Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 481/12

published on 21/11/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 481/12
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Berlin, 83 T 493/11, 20/07/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 481/12
vom
21. November 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Betreuung ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn der Betroffene noch in
der Lage ist, jemanden mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten zu beauftragen.
BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - XII ZB 481/12 - LG Berlin
AG Schöneberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 83 des Landgerichts Berlin vom 20. Juli 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die Betroffene wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der für sie eingerichteten Betreuung.
2
Die Betroffene leidet an einer amyotrophen Lateralsklerose. Im Jahr 2004 wurde eine Betreuung angeordnet und der Ehemann der Betroffenen zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Wahrnehmung der Rechte bei einer Heilbehandlung, Wahrnehmung der Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten bestellt. Nachdem die Betreuung zunächst mit Beschluss vom 17. April 2009 verlängert worden war, hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Aufgabenkreis des Betreuers dahin eingeschränkt, dass der Bereich "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" entfällt. Die Be- schwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, vor allem gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
5
Nach § 1908 d Abs. 1 Satz 2 BGB sei der Aufgabenkreis des Betreuers einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers hinsichtlich eines Teils seiner Aufgaben wegfallen. Ein Betreuer dürfe gemäß § 1896 Abs. 2 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich sei. Sie sei dann nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Volljährigen von diesem selbst, gegebenenfalls mit anderen Hilfen, oder durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten.
6
Ein solcher Fall sei hier gegeben. Für den Bereich "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" sei kein Regelungsbedürfnis erkennbar, das die Tätigkeit eines Betreuers verlange. Da der Betreuer in dem ihm übertragenen Aufgabenkreis die Betreute gemäß § 1902 BGB ohnehin gerichtlich und außergerichtlich vertrete, habe die Einschränkung des Aufgabenkreises nur für den Bereich "Postangelegenheiten" und für Angelegenheiten, die nicht unter die Vermögenssorge, die Wohnungsangelegenheiten sowie die Aufenthaltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge fielen, praktische Bedeutung. Trotz mehrfacher Nachfrage hätten weder die Betroffene selbst noch ihr Betreuer auch nur eine Angelegenheit nennen können, in denen zwingend ein Betreuer habe tätig werden müssen. Gerade im Bereich der Postangelegenheiten sei es die Betroffene gewesen, die ihrerseits dafür gesorgt habe, dass der im Ausland weilende Betreuer ihn betreffende Schreiben bekommen habe. Ihre eigenen Aufenthalte in den USA zeigten, dass auch Passangelegenheiten für die Betroffene derzeit nicht zu besorgen seien.
7
Im Übrigen sei die Betroffene gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Möglichkeit zu verweisen, ihren Ehemann und jetzigen Betreuer umfassend zu bevollmächtigen. Die in den Akten befindlichen Schreiben der Betroffenen belegten eindrucksvoll, dass sie hierzu trotz ihrer schweren Erkrankung imstande sei. Entgegenstehende Gutachten oder ärztliche Zeugnisse, die Zweifel an ihrer Geschäftsfähigkeit wecken könnten, seien nicht bekannt.
8
2. Die angegriffene Entscheidung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Das Beschwerdegericht hat in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass ein Erfordernis für die Bestellung eines Betreuers im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB für den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden, Post und Gerichten" nicht besteht.
9
Soweit es die Feststellungen des Beschwerdegerichts anbelangt, dass die Betroffene zum einen selbst in der Lage sei, die von diesem Aufgabenkreis umfassten Angelegenheiten zu regeln, und zum anderen, eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vollmacht zu erteilen, wird das vom Beschwerdegericht durchgeführte Verfahren seitens der Rechtsbeschwerde nicht gerügt. Gerügt wird allein, dass das Beschwerdegericht unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) sich nicht mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Hintergrund der Sache befasst habe. Es sei ein sozialgerichtliches Verfahren anhängig gewesen; zudem mache eine Wohnungsvermietungsgesellschaft Ansprüche gegen die Betroffene geltend und habe diese insoweit im Rahmen der Zwangsvollstreckung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden lassen. Angesichts dieser nicht nur wirtschaftlichen und rechtlichen, sondern auch psychischen Belastung bedürfe die Betroffene eines Betreuers, der ihre Rechte wahrnehme und unberechtigte Ansprüche abwehren könne.
10
Abgesehen davon, dass die von der Rechtsbeschwerde angeführten Verfahren Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten der Betroffenen betreffen dürften, für die ihr Ehemann nach wie vor als Betreuer zuständig ist, ist auch der vom Landgericht gezogene Schluss nicht zu beanstanden, wonach die Betroffene ihren Ehemann entsprechend bevollmächtigen könne.
11
Denn gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Betreuung nicht erforderlich , soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der wie hier nicht zu dem Personenkreis des § 1897 Abs. 3 BGB zählt, oder durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Eine Betreuungsanordnung erübrigt sich deshalb jedenfalls dann, wenn der Betroffene - wie hier - noch in der Lage ist, eine Person seines Vertrauens mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten zu beauftragen (vgl. Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1896 Rn. 12) und ein besonderes Bedürfnis für die mit der Betreuung verbundene gerichtliche Kontrolle (vgl. MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1896 Rn. 63) nicht ersichtlich ist.
12
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Schöneberg, Entscheidung vom 01.09.2011 - 54 XVII L 1086 -
LG Berlin, Entscheidung vom 20.07.2012 - 83 T 493/11 -
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 23/09/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB225/15 vom 23. September 2015 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2; FamFG § 26 Eine Betreuung ist nur dann gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht e
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.