Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Erster Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt – jeweils nur in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zwei Mobiltelefone als Tatmittel eingezogen. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte , mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- 1. Kurz vor dem 11. März 2017 bestellte der bereits einschlägig vorbestrafte Angeklagte – etwa sechs Monate nach seiner Entlassung aus der Strafhaft – bei dem gesondert verfolgten O. in A. die Lieferung von Kokain. Am 11. März 2017 holte er diesen und eine Kurierin, die rund 200 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von wenigstens 20 % versteckt in ihrer Scheide in das Bundesgebiet eingeschmuggelt hatte, in S. ab. Man fuhr zur Wohnung des Angeklagten; dort wurde ihm das Rauschgift für den gewinnbringenden Weiterverkauf übergeben. Anschließend sorgte er für die Rückkehr der beiden Personen nach A. .
- 3
- Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer die Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt und den sich aus § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ergebenden Strafrahmen zugrunde gelegt. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat sie zugunsten des Angeklagten die nicht auszuschließende geringe Qualität des Kokains sowie die erlittene Untersuchungshaft berücksichtigt, zu seinen Lasten, dass er mehrfach einschlägig vorbestraft ist.
- 4
- 2. Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320), weil die Strafkammer bei ihrer Bemessung zugunsten des Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft von rund neun Monaten strafmildernd berücksichtigt hat, ohne hierfür eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Begründung zu geben.
- 5
- Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 12. April 2018 – 4 StR 336/17; vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13 Rn. 9; vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31; vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 18, insoweit in BGHSt 59, 28 ff. nicht abgedruckt; vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerenden Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer nicht festgestellt.
- 6
- Der Strafausspruch beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafhöhe zugunsten des Angeklagten durch die strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft beeinflusst worden ist.
Bender Quentin
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Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.