Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2012 - XII ZB 660/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung ihrer Betreuung sowie namentlich die Befreiung von der Betreuervergütung.
- 2
- Mit Beschluss vom 4. September 2008 bestellte das Amtsgericht der Antragstellerin einen Betreuer. Auf ihren "Widerspruch" hin hob das Amtsgericht die Betreuung mit Beschluss vom 9. Oktober 2008 auf. Mit weiterem Beschluss vom 2. Dezember 2008 setzte das Amtsgericht eine von der Antragstellerin zu zahlende Betreuervergütung von 387,20 € fest. Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos.
- 3
- Am 17. Juni 2010 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht beantragt, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Betreuung festzustellen, der Staatskasse die Kosten der Betreuervergütung in Höhe von 387,20 € aufzuerlegen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu erstatten.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
- 6
- 1. Auf das vorliegende Verfahren ist das zum 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anzuwenden.
- 7
- Das Verfahren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Betreuung ist von der Antragstellerin am 17. Juni 2010 eingeleitet worden.
- 8
- Das diesem Antrag zugrunde liegende, seit Juni 2008 anhängige Verfahren war bereits durch den Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts vom 9. Oktober 2008 abgeschlossen. Zwar ist ein Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG nicht nur das Verfahren bis zum Abschluss einer Instanz. Vielmehr bezeichnet der Begriff die gesamte, bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel auch mehrere Instanzen umfassende gerichtliche Tätigkeit in einer Sache (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10). Der Feststellungsantrag ist von der Antragstellerin jedoch nicht im Rechtsmittelverfahren, sondern isoliert nach Abschluss des Betreuungsverfahrens gestellt worden.
- 9
- 2. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
- 10
- a) Nach Auffassung des Landgerichts ist die Beschwerde unzulässig. Dem Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit mangele es am Rechtsschutzbedürfnis, damit auch der Beschwerde. Es könne dahinstehen, ob das Rechtsmittel bereits deshalb unzulässig sei, weil die Betreuerbestellung auf den "Widerspruch" der vormals Betroffenen vom Amtsgericht aufgehoben worden sei und die Betreuungsmaßnahme damit ihre Erledigung gefundenhabe. Jedenfalls sei die Unzulässigkeit (richtig Zulässigkeit) der Beschwerde wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses auch unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4 GG zu verneinen.
- 11
- b) Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
- 12
- aa) Allerdings hätte das Landgericht die Beschwerde nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses verwerfen dürfen. Die Antragstellerin wollte vielmehr im Rahmen der Beschwerde die Auffassung des Amtsgerichts, dass sie kein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuung habe, vom Beschwerdegericht überprüfen lassen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis ergab sich mithin aus der Beschwer durch die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts.
- 13
- bb) Dies führt indes nicht zum Erfolg der Rechtsbeschwerde, weil die Beschwerde nach den vom Beschwerdegericht getroffenen und im Übrigen unstreitigen Feststellungen in der Sache unbegründet ist.
- 14
- Die von der Antragstellerin begehrte isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung ist nicht statthaft.
- 15
- (1) In dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat der Gesetzgeber mit § 62 - erstmals für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - die Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache geregelt. Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht nach § 62 Abs. 1 FamFG auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Aus dieser Regelung folgt, dass die Frage der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme im Beschwerdeverfahren und damit in dem bereits anhängigen Verfahren zu klären ist (vgl. BGH Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 116/10 - FGPrax 2011, 143 Rn. 6). Ein isoliertes Feststellungsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht steht insoweit nicht zur Verfügung; die Feststellung muss im Beschwerderechtszug erfolgen (Johannsen/Henrich/Althammer Familienrecht 5. Aufl. § 62 FamFG Rn. 1 und Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 62 Rn. 4 jeweils mwN).
- 16
- (2) Danach ist der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung nicht statthaft. Die Antragstellerin hat diesen Antrag am 17. Juni 2010, also mehr als 1 1/2 Jahre nach Beendigung des Betreuungsverfahrens im Oktober 2008 gestellt.
- 17
- Der Einwand der Antragstellerin, ihr sei es in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen, die Rechtswidrigkeit der Betreuungsanordnung im Rahmen der Beschwerde feststellen zu lassen, verfängt nicht.
- 18
- Zwar trifft es zu, dass nach dem seinerzeit geltenden Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Anfechtungsmöglichkeit nach Erledigung der Hauptsache nicht geregelt war. Die Rechtsprechung ging gleichwohl davon aus, dass im Einzelfall trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ein Bedürfnis nach einer gerichtlichen Entscheidung fortbestehen kann, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage besonders geschützt ist (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 205 mwN).
- 19
- Es blieb der Antragstellerin mithin unbenommen, ihren als Beschwerde zu qualifizierenden "Widerspruch" nach Erlass des gemäß § 1908 d BGB ergangenen Aufhebungsbeschlusses mit einem Feststellungsantrag zu versehen und dies damit zu begründen, dass die Anordnung der Betreuung ihrer Auffassung nach von Anfang an rechtswidrig gewesen sei.
- 20
- cc) Da bereits die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Betreuungsanordnung ausscheidet, kann auch der darauf beruhende Antrag, der Staatskasse die Kosten der Betreuervergütung aufzuerlegen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen zu erstatten, keinen Erfolg haben.
- 21
- Im Übrigen ließe selbst die Rechtswidrigkeit einer Betreuungsanordnung nach geltendem Recht die Verpflichtung des - bemittelten - Betreuten, den Betreuer zu vergüten, nicht entfallen. Aufgrund einer zwar fehlerhaften, aber gleichwohl wirksamen Bestellung zum Betreuer bleibt dieser bis zur Aufhebung der Bestellung berechtigt und verpflichtet, die in seinem Aufgabenkreis fallenden Geschäfte zu führen (BayObLG FamRZ 1997, 701, 702). Die Vergütungs- ansprüche des berufsmäßigen Betreuers werden durch die Aufhebung der Betreuung nicht berührt. Das gilt unabhängig davon, ob deren Anordnung von Anfang an rechtmäßig war oder nicht (OLG München FamRZ 2008, 2216, 2218 mwN). Dose Vézina Schilling Günter Botur
AG Chemnitz, Entscheidung vom 20.04.2011 - 4 XVII 499/08 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 14.11.2011 - 3 T 278/11 -
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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.
(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.
(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.
(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.