Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2012 - 5 StR 176/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt; der Angeklagte H. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
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- Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und acht Monaten (P. ) bzw. zwei Jahren und sechs Monaten (H. ) verurteilt und sichergestellte Tatmittel eingezogen. Mit ihren hiergegen gerichteten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen erstrebt die Staatsanwaltschaft jeweils eine Verurteilung der Angeklagten wegen täterschaftlichen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte H. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten werden, und die Revision des Angeklagten H. bleiben ohne Erfolg.
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- 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen.
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- a) Im Auftrag unbekannter, ihn finanzierender Hintermänner suchte der Angeklagte H. zwei geeignete Gebäude, um eine Aufzucht von Cannabispflanzen betreiben zu können. Etwa Mitte 2010 führte er hierzu Vertragsverhandlungen über den Ankauf zweier baufälliger Wohngebäude in S. und in L. . Mit den Verkäufern einigte er sich auf einen Kaufpreis in Höhe von 21.000 € für beide Objekte. Im Juli 2010 übergab der Angeklag- te H. 9.000 € als Anzahlung auf den vereinbarten Kaufpreis, wobei er gegenüber den Verkäufern angab, dass die notariellen Verträge in „ein paar Wochen unterzeichnet werden könnten“. Im Gegenzug wurde ihm gestattet, die Gebäude – ohne bauliche Veränderungen bis zur notariellen Beurkundung der Verträge vorzunehmen – zu nutzen.
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- Der Angeklagte H. überließ die ihm übergebenen Schlüssel dem Angeklagten P. , der im Gebäude in S. unter „zumindest teilweiser Mithilfe des Angeklagten H. und weiterer im Einzelnen nicht ermittelter Personen“ unter Vornahme baulicher Veränderungen eine Indoor- plantage errichtete und betrieb. Bei der Durchsuchung des Anwesens im Februar 2011 wurden 666 Cannabispflanzen und 18 Setzlinge mit einem Gesamtgewicht von etwa elf Kilogramm (Wirkstoffgehalt 416 Gramm THC) sowie 10,7 Kilogramm abgepacktes Marihuana (Wirkstoffgehalt 478 Gramm THC) sichergestellt. Im Wohnanwesen des Angeklagten P. wurden weitere 890 Gramm Marihuana und Gerätschaften für den beabsichtigten Betrieb einer Indooranlage in L. aufgefunden.
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- b) Das Landgericht hat nicht feststellen können, dass die Angeklagten Mitglieder einer Bande waren, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betäubungsmitteldelikten zusammengeschlossen hatten. Die im Gebäude in S. aufgefundenen DNA-Spuren von weiteren sechs Personen würden nicht den Schluss auf das Bestehen oder deren Zugehörigkeit zu einer Ban- de ermöglichen. Auch scheide die Annahme eines in Mittäterschaft begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus, weil – trotz des nicht unerheblichen Tatbeitrags der Angeklagten bei der Aufzucht der Cannabispflanzen – deren Einfluss auf das anschließende Umsatzgeschäft nicht zu belegen sei.
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- 2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.
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- a) Das Landgericht hat die Voraussetzungen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) rechtsfehlerfrei verneint. Es hat – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – Tatsachen nicht feststellen können, die eine Bandenabrede der Angeklagten mit weiteren beteiligten Personen hinreichend belegen könnten. Die insoweit gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerin dringen nicht durch. Sie beschränken sich mit zum Teil urteilsfremden Erwägungen auf eine eigene Bewertung der Beweise. Verfahrensrügen, die das Beweisergebnis in Frage stellen könnten, sind nicht erhoben worden.
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- b) Auch die Verneinung täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 BtMG) begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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- aa) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteile vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, und vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 5 StR 345/08, NStZ 2009, 392). Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Täters abhängt (BGH, Urteil vom 14. Dezember2006 – 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschlüsse vom 25. April 2007 – 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531, und vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 324/10).
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- bb) Gemessen daran ist die Wertung des Landgerichts, eine täterschaftliche Beteiligung der Angeklagten am Umsatzgeschäft liege nicht vor, rechtsfehlerfrei.
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- Zwar haben der Angeklagte H. – mit der Beschaffung geeigneter Objekte zum Betreiben von Indooranlagen und mit seiner Hilfe bei der Aufzucht der Cannabisplantage – und der Angeklagte P. – mit der Organisation der Anlage, Aufzucht und dem Abernten der Cannabispflanzen sowie mit der Bereitstellung des Marihuanas – wesentliche Beiträge zur Durchführung des Umsatzgeschäftes erbracht. Das Landgericht hat aber im Hinblick auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten angenommen, dass sie im Auftrag von Hintermännern, die die Anzahlung der Objekte und der Gerätschaften zum Betrieb der Indooranlagen finanziert haben , nach deren Anweisungen abhängig gehandelt haben. Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Angeklagten an dem Gesamtgeschäft hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht, insbesondere nicht, dass sie die Cannabissetzlinge selbst angeschafft haben und dass sie am beabsichtigten gewinnbringenden Verkauf des Marihuanas mit eigener Beteiligung am Umsatz konkret eingebunden waren. Bei der Bewertung des Beteiligungsumfangs der Angeklagten ist das Landgericht bei den verbliebenen Zweifeln am Tatgeschehen – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – ohne Rechtsfehler von der für die Angeklagten günstigeren Sachverhaltsvariante ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 324/10).
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- c) Die Strafaussprüche weisen keinen Rechtsfehler auf. Unvertretbar milde Strafen liegen – entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin – nicht vor. Das Landgericht hat zudem angesichts des geringen Werts des Pkw des Angeklagten P. rechtsfehlerfrei von einer Einziehung (§ 74 Abs. 1 StGB) abgesehen.
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- 3. Auch die Revision des Angeklagten H. hat keinen Erfolg.
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- a) Die erhobenen Verfahrensrügen, das Landgericht habe sich in den Urteilsgründen in Widerspruch zu Wahrunterstellungen hinsichtlich unter Beweis gestellter Beweisbehauptungen gesetzt bzw. einen erweiterten Beweisantrag nicht verbeschieden, dringen nicht durch. Sie sind jedenfalls unbegründet. Die unter Beweis gestellten, als wahr unterstellten Hindernisse an formgerechten Vertragsabschlüssen standen der Annahme einer Hinhaltetaktik des Angeklagten und indiziellen Schlüssen hieraus nicht entgegen.
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- b) Die sachlich-rechtlichen Beanstandungen des Angeklagten haben ebenfalls keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Tatbeteiligung rechtsfehlerfrei belegt. Die Beweiswürdigung ist weder widersprüchlich, lückenhaft oder unklar, noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Basdorf Raum Schaal Dölp Bellay
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.