Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2011 - 4 StR 566/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen (Fälle II. 2 bis 4 der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung (Vergewaltigung) und mit Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten ist hinsichtlich der Fälle II. 2 bis 4 der Urteilsgründe unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Aber auch die Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 2
- 1. Das Landgericht hat im Fall II. 1 der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen: An einem Tag im Jahr 2007 versetzte der Lebensgefährte der Angeklagten, der gesondert Verfolgte K., ihr in Gegenwart ihrer zehnjährigen Tochter Saskia mehrere Schläge. Während er die Angeklagte schlug, forderte K. Saskia auf, sich zu entkleiden. Unter dem Eindruck der Misshandlungen entkleidete sie sich vollständig. K. warf Saskia sodann auf die Couch und zog sich selbst die Hose aus. Der Angeklagten war in diesem Moment bewusst, dass K. im Begriff war, Saskia zu deflorieren. Saskia weinte, schrie und wehrte sich durch Strampeln mit ihren Armen und Beinen. Die Angeklagte legte sich nun neben ihre Tochter auf die Couch, umschloss sie mit ihren Armen und hielt sie fest. Sie wollte ihrer Tochter dadurch Trost spenden, nahm aber billigend in Kauf, dass sie die Abwehrmöglichkeiten von Saskia gegen K. verringerte und das Mädchen dessen Zugriff Preis gab. K., der Saskias Alter kannte, vollzog dann einige Minuten lang den vaginalen Ge schlechtsverkehr, während die Angeklagte Saskia festhielt und ihre Gegenwehr einschränkte.
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- 2. Bei der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich der Tat II. 1 im Wesentlichen ausgeführt: Die Angeklagte habe sich in diesem Fall der Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach §§ 176a Abs. 2 Nr. 1, 27 StGB schuldig gemacht. Sie habe einen objektiv wesentlichen Beitrag zum Taterfolg geleistet, denn K. wäre es ansonsten nicht ohne Weiteres möglich gewesen, mit seinem Geschlechtsteil in die Geschädigte einzudringen. Für eine Mittäterschaft fehle es aber an einem eigenen Wollen bzw. am Willen zur Tatherrschaft. Auch habe sich die Angeklagte nicht der Beihilfe zur sexuellen Nötigung schuldig gemacht. K. habe schon den objektiven Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nicht verwirklicht. Er habe Saskia weder geschlagen noch gedroht oder sonst körperlichen Zwang ausgeübt. Das Festhalten der Geschädigten durch die Angeklagte könne ihm aufgrund der nicht vorhandenen Mittäterschaft nicht zugerechnet werden. Desgleichen habe K. durch den nicht einverständlichen Geschlechtsverkehr nicht den objektiven Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht, auch wenn die Geschädigte dabei Schmerzen erlitten habe.
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- Die versehentlich im Fall 1 ausgeurteilte Beihilfe zur sexuellen Nötigung (Vergewaltigung) in Tateinheit mit Körperverletzung habe sich bei der Strafzumessung nicht strafschärfend ausgewirkt.
II.
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- Die Feststellungen des Landgerichts im Fall II. 1 der Urteilsgründe tragen die Verurteilung wegen einer Beihilfe zu den tateinheitlich begangenen Delikten des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, der Vergewaltigung und der Körperverletzung. Die rechtsirrigen Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung nötigen daher nicht zur Aufhebung der Verurteilung in diesem Fall. Da der Tenor des angefochtenen Urteils missverständlich formuliert ist, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert.
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- 1. Das mit nicht ganz unerheblicher Krafteinwirkung verbundene Festhalten des Opfers ist ebenso wie die Überwindung von geringfügiger Gegenwehr als Gewalt zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42 mwN); ausreichend sein kann je nach den Umständen des Falles auch das Packen an der Hand, das auf das Bett Stoßen oder das sich auf das Opfer Legen bzw. der Einsatz überlegener Körperkraft (BGH aaO). Nach den Urteilsfeststellungen hat hier bereits K. selbst Gewalt angewendet , indem er Saskia auf die Couch geworfen hat. Die Feststellungen belegen weiter, dass sich Saskia schon vor dem Eingreifen der Angeklagten durch Strampeln mit Armen und Beinen gegen K. gewehrt hat. Aber auch das Festhalten durch die Angeklagte muss sich K. zurechnen lassen. Angesichts der Umstände ist auszuschließen, dass er sich der Ursächlichkeit der Handlung der Angeklagten für die Überwindung des Widerstands von Saskia nicht bewusst gewesen sein könnte. Ein mittäterschaftliches Handeln des Nötigenden ist für die Zurechnung der Nötigungshandlung bei dem die sexuellen Handlungen ausübenden Täter weder bei § 177 Abs. 1 noch bei § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. § 177 Rn. 17).
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- 2. Die im Vollzug des Geschlechtsverkehrs selbst liegende Körperverletzung des Opfers (üble und unangemessene Behandlung) mag zwar als notwendige , jedenfalls regelmäßige Erscheinungsform der Vergewaltigung in dieser aufgehen. Sonstige Verletzungen, die der Täter dem Opfer beibringt, z. B. durch Schläge, rohe Griffe, Defloration, oder Folgen der Tat (Schockwirkung) fallen aber nicht unter die Gesetzeseinheit, denn sie sind kein Merkmal, das der Tatbestand des § 177 StGB begrifflich in sich schließt (BGH, Urteil vom 2. Juli 1963 - 1 StR 156/63, NJW 1963, 1683). Der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB ist hier jedenfalls durch die in den Urteilsgründen festgestellte Defloration Saskias erfüllt.
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- 3. Angesichts dessen ist auch die Strafzumessung im Fall II. 1 der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder - 3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.