Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2011 - 3 StR 41/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der besonders schweren Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Nebenklägerin das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
I.
- 2
- 1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 9. November 2009 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, die Nebenklägerin - seine ehemalige Lebensgefährtin - mit einem Messer an Leib und Leben bedroht und dadurch zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben (§ 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 StGB). Dieser habe am 7. August 2008 gegen 15.00 Uhr der Geschädigten in deren Wohnung aufgelauert und von ihr unter Vorhalt eines Messers verlangt, die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Nachdem die Frau aus Angst dies versprochen hatte , habe der Angeklagte von ihr die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gefordert. Als die Nebenklägerin sich geweigert habe, habe er ihr das Messer an den Hals gehalten und sie in das Schlafzimmer gezerrt, wo er gegen den Willen der Frau den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt habe.
- 3
- 2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, die Nebenklägerin habe ihn immer wieder gedrängt, sich scheiden zu lassen und den Kontakt zu seiner Familie abzubrechen. Sie hätten sich häufig gestritten, sich getrennt und dann wieder versöhnt. Es sei immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen, wenn er sie besucht habe, um die gemeinsame Tochter zu sehen. Die Nebenklägerin habe mehrfach gedroht, sie würde ihn anzeigen und ins Gefängnis bringen, wenn er nicht mache, was sie von ihm verlange. Am 7. August 2008 habe er sich in der Wohnung der Zeugin I. aufgehalten. Diese habe von ihm verlangt, ein Treffen, das er mit seiner damaligen Freundin vereinbart hatte, abzusagen. Als sie später zur Arbeit gegangen sei, sei er auf ihre Bitte hin in der Wohnung geblieben, um auf den Hund aufzupassen. In dieser Zeit habe sie bei der Polizei Anzeige gegen ihn erstattet.
- 4
- 3. In den Urteilsgründen hat die Strafkammer nach der Wiedergabe des Tatvorwurfs und der Einlassung des Angeklagten die Bekundungen der Nebenklägerin zur Tatvorgeschichte sowie zum Tatgeschehen, die den Angeklagten im Sinne der Anklage belasten, und die Aussagen weiterer Zeugen dargestellt. Anschließend hat das Landgericht die Beweise gewürdigt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem Angeklagten die ihm zur Last gelegte Tat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen , jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Sicherheit nachzuweisen. In der vorliegenden Konstellation "Einlassung gegen Aussage" habe sie - die Strafkammer - Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin nicht überwinden können, auch wenn die Sachverständige in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sei, aus aussagepsychologischer Sicht sei es das Wahrscheinlichste, dass deren Angaben auf einem realen Erlebnis beruhten. Denn die Geschädigte habe zu wesentlichen Details des Tatgeschehens - zu dem Zeitpunkt, ab dem der Angeklagte das Messer in der Hand gehalten habe sowie zum Verbleib des Messers während des Tatgeschehens - und zur Vorgeschichte der Tat, nämlich dem gemeinsamen Besuch des Schwimmbades "Blaue Lagune", nicht konstant ausgesagt und insoweit falsche Angaben gemacht, als sie in Abrede gestellt habe, vor der Tat von sich aus immer wieder den Kontakt zum Angeklagten gesucht zu haben. Außerhalb der Aussage der Nebenklägerin gebe es keine Indizien, welche für die Richtigkeit ihrer Angaben sprächen.
II.
- 5
- Der Freispruch unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil die Ausführungen des Landgerichts nicht den Anforderungen gerecht werden, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
- 6
- 1. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat der Tatrichter in der Regel nach dem Tatvorwurf und der Einlassung des Angeklagten zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7). Hierauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, wenn Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen überhaupt nicht möglich waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 - 1 StR 405/96, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12) oder bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen die Urteilsgründe ohne Feststellungen zum objektiven Sachverhalt ihrer Aufgabe gerecht werden , dem Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14).
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- 2. Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt.
- 8
- Eine geschlossene Darstellung derjenigen Tatsachen, die das Landgericht zur Tatvorgeschichte, zur Tatnachgeschichte und vor allem zum objektiven Tatgeschehen für erwiesen hält, fehlt völlig. Dass solche Feststellungen überhaupt nicht möglich waren, ist eher fernliegend und ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. In dem angefochtenen Urteil schließt sich nach der Mitteilung des Anklagevorwurfs und der Zeugenaussagen unmittelbar die Beweiswürdigung an.
- 9
- Es bleibt daher schon offen, von welcher Tatvorgeschichte, welche der Angeklagte und die Nebenklägerin in entscheidenden Punkten unterschiedlich schilderten, das Landgericht ausgeht. Insbesondere bleibt unklar, wie sich nach seiner Überzeugung die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin tatsächlich gestaltete und ob sie - wie der Angeklagte in seiner Einlassung behauptet hat - trotz der Trennung weiterhin regelmäßig geschlechtlich miteinander verkehrten. Auch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob die Strafkammer der Aussage der Nebenklägerin geglaubt hat, der Angeklagte habe ihr die Zähne ausgeschlagen, sie habe wegen dessen wiederholten aggressiven Verhaltens mehrmals bei der Staatsanwaltschaft Duisburg vorgesprochen.
- 10
- Vor allem fehlen objektive Feststellungen zum Ablauf des Tattages. Das Landgericht teilt nicht mit, ob nach seiner Überzeugung der Angeklagte von der Nebenklägerin freiwillig in die Wohnung gelassen wurde oder er sich gegen deren Willen Zugang verschaffte. Die Urteilsgründe lassen insbesondere offen, ob es am Tattag zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen kam und nur die Frage der Freiwilligkeit ungeklärt ist.
- 11
- Die Strafkammer gibt auch nicht an, von welchen Feststellungen zum Tatnachgeschehen sie ausgeht. So befassen sich die Urteilsgründe nicht mit dem Ergebnis der Untersuchung, die nach der Aussage der Nebenklägerin am Tattag im Krankenhaus O. durchgeführt worden sein soll. Einerseits will die Geschädigte nach der Tat keinen Kontakt mehr zu dem Angeklagten gehabt haben, andererseits soll dieser - wie sie in einem Hilfsbeweisantrag behauptete - gegen ihren Willen mehrfach zu ihr gekommen sein.
- 12
- Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer Mayer
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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.