Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2012 - XII ZB 594/11

published on 23/05/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2012 - XII ZB 594/11
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Amtsgericht Köln, 322 F 182/10, 09/06/2011
Oberlandesgericht Köln, 25 UF 170/11, 04/10/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 594/11
vom
23. Mai 2012
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2012 durch die
Richter Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und
Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Oktober 2011 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen. Beschwerdewert: 500 €

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin zu 1 nimmt den Antragsgegner auf nachehelichen Unterhalt , die Antragstellerin zu 2 ihn auf Kindesunterhalt in Anspruch. Das Familiengericht hat den Antragsgegner in erster Stufe verpflichtet, der Antragstellerin zu 1 in näher bezeichnetem Umfang Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

2
Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
3
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Verfahrensgrundrechte verbieten es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 - XII ZB 127/11 - FamRZ 2011, 1929 mwN).
4
2. Das Oberlandesgericht hat die Erstbeschwerde zutreffend nach §§ 68 Abs. 2 Satz 2, 61 Abs. 1 FamFG als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt. Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat das Oberlandesgericht nicht ermessensfehlerhaft zu niedrig festgesetzt.
5
a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes richte sich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für den Antragsgegner mit der Auskunftserteilung und der Vorlage der Belege verbunden sei. Da der Antragsgegner selbst geltend gemacht habe, er habe die geforderte Auskunft für die Jahre 2006 und 2007 bereits erteilt, falle ein Aufwand für diese Tätigkeit nicht mehr an. Im Übrigen sei lediglich die Vorlage bereits erstellter Unterlagen geschuldet. Daher könne der Antragsgegner nicht die Kosten für die Hinzuziehung eines Steuerberaters ansetzen. Der Zeitaufwand für eine eigene Auskunftserteilung sei mit höchstens 17 € je Stunde anzusetzen. Selbst wenn man dem Antragsgegner für die Sichtung und Zusammenstellung der Unterlagen zwei Arbeitstage zubillige, liege der Gesamtaufwand unter dem Beschwerdewert von 600 €.
6
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 16 und vom 23. März 2011 - XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9 mwN).
7
Dabei kann der dem Beschwerdegericht bei seiner Schätzung eingeräumte Ermessensspielraum im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 17; vom 14. Februar 2007 - XII ZB 150/05 - FamRZ 2007, 711 Rn. 9; vom 3. November 2004 - XII ZB 165/00 - FamRZ 2005, 104, 105; BGHZ 155, 127 = FamRZ 2003, 1267, 1268 und vom 24. Juli 2002 - XII ZB 31/02 - FamRZ 2003, 597). Letzteres ist hier nicht der Fall.
8
aa) Das Beschwerdegericht hat im Einzelnen dargelegt, dass die zur Erfüllung der Auskunftspflicht erforderlichen Zusammenstellungen entweder dem Antragsgegner bereits vorliegen oder von ihm mit geringem Aufwand erstellt werden können. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen sind unbegründet. Insbesondere bedarf es zur Erfüllung der Auskunft nicht der Hinzuziehung eines Steuerberaters. Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nämlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen , weil der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 25/05 - FamRZ 2006, 33, 34 und Senatsurteil vom 11. Juli 2001 - XII ZR 14/00 - FamRZ 2002, 666, 667). Davon ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht auszugehen, weil dem Antragsgegner lediglich aufgegeben wurde, bereits vorhandene Unterlagen vorzulegen, und diese um ein geordnetes Bestandsverzeichnis über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ergänzen. Soweit das Vermögen eine Gesellschaftsbeteiligung umfasst, verlangt das Bestandsverzeichnis nur deren Aufnahme als solche unter Beifügung der vorhandenen Jahresabschlüsse. Die Erstellung einer nicht auf das Geschäftsjahresende bezogenen Zwischenbilanz, wie sie etwa für die Berechnung eines Zugewinnausgleichs erforderlich werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009 - XII ZB 146/08 - FamRZ 2009, 594), ist dem Antragsgegner ebenso nicht aufgegeben wie die Erstellung eines gesonderten Bestandsverzeichnisses über das Vermögen der Gesellschaft, an der er beteiligt ist.
9
Den eigenen Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen hat das Oberlandesgericht zutreffend mit maximal 17 € pro Stunde bewertet (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 420/11 - juris Rn. 10; BGH Beschluss vom 28. September 2011 - IV ZR 250/10 - FamRZ 2012, 299 mwN). Dass danach ein Gesamtaufwand von über 600 € entstünde, ist weder ersichtlich noch dargelegt.
10
bb) Ebenso unbegründet ist der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde, der Antragsgegner habe ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse an seinen Einkommensverhältnissen, da der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin zu 1 ohnehin auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen sei (§ 1578 b Abs. 1 BGB), den diese durch eigene Erwerbstätigkeit decken könne. Denn die Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf setzt voraus , dass eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. In die zu treffende Billigkeitsabwägung fließen auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltsschuldners ein, über die deshalb vorab Auskunft zu erteilen ist.
Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 09.06.2011 - 322 F 182/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 04.10.2011 - 25 UF 170/11 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab
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Annotations

(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(2) Die §§ 514, 516 Abs. 3, § 521 Abs. 2, § 524 Abs. 2 Satz 2 und 3, die §§ 527, 528, 538 Abs. 2 und § 539 der Zivilprozessordnung gelten im Beschwerdeverfahren entsprechend. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.

(3) Beabsichtigt das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrensschritten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 abzusehen, hat das Gericht die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen.

(4) Wird die Endentscheidung in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, kann die Begründung auch in die Niederschrift aufgenommen werden.

(5) Für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.