Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - 4 StR 594/09

published on 25/03/2010 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - 4 StR 594/09
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Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/09
vom
25. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 2. Juli 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregel.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) in den Aussprüchen über die insoweit verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe aufgehoben.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel mit der Sachrüge dagegen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe nicht auch wegen tateinheitlich begangenen versuchten Mordes verurteilt worden ist; der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

I.


2
Revision der Staatsanwaltschaft
3
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
4
Sie beanstandet zu Recht, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe lediglich wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist.
5
1. Nach den vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte in den Mittagsstunden des 22. Juli 2008 nach einem missglückten Wiederannäherungsversuch an seine ehemalige Lebensgefährtin, der mit einem körperlichen Übergriff auf diese geendet hatte (Fall 1 der Urteilsgründe ), im Zustand einer akuten Belastungsreaktion, die mit Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und "verletztem Narzissmus" gepaart war. Während er mit seinem Pontiac Grand AM die Bundesstraße 9 von Worms in Richtung Ludwigshafen befuhr, kündigte er seinem Vater telefonisch an, sich das Leben nehmen zu wollen. Seine Geschwindigkeit von mehr als 140 km/h verringerte er auch dann nicht, als er sich einer Baustelle näherte, obwohl - kurz bevor die von ihm benutzte linke Fahrspur gesperrt und eine trichterförmige Verengung auf die rechte Fahrspur angeordnet war - eine schrittweise Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h auf 50 km/h bestand. Unmittelbar vor der Querabsperrung der linken Fahrspur lenkte er zur Verwirklichung seines Selbsttötungsentschlusses sein Fahrzeug mit unverminderter Geschwindigkeit auf die rechte Fahrspur und rammte den dort mit 50 km/h fahrenden Kleinwagen der Zeugin S. , in dem sich noch zwei weitere Insassen befanden. Durch den Zusammenprall wurde dieses Fahrzeug mehrfach um die Hochachse gedreht und rutschte schließlich 187 m weit diagonal über die Fahrbahnen der Bundesstraße 9. Es kam letztlich auf der rechten Fahrspur der Gegenfahrbahn zu liegen. Der diese Spur befahrende Zeuge H. konnte eine Kollision nur dadurch vermeiden, dass er sein Fahrzeug nach rechts auf die Verzögerungsspur lenkte. Die drei Insassinnen des Kleinwagens erlitten verschiedene, nicht lebensgefährliche Verletzungen und konnten das Krankenhaus nach wenigen Tagen verlassen.
6
Das Fahrzeug des Angeklagten überschlug sich mehrfach und prallte in etwa 107 m Entfernung vom Unfallort gegen eine Baumgruppe.
7
2. Ausgehend von diesem Sachverhalt hat das Landgericht den Angeklagten nur des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (in drei tateinheitlichen Fällen, vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 223 Rdn. 22) für schuldig befunden, nicht dagegen auch eines versuchten Tötungsdelikts. Das Landgericht hat zwar einer Gesamtschau der objektiven und subjektiven Tatumstände entnommen, dass der Angeklagte bei der Tat als möglich vorausgesehen hat, dass die Insassen des von ihm gerammten Fahrzeugs tödliche Verletzungen erleiden könnten; es ist aber zu der Überzeugung gelangt, dass er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut hat, der Tötungserfolg werde nicht eintreten.
8
3. Die dafür vom Landgericht herangezogenen Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
9
a) Die Auffassung des Landgerichts, dem Angeklagten sei lediglich ein Körperverletzungsvorsatz bezüglich der drei Insassen des von ihm gerammten Fahrzeugs nachzuweisen, lässt besorgen, dass es zu hohe Anforderungen an das Vorliegen des voluntativen Vorsatzelements gestellt hat. Zwar ist selbst bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 1992 - 4 StR 308/92 = BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 30 m.w.N. und vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88).
10
Hier hätte der Tatrichter aber insbesondere den Umstand in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte den Unfall zu dem Zweck verursacht hat, seine Selbsttötungsabsicht zu verwirklichen. Von dieser Absicht hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei dadurch überzeugt, dass der Angeklagte kurz vor dem Unfall seinen Vater telefonisch davon unterrichtet und unmittelbar nach dem Unfall dem Zeugen Z. erklärt hat, es habe sich um einen Selbsttötungsversuch gehandelt. Es ging dem Angeklagten demnach darum, einen so heftigen Zusammenstoß beider Fahrzeuge herbeizuführen, dass er diesen nicht überleben würde, obwohl er - wenn auch nicht angeschnallt - in einem kompakten und technisch einwandfreien Fahrzeug der Mittelklasse saß. Deswegen erschließt es sich nicht, warum der Angeklagte ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben sollte, die Insassen des betroffenen Kleinwagens würden im Gegensatz zu ihm den heftigen Zusammenstoß überleben.
11
b) Auch die weiteren Argumente des Landgerichts tragen sein Ergebnis nicht.
12
aa) Aus der Tatsache, dass der Angeklagte im Rahmen früherer, gegenüber der Zeugin Se geäußerter Selbsttötungsfantasien, bei denen es ebenfalls um die Herbeiführung eines Unfalls mit einem anderen Fahrzeug ging, mehrfach betont hat, keinen anderen mit in den Tod nehmen zu wollen, kann kein tragfähiger Schluss auf die innere Tatseite zum Zeitpunkt der vorliegenden Tat gezogen werden. Wie der psychiatrische Sachverständige - nach Ansicht des Landgerichts überzeugend - ausgeführt hat, hat der Angeklagte damals keine ernsthaften Suizidabsichten gehegt, sondern die Äußerungen lediglich in noch jugendtypischer Manier eingesetzt, um seinen Willen durchzusetzen.
13
bb) Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die in dem gerammten Fahrzeug befindlichen Personen aus der Sicht des Angeklagten durch Karosserie , Kopfstützen und Sicherheitsgurte wenigstens rudimentär vor dem Erleiden tödlicher Verletzungen geschützt gewesen seien, entbehrt dies schon angesichts der eingehaltenen Geschwindigkeit und der Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge jeder Grundlage.
14
cc) Das Landgericht kann sich für die Ablehnung des bedingten Tötungsvorsatzes auch nicht auf die von ihm zitierten Senatsentscheidungen (Beschlüsse vom 23. Juni 1983 - 4 StR 293/83 = NStZ 1984, 19 und vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88 f.) stützen. Beide Entscheidungen betreffen ersichtlich Fallgestaltungen, die mit dem vorliegenden Tatgeschehen nicht vergleichbar sind.
15
4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 2. Die teilweise Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
16
Wegen des inneren Zusammenhangs mit der Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe kann auch die gemäß §§ 69, 69 a StGB angeordnete, für sich genommen nicht zu beanstandende Maßregel nicht bestehen bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88, 89).
17
5. Sollte der neu entscheidende Tatrichter zur Bejahung des (bedingten) Tötungsvorsatzes kommen, wird er zu prüfen haben, ob der Angeklagte mit einem gemeingefährlichen Mittel im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat. Auch wenn sich der unmittelbare Angriff in erster Linie gegen die Insassen des Kleinwagens richtete, schließt das die Annahme, der Angeklagte habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht aus. Nach den Feststellungen liegt es vielmehr nahe, dass infolge des durch den Aufprall unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - etwa die Fahrer oder Beifahrer anderer Fahrzeuge oder die auf der Baustelle tätigen Bauarbeiter - tödliche Verletzungen hätten erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - 4 StR 450/09).

II.


18
Revision des Angeklagten
19
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
20
Die Verurteilung wegen tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung begangener vollendeter Freiheitsberaubung im Fall 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
21
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verbrachte der Angeklagte die Zeugin Se nach minutenlangem Gerangel mit Gewalt, unter anderem unter Einsatz eines Cuttermessers, und gegen ihren Willen in seinen Pkw, weil er eine Beendigung ihres Treffens verhindern wollte. Der Zeugin gelang es jedoch, unmittelbar danach - noch während der Angeklagte zur Fahrertür "hastete" - aus dem Fahrzeug zu fliehen.
22
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen vollendeter Freiheitsberaubung nicht. Allerdings setzt der Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB keine bestimmte Dauer der Entziehung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit voraus; es reicht vielmehr grundsätzlich auch eine nur vorübergehende Einschränkung aus (vgl. BGHSt 14, 314, 315). Jedoch erfüllt eine - wie hier - zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit den Tatbestand nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2002 - 4 StR 432/02 = NStZ 2003, 371 und vom 21. Januar 2003 - 4 StR 414/02 = NStZ-RR 2003, 168). Der Angeklagte hat sich daher nur der versuchten Freiheitsberaubung schuldig gemacht.
23
Der Senat ändert, da in der erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
24
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der im Fall 1 erkannten Einzelstrafe, da das Landgericht bei deren Bemessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass dieser tateinheitlich zu der versuchten gefährlichen Körperverletzung eine vollendete Freiheitsberaubung begangen habe. Die Aufhebung dieser Einzelstrafe entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.
25
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
26
Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 - beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht Telefonverbindungsdaten aus einer auf § 100 g Abs. 1 Satz 1 StPO beruhenden Vorratsdatenspeicherung verwendet, fehlt es bereits an einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge.

III.


27
Da sich das Verfahren nunmehr ausschließlich auf Straftaten bezieht, die der Angeklagte als Erwachsener begangen hat, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke
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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt
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published on 14/01/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 450/09 vom 14. Januar 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2010, an der teilgenommen haben:
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 414/02 vom 21. Januar 2003 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Januar 2003 gemäß §
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published on 22/03/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 558/11 vom 22. März 2012 in der Strafsache gegen BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ StGB §§ 15, 211, 212 Zur "Hemmschwellentheorie" bei
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Annotations

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.