Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2000 - 1 StR 56/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten, die das Urteil - ausgenommen die Feststellungen zum Tatgeschehen - mit der Sachrüge angreift, hat teilweise Erfolg. 1. Die Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Gefährlichkeitsprognose setzt zwar grundsätzlich eine Gesamtwürdigung der Person und des Vorlebens des Beschuldigten, insbesondere seiner bisherigen Straftaten voraus (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12). Insoweit weist das angefochtene Urteil Mängel auf, worauf der Ge-neralbundesanwalt zutreffend hinweist; allerdings betrafen die wegen Schuldunfähigkeit eingestellten Vorverfahren, soweit das dem landgerichtlichen Urteil überhaupt zu entnehmen ist, nur geringfügige Gesetzesverletzungen, die für die Frage einer Unterbringung ohne Bedeutung gewesen wären. Folgerichtig hat das Landgericht daher nur die Anlaßtat des vorliegenden Verfahrens zur Grundlage seiner Prognoseentscheidung in bezug auf die zukünftige Gefährlichkeit des Beschuldigten gemacht; dagegen sind grundsätzlich rechtliche Einwände nicht zu erheben (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12). Insoweit hat das Landgericht in dem fortbestehenden Wahn des Beschuldigten ein eindeutiges Indiz dafür gesehen, daß ohne eine weitere effektive Behandlung jederzeit wieder mit erheblichen Straftaten des Beschuldigten zu rechnen ist. Damit ist das Landgericht zunächst von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen; die bloße Möglichkeit, daß von dem Beschuldigten in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien, worauf die psychiatrische Sachverständige abgehoben hat, wäre nicht ausreichend gewesen (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26). In tatsächlicher Hinsicht ist die Erwartung künftiger erheblicher Straftaten ausreichend belegt. Nach dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen liegt beim Beschuldigten eine sich zunehmend chronifizierende paranoid-halluzinatorische Schizophrenie vor, die zu einem derart ausgeprägten Wahnsystem geführt hat, daß der Beschuldigte den Wahn als Realität erlebt und demgemäß auch Erlebnisse in diesem Wahnsystem interpretiert. Kern dieses Wahnsystems ist, daß in demHaus A. straße in L. , wo der Beschuldigte wohnt, Raub, Raubmord und Kindsmord durch Mitbewohner an der Tagesordnung seien und dort auch seine leibliche Tochter festgehalten werde.
Demgemäß hat der Beschuldigte auch der Sachverständigen berichtet, er sei mit seinem Angriff lediglich einem jungen Mädchen zu Hilfe gekommen, das gefangen gehalten, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden sei; er habe den Hilferuf des Mädchens gehört, und es sei auch geschossen worden, so daß er den später Geschädigten aufgefordert habe, seine Waffe abzugeben. Bei einem derart konkret ausgeprägten, mit anhaltenden akustischen Halluzinationen verbundenen Wahnsystem, das den Beschuldigten unter einen ständigen Handlungsdruck setzt, ist daher die Gefahr sich daraus entwickelnder Straftaten zutreffend bejaht worden; es kann nicht entscheidend darauf ankommen, daß es in der Vergangenheit zu wesentlichen Straftaten trotz der bereits seit 1974 bestehenden Erkrankung noch nicht gekommen ist. Die infolge des bestehenden Wahnsystems zu erwartenden vergleichbaren Taten wären auch erheblich. Das Tatopfer erlitt durch den Angriff des Beschuldigten eine Schulterprellung, ein HWS-Schleudertrauma, eine Schädelprellung sowie Kontusionen des linken Jochbeins und der linken Orbita. Auf Grund der Verletzungen war eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus erforderlich; der Verletzte mußte eine Schanzsche-Krawatte tragen und sich schließlich zur weiteren Behandlung für zweieinhalb Monate in eine Rehabilitationsklinik begeben. Sowohl diese Tat wie zu erwartende vergleichbare Taten sind vom Landgericht daher zu Recht als erheblich eingestuft worden. 2. Die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB hat das Landgericht wegen fehlender Therapiemotivation abgelehnt. Der Beschuldigte habe sich bisher geweigert, sich die erforderlichen Medikamente verabreichen zu lassen; soweit er in der Hauptverhandlung eingelenkt habe, bestünden an der Ernsthaftigkeit des Anerbietens erhebliche Zweifel. Diese
Erwägungen tragen die Ablehnung der Aussetzung nicht. Nach den Feststellungen war der Beschuldigte zum Zeitpunkt, als das landgerichtliche Urteil erging , aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Landshut gemäß dem Bayerischen Unterbringungsgesetz seit 7. Mai 1999 stationär im Bezirkskrankenhaus Landshut untergebracht. Das Urteil macht keine Ausführungen dazu, welchen Erfolg die dortige Therapie hatte, für welchen Zeitraum sie vorgesehen war und welche Folgerungen hieraus für die Beantwortung der Frage zu ziehen sind, ob die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 5). Eine anderweitige Unterbringung kann ein besonderer Umstand im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 StGB sein (BGHSt 34, 313, 316; BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 3). Daneben wäre auch die Möglichkeit einer Betreuung außerhalb einer stationären Unterbringung zu
erörtern gewesen. So könnte die Möglichkeit bestehen, daß sein Betreuer den Beschuldigten mit gerichtlicher Genehmigung in einem Heim oder einer Einrichtung betreuten Wohnens unterbringt, wo auch die regelmäßige Einnahme der erforderlichen Medikamente gewährleistet wird. Maul Granderath Wahl Boetticher Schluckebier
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.