Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 57/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Zugewinnausgleich in Höhe von 36.420,44 € nebst Zinsen zu zahlen und die Widerklage der Beklagten abgewiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am 6. Dezember 2006 zugestellt. Dagegen legte die Beklagte rechtzeitig am 8. Januar 2007 (Montag) Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 7. Februar (nicht: Januar) 2007, der am gleichen Tag eingegangenen ist, beantragte der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten, "die am 08.02.2007 ablaufende Frist zur Begründung der Berufung" um einen Monat zu verlängern. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Begründungsfrist bereits am 6. Februar 2007 (Dienstag) abgelaufen sei und deswegen eine Verlängerung der Frist nicht mehr in Betracht komme, beantragte die Beklagte mit Telefax vom 23. Februar 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Berufung mit einem weiteren Telefax vom selben Tag.
- 2
- Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig , weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich , denn die angefochtene Entscheidung entspricht im Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und erschwert der Beklagten den Zugang zum Berufungsgericht nicht in unzumutbarer Weise.
- 4
- 1. Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldhaft versäumt. Ihr zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter habe bei Mandatserteilung den Ablauf der Begründungsfrist zum 6. Februar 2007 richtig berechnet und seine Anwaltsgehilfin angewiesen , diese Frist und eine einwöchige Vorfrist in den Fristenkalender einzutragen. Die Anwaltsgehilfin habe stattdessen als Fristablauf den 8. Februar 2007 eingetragen, die entsprechende einwöchige Vorfrist nicht beachtet und die Akte erst nach Fristablauf am 7. Februar 2007 vorgelegt.
- 5
- Zur Kenntnis von dem Zustellungsdatum hatte der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Nachfrage des Berufungsgerichts vorgetragen , dass die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte das genaue Zustellungsdatum nicht mitgeteilt, sondern mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 lediglich erklärt habe, eine Berufung sei "bis zum 08.01.2007 möglich". Das Zustellungsdatum (6. Dezember 2006) sei ihm erst in einem Telefongespräch am 13. Dezember 2006 von der Beklagten persönlich genannt worden. Daraufhin sei mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 die Berufung zur Fristwahrung eingelegt worden. Erst am 19. Januar 2007 habe mit der Beklagten eine persönliche Besprechung der Berufungsbegründung stattgefunden.
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- 2. Dieser Vortrag kann ein Verschulden der Beklagten bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ausschließen.
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- Um die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels zu wahren, muss der Prozessbevollmächtigte alles ihm Zumutbare tun und veranlassen. Er hat insbesondere die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist anzuordnen und nach diesen Erledigungsvermerken zu forschen, wenn ihm die Handakte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von solchen Fristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakte, aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Darauf, ob die Vorlage der Handakte wegen der Berufungsbegründungsfrist oder aus Anlass einer anderen fristgebundenen Prozesshandlung erfolgt ist, kommt es nicht an. Denn der Rechtsanwalt muss im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung eigenverantwortlich stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Die Berufungsbegründungsfrist beginnt nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils. Ihr Ablauf steht daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2004 - XII ZB 263/03 - FamRZ 2004, 496). Auch wenn Handakten im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich diese Kontrollpflicht nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist notiert ist; sie erstreckt sich vielmehr auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist (Senatsbeschluss vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f.).
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- 3. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf ein Verschulden des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zurückzuführen, was der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
- 9
- Die Beklagte hat zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs vorgetragen und durch Vorlage einer "eidesstattlichen Erklärung" der Anwaltsgehilfin ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass schon bei der Eintragung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist auf den zutreffenden Ablauf der Begründungsfrist am 6. Februar 2007 hingewiesen worden sei und sich die Anwaltsgehilfin lediglich bei der Umsetzung, nämlich der späteren Eintragung, geirrt habe.
- 10
- Weil dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Zeitpunkt der Zustellung zunächst nicht mitgeteilt worden war und er diesen nach der weiteren Begründung des Wiedereinsetzungsantrags erst telefonisch am 13. Dezember 2006 von der Beklagten persönlich erfahren hat, muss die Eintragung der Frist nach diesem Zeitpunkt, aber noch vor dem 8. Januar 2007 erfolgt sein. Zu diesem Zeitpunkt ist dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Be- klagten, nachdem er Kenntnis von dem genauen Zustellungsdatum erlangt hatte , die Handakte zur Fertigung der Berufungsschrift vom 8. Januar 2007 vorgelegt worden. Spätestens in diesem Zeitpunkt hätte er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die in der Handakte eingetragenen Fristen überprüfen müssen. Er wäre dann auf der Grundlage der schon bekannten Zustellung des angefochtenen Urteils am 6. Dezember 2006 zu dem Fristablauf am 6. Februar 2007 gelangt und hätte den Vermerk auf der Handakte über die (fehlerhafte) Notierung der Begründungsfrist bemerkt. Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diese Prüfung versäumt hat, ergibt sich auch aus seinem Verlängerungsantrag vom 7. Februar 2007, in dem er ausdrücklich beantragt , "die am 08.02.2007 ablaufende Frist" zur Begründung der Berufung zu verlängern. Selbst in diesem Zeitpunkt hatte der Rechtsanwalt den Fristablauf nicht erneut auf der Grundlage des korrekten Zustellungsdatums überprüft.
AG Krefeld, Entscheidung vom 05.12.2006 - 67 F 26/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 22.03.2007 - II-4 UF 13/07 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.