und Wasser eigenständig einzunehmen, tat dies jedoch nicht, nachdem ihm ein Becher mit Brechmittel gereicht worden war.
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c) Der Angeklagte ging nunmehr entsprechend Ziffer 4 der von B. am 1. März 2001 verfassten Dienstanweisung vor, in der vermerkt war: „Weigert sich der Beschuldigte, den Sirup zu trinken, ist ihm in sitzender Position eine nasogastrale Sonde zu legen. Die richtige Lage der Sonde im Magen wird durch die Aspiration von Mageninhalt sichergestellt. Die Applikation des Emetikums und des körperwarmen Wassers erfolgt mittels Spritze über die nasogastrale Sonde. Die Magensonde darf nur gelegt werden, wenn der Beschuldigte nicht durch heftige Gegenwehr ein sachgerechtes ärztliches Vorgehen unmöglich macht. Der Arzt selbst übt keinerlei Zwang aus. Die Flüssigkeitsapplikation darf erst nach sicherer Lage der Sonde im Magen erfolgen“ (UA S. 9). Ziel war die Herbeiführung eines Erbrechens im Schwall.
8
Die Polizeibeamten fesselten C. s Füße mit einem Kabelbinder und die Arme mit Handschellen auf den Rücken und setzten ihn auf den Untersuchungsstuhl , der in einem Winkel von 70 Grad hochgestellt war. Der Angeklagte brachte sein Messgerät zur Überwachung der Vitalwerte – Sauerstoffsättigung im Blut, Blutdruck und Puls – an, legte eine Venenverweilkanüle und führte einen 70 cm langen Schlauch mit der Magensonde durch ein Nasenloch ein. C. suchte dies durch Kopfbewegungen zunächst zu verhindern , was der Polizeibeamte F. durch Drücken des Kopfes gegen die Rückenlehne unterband.
9
Der Angeklagte applizierte Brechmittel (Ipecacuanha-Sirup) durch eine Spritze in den Schlauch und anschließend sieben bis acht Spritzenfüllungen Leitungswasser, um das Erbrechen im Schwall zu provozieren. Der Brechreiz setzte gegen 1.30 Uhr ein. C. bemühte sich „nach Kräften, diesen zu unterdrücken, Erbrochenes im Mund zu behalten, wieder zu schlucken und nur das hochgewürgte Wasser durch die zusammengepressten Zähne aus- treten zu lassen, was die Polizeibeamten als ‚Filtern’ bezeichneten. Auf diese Weise gelang es C. zunächst, ein Austreten geschluckter Kokainkügelchen zu verhindern, weil – was ausweislich der Dienstanweisung ungewöhnlich war und auch von dem Angeklagten so kommentiert wurde – das Erbrechen bei ihm nicht ‚im Schwall’ auftrat. Erst nachdem C. bereits drei- bis viermal unter ‚Filtern’ erbrochen hatte, wurde letztlich doch, vermutlich durch seine Zahnlücke im Schneidezahnbereich oben links, ein etwa haselnussgroßes Kokainkügelchen herausgespült und von K. gesichert. Auch nach Einsetzen des Brechreizes fuhr der Angeklagte damit fort, über die Sonde Wasser zuzuführen. Aus Gründen, die nicht haben festgestellt werden können , rutschte die etwa 70 cm lange Sonde dabei aus der Nase und musste mindestens einmal neu gelegt werden. … Nachdem C. sich bei kontinuierlicher Wasserzufuhr durch den Angeklagten drei- oder viermal erbrochen hatte, erlahmte mit der Zeit sein Widerstand zusehends, er wurde augenscheinlich apathischer, bis er schließlich ‚nicht ansprechbar’ wirkte und jedenfalls auf Ansprachen nicht mehr reagierte. Diese Zustandsveränderung allein löste allerdings zunächst bei dem Angeklagten noch keine erkennbare Beunruhigung aus und veranlasste ihn nicht dazu, die Wasserzufuhr zu beenden“ (UA S. 15 f.).
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Infolge C. s kontinuierlicher Bemühungen, Erbrochenes nicht nach Außen dringen zu lassen, und begünstigt durch die im Zeitablauf abnehmende Vigilanz des Betroffenen trat im Zuge der sich bei Erbrechen und Wiederverschlucken kreuzenden Flüssigkeiten Wasser in C. s Atemwege, die zu einer Verminderung der Lungenfunktion und einer Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung des Organismus führte. Der Angeklagte und die Polizeibeamten waren der Meinung, dass C. – entsprechend früher beobachtetem Verhalten von anderen aus Afrika stammenden Betroffenen – einen körperlichen Zusammenbruch bzw. eine Bewusstlosigkeit nur simulieren würde, um einen Abbruch der Maßnahme zu erreichen.
11
Gegen 1.50 Uhr, 20 Minuten nach Einsetzen des Erbrechens, verschlechterte sich der angezeigte Sauerstoffsättigungswert; er wurde schließlich von dem Kontrollgerät nicht mehr angezeigt. Der Angeklagte nahm einen Gerätedefekt an und tauschte den Fingersensor aus. Das Gerät zeigte auch danach keinen Sättigungswert an. C. wirkte weiter nicht ansprechbar und atmete schwer. Aus seinem Mund und seiner Nase trat – bei Exkorporationen ungewöhnlich – weißer Schaum aus.
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d) Der Angeklagte reagierte auf Grund seiner Unerfahrenheit kopflos: Anstatt einen der anwesenden, über ein Telefon verfügenden Polizeibeamten damit zu beauftragen und ohne selbst Erst-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen, verließ er den Behandlungsraum, um von der Pforte des Gewahrsamstrakts aus den Notarzt zu alarmieren. Dies übernahm der vom Angeklagten angetroffene Wachhabende, der um 1.54 Uhr die Feuerwehr benachrichtigte.
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Kurz nach 2.00 Uhr trafen die Rettungssanitäter Ki. und E. ein. Sie fanden C. in unverändert sitzender Stellung an Händen und Füßen gefesselt mit nach vorn überhängendem Kopf vor. Der Angeklagte teilte ihnen mit, „er habe im polizeilichen Auftrag zur Sicherung verschluckter Drogenkugeln bei dem als Drogenhändler verdächtigen C. ‚eine Magenspülung ’ durchgeführt, die ‚nicht funktioniert’ habe. Dabei habe sich die Sauerstoffsättigung verschlechtert und werde jetzt nicht mehr angezeigt, die übrigen Vitalwerte seien normal. Auch nach dem Eindruck der Sanitäter wirkte C. ‚nicht ansprechbar’. Die Rettungssanitäter veranlassten, dass C. die Handfesseln abgenommen wurden, ließen die Rückenlehne in Liegeposition absenken und brachten C. sodann in Rückenlage mit nach hinten überstrecktem Kopf, um seinen Kreislauf zu unterstützen und die Atmung zu erleichtern. Parallel dazu schlossen sie die mitgebrachte eigene Messapparatur an, ein Gerät, das ebenfalls über einen Fingersensor und an der Brust anzubringende Elektroden die Vitalwerte (pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung , Blutdruck, Herzfrequenz, EKG) misst und einschließlich des EKG auf dem Monitor abbildet. Dabei stellte E. fest, dass C. s Hände sehr kalt waren, womit sich für ihn auch in Kenntnis der Funktionsweise der Sättigungsmessung per Pulsoxymetrie zwanglos erklärte, warum der Sauerstoffsättigungswert von dem Gerät des Angeklagten nicht mehr hatte gemessen und angezeigt werden können“ (UA S. 18 f.): Bei Engstellung der Gefäße der Finger beispielsweise infolge von Kälte oder bei vegetativ unter Schock stehenden Patienten wird wegen der Zentralisierung des Blutkreislaufs kein Messwert angezeigt. Der Sanitäter E. führte die Zustandsveränderung auf Atemprobleme zurück. Das Messgerät des Rettungswagens zeigte bis 2.06 Uhr eine Stabilisierung der Vitalparameter an.
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„Der Angeklagte erklärte auch dem Notarzt, dem Zeugen G. , dass er im polizeilichen Auftrage zum Auffinden von verschluckten Drogenkugeln bei einem mutmaßlichen Drogenhändler ‚eine Magenspülung’ gemacht habe und dass er den Notruf abgesetzt habe, weil die Sauerstoffsättigung bedenklich abgefallen und plötzlich keine Anzeige der Sauerstoffsättigung mehr vorhanden gewesen sei. Es habe sich mittlerweile aber gezeigt, dass wohl lediglich ein Gerätefehler vorgelegen habe“ (UA S. 21).
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Die Sanitäter berichteten dem Notarzt von den festgestellten stecknadelkopfgroßen Pupillen des C. , die auf Lichtreize keine Veränderung zeigten. Sie bewerteten dies als Drogenintoxikation, was nach zutreffender Auffassung des Notarztes bei hier infrage stehendem Kokainkonsum nicht zutreffen konnte.
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„Gegenstand der Erörterungen mit den Sanitätern und dem Angeklagten war außerdem die Bewertung der ‚Nichtansprechbarkeit’ C. s. Hierzu wurde von dem Angeklagten ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ‚Schwarzafrikaner’ bei Exkorporationen häufig einen solchen Zustand simulierten , sie würden sich häufig ‚tot stellen’. Dass C. sich nur verstellt haben könnte, entsprach allerdings nicht dem Eindruck des Notarztes, denn C. reagierte weiterhin nicht nur nicht auf Ansprache, sondern zeigte auch auf Schmerzreize, z. B. beim Legen eines Venenzugangs durch die Sanitä- ter, nur geringfügige Reaktionen, er gab nur unverständliche Laute von sich, wirkte andererseits nach seinem Muskeltonus und dem Gesamteindruck weder bewusstlos noch komatös, aber doch ‚eingetrübt’“ (UA S. 22).
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e) Der Notarzt beendete seinen Einsatz. Er verneinte die Frage des Angeklagten, ob C. ins Krankenhaus müsse, und wies die Sanitäter an einzupacken. Der Angeklagte bat „unter Hinweis auf die mögliche Unzuverlässigkeit seines Gerätes den Notarzt, noch dazubleiben, da er noch die ‚Magenspülung’ machen müsse und dies nicht ohne sicher funktionierendes Gerät machen wollte; die ‚Magenspülung’ werde etwa 20 Minuten dauern“. G. erklärte sich zum Bleiben bereit, „obwohl er keinen Hehl daraus machte, dass er der zwangsweisen Exkorporationsmaßnahme ablehnend gegenüber stand und hiermit grundsätzlich nichts zu tun haben wollte“ (UA S. 23). Nach seinem Verständnis war seine Mitwirkung auf die technische Amtshilfe beschränkt, dass der Angeklagte das Monitoringgerät des Rettungsdienstes für 20 Minuten weiter nutzen konnte. G. beabsichtigte nicht, eine irgendwie geartete ärztliche Mitverantwortung für die Durchführung bzw. Fortsetzung der Exkorporation zu übernehmen. „Ohne eigene medizinische Auseinandersetzung mit möglichen Kontraindikationen nach § 81a StPO und der Dienstanweisung, die ihm als Prüfungsmaßstab im Übrigen nicht bekannt waren, erhob der Notarzt deshalb auch keine Einwände bezüglich der erklärten Absicht des Angeklagten, bei C. eine weitere Magenspülung vorzunehmen. Er beschränkte sich darauf, dem Angeklagten zu erwidern , dass er dies selbst entscheiden müsse. Dass mit einer solchen ‚Magenspülung ’ wegen der von ihm selbst konstatierten Bewusstseinseintrübung ein besonderes Aspirationsrisiko verbunden war, erkannte der Zeuge G. trotz seiner besonderen Qualifikation als Anästhesist und Notfallmediziner auch deshalb nicht, weil der Angeklagte ihm nicht erklärte, wie er diese ‚Magenspülung’ zuvor durchgeführt hatte und weiter durchzuführen gedachte, so dass der Notarzt zunächst auch nicht erfuhr, dass das Prozedere von der normalen Vorgehensweise bei medizinisch indizierten ‚Magenspü- lungen’ im eigentlichen Sinne deutlich abwich und mit anders gearteten Risiken als eine normale Magenspülung verbunden war“ (UA S. 24).
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Während der Notarzt, vom Geschehen abgewandt, seinen Einsatzbericht schrieb, nahm der Angeklagte zwischen 2.10 Uhr und 2.15 Uhr die Zwangsexkorporation ohne die erforderliche erneute körperliche Untersuchung wieder auf. C. war nicht bewusstlos und versuchte wiederum, ein Erbrechen durch „Filtern“ zu verhindern. Seine mentale Reaktionsfähigkeit war eingeschränkt und sein Bewusstsein eingetrübt. Er hatte anfangs auch wieder Bemühungen entfaltet, die Einführung der Sonde unter anderem durch Kopfbewegungen zu verhindern. Der Zeuge F. hatte erneut den Kopf des Verdächtigen fixiert. Der Angeklagte hatte die Sonde durch die Nase gelegt und begonnen, den Magen des C. nach und nach so mit Wasser zu überfüllen, dass ein weiterer Brechreiz ausgelöst würde. „Dabei wurde der Notarzt erstmals darauf aufmerksam, dass die vermeintliche ‚Magenspülung ’ von dem Angeklagten in für ihn ungewöhnlicher Weise erfolgte. Angesichts der Wassermengen, die der Angeklagte sukzessive in den Schlauch füllte, ohne dieses sogleich wieder abzulassen, fragte er den Angeklagten, ob er denn nicht das Wasser auch wieder ablassen wolle. Der Angeklagte erklärte ihm daraufhin, dass im Gegenteil bei dieser Form der Exkorporation der Magen routinemäßig bis zum Einsetzen des Erbrechens mit Wasser aufgefüllt werde. Dabei handele es sich für Exkorporationen um eine Standardmethode , die er schon häufig praktiziert habe“ (UA S. 27). „Nachdem der Angeklagte in dieser zweiten Phase der Exkorporation ein erstes Erbrechen erreicht hatte, bei dem ein [zweites] Kügelchen gesichert wurde, vergewisserte er sich noch mindestens einmal bei dem Notarzt, ob er weitermachen könne, was dieser mehr oder weniger achselzuckend, aber ohne Widerspruch zu erheben, bejahte, zumal die abgesprochene Wartezeit von rund 20 Minuten noch nicht erreicht war. Dementsprechend setzte der Angeklagte die Prozedur des Eingebens von Wasser durch die Sonde fort und es kam auch zunächst zu einem weiteren Erbrechen, bei dem ein drittes Kügelchen gesichert wurde. Mit der Zeit ermattete C. jedoch, er fiel erneut in Passi- vität und Lethargie und zeigte schließlich keine Reaktionen mehr auf das Geschehen. Parallel dazu nahm auch der Brechreiz merklich ab und verebbte schließlich. Dies veranlasste den Angeklagten dazu, den Brechreiz durch eine mechanische Einwirkung im Rachenraum auslösen zu wollen“ (UA S. 28). Hierzu bediente er sich zunächst der Kehrseite einer Pinzette, dann eines Holzspatels, den der Rettungssanitäter Ki. aus dem Rettungswagen geholt hatte. Bei einem hiermit ausgelösten weiteren Erbrechen wurde ein viertes Kügelchen nach Öffnen der zusammengepressten Kiefer sichergestellt. Der Sauerstoffsättigungswert war nicht durchgängig geprüft worden; zudem war dessen Anzeige wegen Zerbrechens des Fingersensors ausgefallen. Der akustische Alarm des Geräts war aus ungeklärten Gründen ausgeschaltet. Wenige Minuten später fiel C. ins Koma, aus dem er nicht mehr gerettet werden konnte.
19
f) Er verstarb an „cerebraler Hypoxie als Folge von Ertrinken nach Aspiration bei forciertem Erbrechen“ (UA S. 35) am 7. Januar 2005 in der Intensivstation des Krankenhauses. Eine nicht erkannte Herzvorschädigung trug allenfalls zu einer Aggravierung und Beschleunigung des hypoxischen Geschehens bei. C. hatte insgesamt fünf Kügelchen Kokain zu einem Handelswert von je 20 € verschluckt, ohne Kokain konsumiert zu haben. Die vier gesicherten Kügelchen wogen 402 mg und wiesen einen Wirkstoffanteil von 33 % aus. Das fünfte wurde während der Obduktion im Magen festgestellt.
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g) Das Landgericht ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen , dass dieser hinsichtlich der Einbindung des Notarztes einem Missverständnis unterlag und er sich für den Fall der Fortsetzung der Maßnahme des ärztlichen Rückhalts des Notarztes versichert hatte.
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h) Die Strafkammer ist von einem rechtmäßigen Eingriff gemäß § 81a Abs. 1 StPO ausgegangen und hat zahlreiche Verstöße des Angeklagten gegen ihm obliegende ärztliche Sorgfaltspflichten festgestellt: Unzureichende Anamnese und Untersuchung zu Beginn der Exkorporation, Eindringenlas- sen von Spülwasser in die Atemwege C. s, infolge vorurteilsgeleiteter und auf nicht ausreichender Gerätekunde beruhender Nichterkennung der Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung durch herabgesetzte Ventilationsfähigkeit der Lunge. Diese seien für den Tod aber genauso wenig ursächlich gewesen , wie die unangemessene Behandlung C. s infolge Missachtung einfachster Notfallmaßnahmen bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter. Das Landgericht hat demgegenüber die Fortsetzung der Exkorporation wegen des damit einhergehenden erhöhten Aspirationsrisikos als den Tod verursachende Pflichtverletzung erachtet. Ein erfahrener Facharzt hätte dieses Risiko aufgrund des Geschehens in der ersten Phase der Exkorporation erkannt. Bei Zweifeln darüber, ob für die weitere Exkorporation mit Störungen, Bewusstseinstrübungen und unsicheren Schutzreflexen zu rechnen war, hätte ein Arzt schon nach der Dienstanweisung die Maßnahme nicht fortsetzen dürfen. Er wäre vielmehr gehalten gewesen, das Vorliegen einer Kontraindikation zu attestieren.
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Das Landgericht hat die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des tödlichen Erfolges für den Angeklagten verneint. Es habe davon ausgehen müssen , dass der Angeklagte mangels klinischer Ausbildung und Erfahrung mit derartigen Einsätzen überfordert gewesen sei und dass er es als ausreichende Vorkehrung habe ansehen können, sich der Einsatzbereitschaft des Notarztes und der Assistenz der Rettungssanitäter bei der Fortsetzung der Exkorporation zu vergewissern. Zum anderen sei die individuelle Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Todesfolge auch dadurch wesentlich eingeschränkt gewesen, dass die kritische Situation sich schleichend entwickelt habe und dass der entscheidende Schritt zur tödlichen, nicht reversiblen cerebralen Hypoxie wegen der nicht bekannten Herzvorschädigung innerhalb kürzester Zeit dann eingetreten sei.
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2. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dass der vom Angeklagten verantwortete und vollzogene Brechmitteleinsatz nach objektiven Maßstäben aus derzeitiger – im An- schluss an EGMR NJW 2006, 3117 geläuterter – Sicht eindeutig als Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu werten ist, stellt das Ergebnis noch nicht in Frage; insoweit ist ihm angesichts zur Tatzeit anerkannter Rechtsprechung (OLG Bremen NStZ-RR 2000, 270; KG JR 2001, 162) ein Erlaubnistatbestandsirrtum oder ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zuzubilligen. Im Übrigen muss es das Revisionsgericht zwar grundsätzlich hinnehmen , wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf , ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind (BGH NStZ 2009, 401, 402). Dies ist auch der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, weil sie es unterlässt, alle in die Bewertung einzubeziehenden rechtlichen Maßstäbe zu beachten (vgl. BGH NStZ 2006, 625, 627). Solches liegt hier vor.
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Das Landgericht hat die getroffenen Feststellungen nicht im Blick auf weitere wesentliche berufliche Sorgfaltspflichten des Angeklagten gewürdigt und ist im Hinblick auf den in Anspruch genommenen Vertrauensgrundsatz von einem unzutreffenden Maßstab aufgrund einer teils widersprüchlichen und nicht erschöpfenden Würdigung der festgestellten Umstände ausgegangen.
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a) Wie eingangs ausgeführt, liegt ein Verstoß gegen berufliche Sorgfaltspflichten noch nicht darin, dass es der Angeklagte unterlassen hat, die Zulässigkeit der von den Polizeibeamten unter Inanspruchnahme der Eilkompetenz gemäß § 81a Abs. 1 StPO angeordneten Exkorporation unter Anwendung von Zwang entsprechend zahlreichen Veröffentlichungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum in Zweifel zu ziehen (vgl. Kühne, Strafprozessrecht 6. Aufl. [2003] Rdn. 475; Krause in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. [2003] § 81a Rdn. 52; Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. [2001] § 81a Rdn. 22; 46. Aufl. [2003] § 81a Rdn. 22; 47. Aufl. [2004] § 81a Rdn. 22; Hackethal JR 2001, 164, 165; Zaczyk StV 2002, 125 ff.; Binder/Seemann NStZ 2002, 234, 236).

26
Der Angeklagte war als die Zwangsmaßnahme ausführender Arzt zu einer verantwortlichen Prüfung der rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen jenseits der Beurteilung der medizinischen Risiken allenfalls in dem Maße verpflichtet , als er an einer erkennbar willkürlich angeordneten Zwangsmaßnahme nicht teilnehmen durfte (vgl. Birkholz/Kropp/Bleich/Klatt/Ritter Kriminalistik 1997, 277, 278). Diese Grenze wurde auch noch nicht allein dadurch überschritten, dass der Angeklagte nach Bergung der ersten Kokainkugel weiter gehandelt hat, obwohl nunmehr die Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG – zumal bei Kenntnis der Polizeibeamten von der Anzahl der Schluckbewegungen des Verdächtigen C. – aufgeklärt war; schon deshalb lagen die Voraussetzungen für eine weitere Inanspruchnahme der Eilkompetenz offensichtlich nicht mehr vor, und die Maßnahme war ab diesem Zeitpunkt wegen leicht erkennbarer Unverhältnismäßigkeit unzulässig. Insoweit gilt freilich im Zusammenhang mit den weiteren eingetretenen Komplikationen Abweichendes (vgl. unten d).
27
b) Anders liegt es schon, soweit das Landgericht – in Konsequenz seiner Auffassung hinsichtlich einer aus Sicht des Angeklagten rechtlich zulässigen und im Grundsatz medizinisch risikofreien Zwangsmaßnahme (vgl. auch OLG Bremen NStZ-RR 2000, 270) – den Angeklagten als nicht verpflichtet angesehen hat, den Betroffenen über medizinische Risiken der Zwangsexkorporation aufzuklären. Zwar sah solches die von dem Betreiber des ärztlichen Beweissicherungsdienstes erlassene und für den Angeklagten verbindliche Dienstanweisung nicht vor. Diese Anweisung regelte die Pflichten des Angeklagten aber nicht abschließend. Die für die ärztliche Berufsausübung wesentliche Aufklärungspflicht (§ 8 BO für Ärztinnen und Ärzte des Landes Bremen vom 30. Juni 1997, ABl. S. 479) ist auch von dem Arzt zu erfüllen, der eine Zwangsmaßnahme gemäß § 81a StPO vorzunehmen hat (Kohlhaas NJW 1968, 2277, 2278), falls der Betroffene hierdurch in die Lage versetzt wird, den hinzunehmenden Eingriff schonender zu gestalten. So lag es hier.
28
Der Angeklagte ist nach den Feststellungen des Landgerichts von einem Eingriff mit medizinischen Risiken ausgegangen. Nur mit einer solchen Wertung kann in Einklang gebracht werden, dass der Angeklagte dem Betroffenen eine Venenverweilkanüle zur Infusion von Medikamenten legte, was die Annahme drohender Gesundheitsgefahren voraussetzte. Hinzu tritt, dass der Angeklagte in Erfüllung der ihm obliegenden Fortbildungspflicht (§ 4 BO; vgl. auch BGHSt 43, 306, 311) gehalten war, nach Erlass der Dienstanweisung vom 1. März 2001 erschienene Expertisen zur Kenntnis zu nehmen, die eine Exkorporation unter Zwangsanwendung als medizinisch unbeherrschbar bewertet hatten (vgl. das vom Kammergericht eingeholte und in dessen Urteil vom 8. Mai 2001 in StV 2002, 122, 123 f. dargestellte und zustimmend bewertete Sachverständigengutachten; Stellungnahme des Präsidenten der Hamburger Ärztekammer, zitiert bei Binder/Seemann NStZ 2002, 234, 236, die in Fußnote 36 mit Nachweisen die gegenteilige Auffassung von Dr. Birkholz und anderer in Kriminalistik 1997, 277, 282 als medizinische Mindermeinung bezeichnen; vgl. auch EGMR NJW 2006, 3117, 3118 zur Bewertung des medizinischen Risikos in Deutschland ab 1996). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich C. nach Kenntnisnahme medizinischer Risiken einer Exkorporation unter Zwang durch Vornahme freiwillig herbeigeführten Erbrechens entzogen hätte. Weder Verständigungsprobleme mit C. noch eine angenommene Eilsituation durften den Angeklagten veranlassen den Eingriff ohne die gebotene Aufklärung vorzunehmen (vgl. Kohlhaas NJW 1968, 2277, 2278).
29
c) Das Landgericht hat es insbesondere unterlassen, die Umstände des Eingriffs des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt eines Übernahmeverschuldens zu würdigen. Fahrlässig schuldhaftes Handeln kommt unter diesem Aspekt bei demjenigen Arzt in Betracht, der eine Tätigkeit vornimmt, obwohl er weiß (bewusste Fahrlässigkeit) oder erkennen kann (unbewusste Fahrlässigkeit), dass ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse fehlen (BGHSt 43, 306, 311; BGH JR 1986, 248, 250; NJW 1979, 1258, 1259).
30
Hierzu hat das Landgericht zahlreiche Umstände festgestellt: Unzureichende Anamnese und Untersuchung zu Beginn der Exkorporation, unzureichende Gerätekenntnis, fehlende Grundkenntnisse über die Behandlung ohnmächtiger Patienten, vorurteilsbedingtes Unterlassen der gebotenen Untersuchung vor Fortsetzung der Exkorporation (vgl. BGHSt 3, 91, 96) unter Vernachlässigung fast jeder Dokumentation. Hinzu treten die vom Landgericht nicht gewürdigte fehlende Aufklärung und der Umstand der Vornahme einer Körperverletzung gegen Ende des Tatgeschehens durch Herbeiführung des Brechreizes mit Aspiration von Wasser mittels einer Pinzette und eines Spatels; der Angeklagte hat hierbei die aus seiner und der Sichtweise der Dienstanweisung bestehende Grenze für eine zulässige Gewaltanwendung überschritten. Bei der hiernach für erlaubt gehaltenen Methode der Exkorporation war lediglich Gewalt durch Fixierung des Betroffenen bei Einführung der Nasensonde bis zum Erbrechen erlaubt, aber keine darüber hinausgehende Gewalteinwirkung zur Auslösung des Brechreizes auf andere Weise. Solches stellt eine – durch § 81a StPO nicht mehr gerechtfertigte – Körperverletzung dar (vgl. zum Vorliegen einer Körperverletzung OLG Köln NJW 1997, 2191, 2192 m.w.N.; vgl. auch EGMR NJW 2006, 3117, 3124). Diese war schon wegen fehlender Gewalt oder Drohung im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB von Seiten des C. auch nicht etwa durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt.
31
Die Anerkennung eines Übernahmeverschuldens beruht auf der besonderen Schutzpflicht des – durch die Approbation nachgewiesen – ausgebildeten Arztes für das ihm anvertraute Rechtsgut, die Unversehrtheit der Gesundheit seiner Patienten. Einer solchen Pflicht unterliegt, weil er gemäß § 81a Abs. 1 StPO die Regeln der ärztlichen Kunst einzuhalten hat, auch ein nach dieser Vorschrift handelnder Arzt. Hierdurch bestand auch für den Angeklagten eine normativ begründete Eigenverantwortlichkeit für die Gesund- heit des vom Eingriff des Angeklagten betroffenen C. , die durch auch von Dritten zu verantwortende Überforderung des Angeklagten nicht beseitigt werden konnte.
32
Das vom Generalbundesanwalt in den Vordergrund der Betrachtung gestellte Organisationsverschulden derjenigen, die den überforderten Angeklagten auch mit der riskanten Zwangsexkorporation beauftragt hatten (vgl. hierzu UA S. 68 zur grundlegend abweichenden Regelung in Hamburg), vermag dessen Verantwortlichkeit deshalb schon im Grundsatz nicht zu beseitigen. In dem für den Erfolg ebenfalls kausale pflichtwidrige Verhalten Dritter hat sich zudem gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Angeklagten als Täter verwirklicht, weshalb zwischen dem Angeklagten und den seinen Einsatz organisierenden Dritten Nebentäterschaft gegeben ist (vgl. OLG Bamberg NStZ-RR 2008, 10, 12; Fischer, StGB 57. Aufl. § 15 Rdn. 16c).
33
Nichts anderes gilt, soweit die Verteidigung aus der Pflichtenstellung des Notarztes und dessen – freilich zum Teil widersprüchlichen und deshalb kaum als Grundlage für den Angeklagten günstige Schlussfolgerungen geeigneten – Aussagen und Verhaltensweisen eine Pflicht des Notarztes abgeleitet hat, den Angeklagten anzuweisen, die weitere Exkorporation zu unterlassen. Ein solches Versagen des Notarztes beseitigte die Schutzpflicht des Angeklagten für das Leben des C. nicht. Der Angeklagte verfügte auch bei der Fortsetzung der Exkorporation als aktiv Handelnder weiter über die Gefährdungsherrschaft (vgl. BGH NJW 2003, 2326, 2327; BGHSt 53, 55, 61 Tz. 23). Eine den Angeklagten möglicherweise entlastende Risikoübernahme (vgl. Roxin, Strafrecht AT I 4. Aufl. S. 418 Tz. 138) hat nicht stattgefunden. Der Angeklagte war nach dem Inhalt seines Anstellungsvertrages ersichtlich nicht befugt, das medizinische Risiko des von ihm vorzunehmenden Eingriffs auf einen Arzt außerhalb des Beweissicherungsdienstes zu übertragen. Der Notarzt war angesichts seines beschränkten Auftrages ebenso wenig berechtigt , dieses Risiko zu übernehmen. Er hat sich dessen auch nicht angemaßt. Das auf grundsätzliches Desinteresse gegründete Untätigbleiben des Notarztes läge auch nicht so weit außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass der für den Angeklagten bestehende Zurechnungszusammenhang entfiele (vgl. Fischer aaO).
34
d) Darüber hinaus hat es das Landgericht unterlassen, ein Verbot der Fortsetzung der Exkorporation nach erfolgreicher Bergung des ersten Kokainkügelchens wegen Verstoßes des Angeklagten gegen das Gebot der Wahrung der Menschenwürde in Betracht zu ziehen. Das sich aus § 7 Abs. 1 BO ergebende Gebot gilt für „jede medizinische Behandlung“ und umfasst demnach auch die von Ärzten ausgeführten Zwangsmaßnahmen gemäß § 81a Abs. 1 StPO. Soweit Ärzte als Ermittlungsgehilfen zu betrachten wären, würde im Blick auf die sich wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 MRK ergebenden Unzulässigkeit des Eingriffs nichts anderes gelten (vgl. Rogall NStZ 1998, 66, 68 m.w.N.; EGMR NJW 2006, 3117, 3119 bis 3121; für Zwangsexkorporationen allgemein Amelung/Wirth StV 2002, 161, 167; Dallmeyer StV 1997, 606, 609 f.; Kühne, Strafprozessrecht 7. Aufl. Rdn. 475; Zaczyk StV 2002, 125, 126).
35
Ein solcher Verstoß lag hier aufgrund der vorzunehmenden Gesamtschau der den Betroffenen C. beeinträchtigenden Umstände auf der Hand (vgl. BVerfGE 30, 1, 25 f.; EGMR aaO; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1997, 1647, 1648 und Bachmann/Püschel/Sonnen Kriminalistik 2004, 678, 680). Das Bedürfnis nach Fortsetzung der Exkorporation war nach Bergen des ersten Kokainkügelchens zum Nachweis eines vom Betroffenen begangenen Vergehens stark herabgesetzt, das Fortfahren jedenfalls unverhältnismäßig. Bereits die erste Exkorporationsphase führte zur Ohnmacht des gefesselt gebliebenen Betroffenen und beinhaltete schon ein zweites Legen der Sonde, wodurch ein Scheitern der Maßnahme indiziert gewesen ist. Hinzu tritt, dass das Ziel des Eingriffs, ein schwallartiges Erbrechen, niemals erreicht worden ist. Die Fortsetzung erfolgte 50 Minuten nach Beginn der Maßnahme, ohne die Ursache der zuvor eingetretenen Ohnmacht aufzuklären , und dauerte weitere 30 Minuten. Sie war gegen einen in seiner men- talen Reaktionsfähigkeit eingeschränkten und im Bewusstsein eingetrübten Betroffenen gerichtet, der ersichtlich keine Chance mehr hatte, durch Kooperation ein Ende der Zwangsmaßnahme herbeizuführen, die dann zudem am Schluss eine rechtswidrige Körperverletzung durch den Angeklagten umfasste. Die Verantwortung dieser Umstände lag allein beim Angeklagten. Die nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgte Versicherung des Beistands des Notarztes erstreckte sich hierauf gerade nicht.
36
e) Soweit das Landgericht unter Heranziehung von dem ärztlichen Vertrauensgrundsatz (vgl. BGHSt 43, 306, 310 m.w.N.) zugrunde liegenden Erwägungen trotz erkennbar eigener gravierender Kompetenzmängel die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Todes durch Fortsetzung der Exkorporation verneint hat, beruht diese Schlussfolgerung zudem schon auf einer widersprüchlichen Erwägung. Der Angeklagte hat dem Notarzt schon gar nicht vertraut, nachdem er nach dessen kritischer Intervention sogar die Zuführung von Wasser nach Proklamation besseren eigenen Wissens ohne Berücksichtigung der Auffassung des Notarztes fortgesetzt hatte.
37
Die Schlussfolgerung beruht ferner – nicht anders, als bei nicht durch den Zweifelssatz gebotener Unterstellung von Sachverhalten zugunsten des Angeklagten – auf einer lückenhaften Beweisgrundlage (vgl. BGH NStZ 2009, 401, 402 m.w.N.). Das Landgericht hat festgestellte Umstände außer Betracht gelassen, die ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der – nicht einmal ausdrücklich geäußerten – Risikoeinschätzung des Notarztes begründen (vgl. BGHSt 43, 306, 310 f.). Dieser hatte – genauso wie der Angeklagte – ebenfalls keine eigene Untersuchung des Betroffenen durchgeführt (vgl. auch BGHSt 3, 91). Während der Endphase der Exkorporation hatte zudem niemand die Sauerstoffsättigung überprüft. Gerade eine Erforschung der Ursache der ersten Ohnmacht des Betroffenen wäre hier zur Erfüllung der ärztlichen Schutzpflicht für das Leben des zu Untersuchenden unerlässlich gewesen, bevor der gleiche Eingriff mit identischen naheliegend erhöhten Gefahren hätte wiederholt werden dürfen. Abgesehen von alldem erscheinen die – eher den Notarzt als etwa den Angeklagten entlastenden – Feststellungen des Landgerichts zu einem Missverständnis zwischen beiden über die Eingriffsmethode des Angeklagten angesichts der bei einer regulären Magenspülung verwendeten ersichtlich andersartigen Gerätschaft zweifelhaft , wie die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung näher ausgeführt hat.
38
3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung.
39
a) Der Senat weist darauf hin, dass für die Annahme des Eintritts eines neuen Kausalverlaufs durch eine bewusste Selbstgefährdung des C. kein Raum sein dürfte. Nicht anders als in dem Fall eines illegal eingereisten Ausländers, der nicht den Freitod wählt, um der Bestrafung wegen illegaler Einreise zu entgehen (BGH StV 2008, 182, 184), dürfte auch hier nicht angenommen werden, dass der nicht vorbestrafte C. seinem Leben hätte ein Ende setzen wollen, um nicht wegen eines Vergehens des unerlaubten Handeltreibens mit 0,5 g Kokaingemisch bestraft zu werden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich ein von C. bewusst eingegangenes Risiko realisiert haben könnte (vgl. BGHSt 53, 55, 60).
40
b) Der Senat verweist das Verfahren entsprechend § 355 StPO an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurück. Dies hat auch bei einer Zurückverweisung gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu erfolgen, weil das Revisionsgericht – selbstverständlich – verpflichtet sein muss, denjenigen Spezialspruchkörper des Landgerichts mit der neuen Verhandlung der Sache zu betrauen, der nach im Revisionsverfahren gewonnenen Erkenntnissen, nach den die sachliche Zuständigkeit begründenden Vorschriften hierzu berufen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2010 – 5 StR 428/09 Tz. 25 m.w.N.; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 355 Rdn. 4).
41
Die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer kommt gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 8 GVG in Betracht, weil sich nicht ausschließen lässt, dass nach einer Würdigung der bisher festgestellten Umstände Ergebnis einer Beweiswürdigung auch sein kann, dass der Angeklagte eine Exkorporation um jeden Preis unter vollständiger Missachtung der Belange des Betroffenen durchgeführt haben könnte, wodurch sich der Verdacht einer (vorsätzlichen) Körperverletzung mit Todesfolge ergeben kann (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; 48, 34, 37).
42
c) Angesichts dessen, dass ein etwaiger Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen fahrlässig verursachter Todesfolge (§ 222 oder § 227 StGB) primär aus dessen Überforderung in einer gewissen Druck- und Ausnahmesituation resultierte und sich auch für ihn eher als Unglücksfall darstellen würde, wird für den Fall der Verurteilung eine milde Sanktion angezeigt sein, bei einem Schuldspruch nach § 227 StGB naheliegend unter Annahme eines minder schweren Falles und zudem eines Verbotsirrtums. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das inzwischen nahezu sechs Jahre zurückliegende Tatgeschehen von Organisatoren und anderen Mitwirkenden mit deutlich höherem Schuldgehalt greifbar nahe liegt.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G
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published on 13/04/2010 00:00

5 StR 428/09 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 13. April 2010 in der Strafsache gegen wegen Untreue Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. April 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Bas
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published on 07/07/2011 00:00

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 227 Zur Strafbarkeit gemäß § 227 StGB und zum Tötungsvorsatz eines Schönheitschirurgen, der es vorübergehend unterlassen hat, seine wegen eines Aufklärungsmangels rechtswidrig operierte k
published on 04/09/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 473/13 vom 4. September 2014 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StGB § 13 Abs. 1, § 222, § 239 Abs. 1 und Abs. 4 1. Hat es der h
published on 09/11/2011 00:00

5 StR 328/11 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. November 2011 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November 2011, an der teilgenomm
published on 20/06/2012 00:00

Nachschlagewerk: nein BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StGB § 227 StPO § 81a Vorhersehbarkeit der Todesfolge nach Brechmitteleinsatz (im Anschluss an BGHSt 55, 121). BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11 LG Bremen – (alt:
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Annotations

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.

(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt.

(2) Für die Verbrechen

1.
des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge (§ 176d des Strafgesetzbuches),
2.
des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 des Strafgesetzbuches),
3.
des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches),
4.
des Totschlags (§ 212 des Strafgesetzbuches),
5.
(weggefallen)
6.
der Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
7.
der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 des Strafgesetzbuches),
8.
der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 5 des Strafgesetzbuches),
8a.
der Nachstellung mit Todesfolge (§ 238 Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
9.
der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
10.
des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§ 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
11.
der Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239b Abs. 2 in Verbindung mit § 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches),
12.
des Raubes mit Todesfolge (§ 251 des Strafgesetzbuches),
13.
des räuberischen Diebstahls mit Todesfolge (§ 252 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
14.
der räuberischen Erpressung mit Todesfolge (§ 255 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches),
15.
der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuches),
16.
des Herbeiführens einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches),
17.
des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge (§ 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
18.
des Mißbrauchs ionisierender Strahlen gegenüber einer unübersehbaren Zahl von Menschen (§ 309 Abs. 2 und 4 des Strafgesetzbuches),
19.
der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge (§ 312 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
20.
des Herbeiführens einer Überschwemmung mit Todesfolge (§ 313 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
21.
der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 314 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
22.
des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit Todesfolge (§ 316a Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
23.
des Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge (§ 316c Abs. 3 des Strafgesetzbuches),
24.
der Beschädigung wichtiger Anlagen mit Todesfolge (§ 318 Abs. 4 des Strafgesetzbuches),
25.
einer vorsätzlichen Umweltstraftat mit Todesfolge (§ 330 Abs. 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuches),
26.
der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften mit Todesfolge (§ 330a Absatz 2 des Strafgesetzbuches),
27.
der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge (§ 340 Absatz 3 in Verbindung mit § 227 des Strafgesetzbuches),
28.
des Abgebens, Verabreichens oder Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch mit Todesfolge (§ 30 Absatz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes),
29.
des Einschleusens mit Todesfolge (§ 97 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes)
ist eine Strafkammer als Schwurgericht zuständig. § 120 bleibt unberührt.

(3) Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.