Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2019 - XII ZR 101/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Beklagten unter anderem verurteilt, die von ihm aufgrund eines zwischenzeitlich ordentlich gekündigten Mietvertrags in Besitz gehaltenen Geschäftsräume zum Betrieb einer Apotheke zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat, nachdem es durch Teilurteil ausgesprochen hatte, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 € abwenden kann, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision hat es nicht zugelassen.
- 2
- Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts in Verbindung mit der Räumungs- und Herausgabeverpflichtung aus dem Urteil des Landgerichts einstweilen einzustellen.
- 3
- Am 26. September 2019 ist die Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt.
II.
- 4
- Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet.
- 5
- Wird Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht gemäß §§ 544 Abs. 5 Satz 2, 719 Abs. 2 ZPO auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
- 6
- 1. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass die Verpflichtung zur Räumung für sich gesehen keinen "nicht zu ersetzenden Nachteil" im Sinne des § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO darstellt, auch wenn die Vollstreckung das Prozessergebnis vorwegnimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. September 2017 - XII ZR 76/17 - NJW-RR 2017, 1355 Rn. 5 mwN).
- 7
- 2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich ein über die Vorwegnahme des Prozessergebnisses hinausgehender nicht zu ersetzender Nachteil vorliegend auch nicht dadurch, dass dem Beklagten durch die Räumung die Geschäftsräume zum Betrieb seiner Apotheke entzogen würden. Der Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm seit Zugang der ordentlichen Kündigung am 29. Juni 2017 nicht möglich gewesen sein sollte, in Leipzig Ersatzräume zum Betrieb der Apotheke zu finden. Im Übrigen ist im Mietvertrag vom 12. Oktober 2000 ausdrücklich geregelt, dass das Mietverhältnis,das sich nach Ablauf einer Befristung von 10 Jahren ohne Kündigung jeweils um ein Jahr verlängert, unter Einhaltung der vertraglich näher bestimmten Kündigungsfrist jederzeit ordentlich gekündigt werden kann.
- 8
- 3. Der Einstellung der Zwangsvollstreckung mit oder ohne Sicherheitsleistung steht zudem ein überwiegendes Interesse der Klägerin entgegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass beide Tatsacheninstanzen zu ihren Gunsten entschieden haben. Zudem wurde die Klägerin, die ihrerseits nur Hauptmieterin des Anwesens ist, in dem sich auch die vom Beklagten angemietete Ladeneinheit befindet, durch weiteres Urteil des Landgerichts auf Antrag des Hauptvermieters (neben dem Beklagten) zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Geschäftsräume verpflichtet.
- 9
- 4. Schließlich kommt eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch deshalb nicht in Betracht, weil die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 18.04.2019 - 4 O 2363/18 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 01.08.2019 - 5 U 1065/19 -
moreResultsText
Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.
(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.