Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2002 - 5 StR 14/02

published on 21/03/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2002 - 5 StR 14/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 14/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 21. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. März 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Richterin am Landgericht B
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Ablehnung der Anordnung von Sicherungsverwahrung. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten abgelehnt hat.

I.


Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrüge, in der Hauptverhandlung sei eine Entscheidung über die Vereidigung des Zeugen D nicht getroffen worden, hat keinen Erfolg. Zwar enthält das Protokoll der Hauptverhandlung hierzu keine Feststellungen, so daß gemäß § 274 StPO davon auszugehen ist, daß der Zeuge nicht vereidigt worden ist (Senge in KK 4. Aufl. § 59 Rdn. 13, 16). Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen jedoch keine Bedeutung beigemessen , vielmehr ausgeführt: “Sichere Schlußfolgerungen vermochte das Gericht aus den Bekundungen des Zeugen D nicht zu ziehen.” Der Senat schließt aus, daß der Zeuge unter Eid mehr oder anderes ausgesagt hätte und daß das Gericht zu anderen Feststellungen gelangt wäre (vgl. BGHR StPO § 59 Satz 1 Entscheidung, fehlende 1; BGH NStZ 1985, 182; BGH, Beschl. vom 8. Juli 1997 ± 5 StR 170/97).
2. Die nicht näher ausgeführte Sachrüge ist unbegründet.

II.


Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision wirksam auf die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt (vgl. BGHSt 7, 101). Zwischen Strafe und nicht angeordneter Maûregel nach § 66 StGB besteht nur dann eine der Rechtsmittelbeschränkung entgegenstehende Wechselwirkung , wenn im Einzelfall den Urteilsgründen zu entnehmen ist, daû die Strafe von dem Unterbleiben der Maûregel beeinfluût sein kann, sie insbesondere bei Anordnung der Sicherungsverwahrung möglicherweise niedriger ausgefallen wäre (BGH NStZ 1994, 280, 281; BGH, Urt. vom 10. März 1992 ± 5 StR 25/92, insoweit in NStZ 1992, 382 nicht abgedruckt). Das ist hier jedoch nach den Darlegungen zur Strafzumessung auszuschlieûen.
2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Urteilsgründen liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB vor. Der Angeklagte ist wegen der beiden von ihm begangenen Vergewaltigungen, bei denen er seine Opfer mit einem Revolver bzw. einem Messer bedrohte, zu Einzelfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. fünf Jahren verurteilt worden. Auûerdem war er bereits vom Amtsgericht ± Schöffengericht ± Potsdam durch Urteil vom 16. März 1995 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten (Einzelstrafen jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe) verurteilt worden.
Rechtsfehlerfrei hat der Tatrichter auch die Gefährlichkeitsprognose für den Angeklagten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) bejaht. Das sachverständig beratene Landgericht führt aus, ein Hang zu erheblichen und für die Allgemeinheit gefährlichen Taten liege vor. Das Verhaltensmuster des Angeklagten sei nur durch einen Schock bzw. ein Trauma, das heiût eine Gewalterfahrung plötzlicher Art, die dem Einfluû des Angeklagten entzogen sei, oder durch eine tiefenpsychologische Behandlung abänderbar. Zu letzterer
fehle es dem Angeklagten jedoch an einer ernstlichen Motivation. Die Exploration habe ergeben, daû der Angeklagte Therapien ablehnend gegenüberstehe.
Dennoch hat das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil auch ohne Therapiebereitschaft eine Möglichkeit zu einer Verhaltensänderung des Angeklagten bestehe. Zur Überzeugung des Gerichts stehe zu erwarten, daû der vom Angeklagten zu verbüûende Freiheitsentzug das von dem Sachverständigen beschriebene Schockerlebnis hervorrufe und so eine nachhaltige Verhaltensänderung bei dem Angeklagten herbeiführe. Für die Annahme, daû der langjährige Strafvollzug auf den Angeklagten ohne nachhaltigen Lernerfolg bleibe, fehle es an einer tatsächlichen Grundlage.

b) Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für die Gefährlichkeitsprognose ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Urteilsfindung maûgeblich und nicht der ± bei Erlaû des Urteils noch nicht absehbare ± Zeitpunkt der Entlassung aus einer sich anschlieûenden Strafhaft. Das gilt insbesondere angesichts dessen, daû der Gesetzgeber in § 67c Abs. 1 StGB dem Vollstreckungsgericht die Aufgabe zugewiesen hat, vor dem Ende des Vollzugs der Strafe zu prüfen, ob der Zweck der Maûregel die Unterbringung noch erfordert (vgl. BGHSt 24, 160, 164; 25, 59, 61; BGH NStZ 1985, 261; 1990, 334, 335; BGH NStZ-RR 1999, 301 m.N. der Rspr.; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 27). Zwar darf der Tatrichter bei seiner Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs Bedeutung beimessen (vgl. BGH StV 1982, 114; NStZ 1984, 309), doch sind diese Umstände nur beachtlich, wenn sie ± nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung (BGH NStZ 1985, 261) ± eine Verhaltensänderung des Angeklagten erwarten lassen (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 6). Das hat die Strafkammer aber nicht ausreichend dargelegt.

Der Sachverständige hat sich bei seinen im Urteil wiedergebenen Ausführungen zu einem Trauma naheliegend an ICD-10 V F 43.1 (vgl. Dilling /Mombour/Schmidt (Hrsg.) Internationale Klassifikation psychischer Störungen 4. Aufl. 2000) orientiert. Danach handelt es sich bei einem Trauma um ein belastendes Ereignis oder eine Situation auûergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaûes, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde. Hierzu gehören eine durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophe, eine Kampfhandlung, ein schwerer Unfall oder die Tatsache, Zeuge des gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderer Verbrechen zu sein. Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, daû das Landgericht diesen Maûstab bei seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Damit handelt es sich bei den Erwägungen, wonach das vom Sachverständigen beschriebene Schockerlebnis durch den bevorstehenden Strafvollzug hervorgerufen werde, lediglich um durch Tatsachen nicht belegte Vermutungen und Erwartungen.
Zudem sind weitere erhebliche Umstände nicht ausreichend bedacht worden. Nach den getroffenen Feststellungen liegt bei dem Angeklagten ein eingeschliffenes Verhaltensmuster und eine zwischenzeitlich fest verwurzelte Neigung zu Vergewaltigungstaten vor. Deshalb wäre auch zu erörtern, ob der seine Taten abstreitende und nicht therapiebereite Angeklagte überhaupt
durch eine einmalige traumatische Erfahrung in seinem Verhalten verändert werden kann.
Harms Häger Raum Brause Schaal
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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
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Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(1) Zeugen werden nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt wird, braucht im Protokoll nicht angegeben zu werden, es sei denn, der Zeuge wird außerhalb der Hauptverhandlung vernommen.

(2) Die Vereidigung der Zeugen erfolgt einzeln und nach ihrer Vernehmung. Soweit nichts anderes bestimmt ist, findet sie in der Hauptverhandlung statt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass

1.
der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder
2.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist,
setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist.

(2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.