Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2011 - 2 StR 639/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen „gewerbsmäßigen“ unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt sowie den Verfall eines Geldbetrages von 4.000 Euro angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge und eine Verfahrensbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte sich der Mitangeklagte E. dazu entschlossen, aus den Niederlanden Betäubungsmittel zu beziehen und diese mit Gewinn zu verkaufen. Der Mitangeklagte S. und der Angeklagte W. fassten in der Folgezeit ebenfalls den Entschluss , fortlaufend mit Betäubungsmitteln, die sie von E. erwerben wollten, Handel zu treiben. In der Zeit von September 2009 bis zum 8. Januar 2010 erwarb der Angeklagte W. wöchentlich, mindestens aber bei 16 Gelegenheiten, jeweils 100 Gramm Amphetamin und 25 Gramm Marihuana , die er weiter verkaufte (Fälle 30 - 50 der Urteilsgründe). Am 7., 18. und 28. Dezember 2009 bestellte er bei dem Mitangeklagten S. jeweils 50 Gramm Marihuana, die ihm zeitnah geliefert wurden. Bei der ersten dieser Taten wurde zusätzlich mit 50 Gramm Amphetamin Handel getrieben (Fälle 52 -54 der Urteilsgründe). Am 6. Januar 2010 bestellte der Angeklagte W. bei S. ein Kilogramm Amphetamin. Dieser konnte nur 500 Gramm beschaffen , die er am 13. Januar 2010 an den Angeklagten W. übergab (Fall 62 der Urteilsgründe). In der Zwischenzeit hatte der Mitangeklagte E. am 8. Januar 2010 in den Niederlanden 954 Gramm Amphetamin und zwei Kilogramm Streckmittel erworben und eingeführt. Dieses Geschäft wurde von den Angeklagten W. und S. vorfinanziert, für die das Rauschgift bestimmt war. Da der Angeklagte W. nur 100 Euro Bargeld zur Verfügung hatte, half ihm S. mit 1.250 Euro aus (Fall 64 der Urteilsgründe ).
- 3
- Zur Beweislage teilt das Urteil Folgendes mit: Die Fälle 52 - 54 habe der Angeklagte W. eingeräumt, soweit es den Bezug von Marihuana betrifft. Zur zusätzlichen Lieferung von 50 Gramm Amphetamin habe er sich nicht geäußert. Insoweit ist das Landgericht der Aussage des Mitangeklagten S.
- 4
- Rechtlich hat das Landgericht die Taten des Angeklagten W. in den Fällen 35 - 50 und 52 - 54 der Urteilsgründe in der Urteilsformel als „gewerbsmäßiges“ unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bezeichnet, wozu es in den Urteilsgründen die Erfüllung des gesetzlichen Regelbeispiels bejaht, allerdings das Vorliegen eines besonders schweren Falles des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verneint hat. In den Fällen 62 und 64 der Urteilsgründe hat es die Taten jeweils als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet. Den Umfang der Verfallsanordnung hat die Strafkammer auf die Annahme gestützt, der Gesamterlös des Drogenhandels bei dem Angeklagten W. sei zweifellos größer gewesen als der für verfallen erklärte Betrag. Unter Berücksichtigung der Härtevorschrift des § 73c StGB seien aber bei den Angeklagten W. und S. jeweils 4.000 Euro, bei dem Mitangeklagten E. 15.000 Euro für verfallen zu erklären. Eine weitere Reduzierung würde eine unangemessene Schonung bedeuten.
II.
- 5
- Die Revision des Angeklagten W. ist überwiegend unbegründet.
- 6
- 1. Die Verfahrensrüge ist unzulässig.
- 7
- Ihr liegt Folgendes zu Grunde: Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages gab der Verteidiger des Angeklagten W. für diesen eine Einlassung ab. Nachdem eine Zeugin vernommen wurde, bestätigte der Angeklagte W. die Richtigkeit der Angaben seines Verteidigers und äußerte sich ergänzend. Der Verteidiger bat um eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Anbringung eines Ablehnungsgesuchs gegen den Vorsitzenden. Dieser verwies den Verteidiger darauf, dass er ohne Rechtsverlust dazu am Ende des Verhandlungstages Gelegenheit erhalte. Es folgten weitere Beweiserhebungen. Schließlich stellte der Verteidiger das Ablehnungsgesuch, wonach der Vorsitzende während der Vernehmung des Angeklagten W. geäußert hatte: „Ihre Aussage stimmt nicht.“ „Was Sie sagen, ist nicht richtig.“ „Alles Quark“ und „Schrott“. Die Abgabe der Äußerungen hat der abgelehnte Richter bestätigt und dazu dienstlich erklärt, durch seine offenen Worte habe er dem Angeklagten W. Gelegenheit gegeben, „eine offensichtlich falsche Darstellung zu korrigieren oder eine zunächst einmal wenig plausible Erklärung zu erläutern“. Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.
- 8
- Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge genügt nicht den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, durch den das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden ist, stellt einen Teil der Revision dar. Sie muss deshalb in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet werden (vgl. BGHSt 21, 334, 340). Der Zulässigkeit der Rüge steht es deshalb entgegen, dass der Beschwerdeführer den jeweiligen Zusammenhang der beanstandeten Äußerungen des abgelehnten Vorsitzenden mit bestimmten Einzelheiten seiner Einlassung in der Hauptverhandlung nicht erläutert hat. Nur im Zusammenhang mit dem konkreten Anlass der Äußerungen des Vorsitzenden kann beurteilt werden, ob sich daraus ein vernünftiger Grund für die Besorgnis der Befangenheit ergibt (vgl. BGH NStZ 2000, 325 f.).
- 9
- 2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Auch seine rechtliche Würdigung zum Schuld- und Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei. Nur die Verurteilung des Angeklagten wegen „gewerbsmäßig“ begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln muss im Urteilstenor entfallen, weil das Regelbeispiel dort nicht zu nennen ist (vgl. BGH, Beschl. vom 25. Januar 2011 - 4 StR 690/10). Dies gilt erst recht, wenn seine Regelwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falles verneint wird.
- 10
- 3. Die Begründung des Wertersatzverfalls begegnet rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der Verfallsanordnung sind in den Urteilsgründen so darzulegen, dass die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfbar ist. Die Strafkammer hätte daher zunächst angeben müssen, von welchem für eine Verfallsanordnung in Betracht kommenden Vermögenswert sie ausgeht. Die Mitteilung, dass der Gewinn höher als der festgelegte Verfallsbetrag gewesen sei, genügt nicht. Nur auf der Grundlage einer nach konkreten Feststellungen verfallbaren Summe ist die weitere Prüfung möglich, ob und in welchem Umfang die Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre (vgl. Senat, NJW 1994, 1357).
- 11
- Die deshalb gebotene Aufhebung der Verfallsanordnung ist gemäß § 357 StPO auf die Mitangeklagten zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 344/05). Ihr liegt ein Wertungsfehler zu Grunde, der alle Angeklagten in gleicher Weise betrifft.
moreResultsText
Annotations
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.