Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2002 - XII ZB 205/01

published on 23/01/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2002 - XII ZB 205/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 205/01
vom
23. Januar 2002
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2002 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Prof. Dr. Wagenitz,
Fuchs und Dr. Vézina beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz werden der Beschluß des 26. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 5. September 2001 aufgehoben und der Entscheidungssatz Nr. 1., 3. Absatz des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Freyung vom 12. Juli 2001 (Ausspruch über das erweiterte Splitting) abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Von dem Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt NiederbayernOberpfalz werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern -Oberpfalz weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 2,83 ? (5,53 DM), bezogen auf den 31. Januar 2000, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen. Die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden in diesen Verfahren nicht erstattet. Beschwerdewert: 511,29 ? (1000 DM)

Gründe:


I.

Die am 26. Februar 1972 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 8. Februar 2000 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Urteil vom 13. September 2000 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde abgetrennt und mit Beschluû vom 12. Juli 2001 geregelt. Während der Ehezeit (1. Februar 1972 bis 31. Januar 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den Feststellungen des Amtsgerichts jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA). Die am 12. Januar 1954 geborene Ehefrau erwarb Anwartschaften in Höhe von 160,63 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 650,98 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Der am 16. Juni 1946 geborene Ehemann erwarb Anwartschaften in Höhe von 323,22 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 915,55 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben besteht für den Ehemann ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der Textilwerke D. GmbH in Höhe von jährlich 1.200 DM. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daû es angleichungsdynamische Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von 132,29 DM und Rentenanwartschaften in Höhe von 81,30 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Januar 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Auûerdem hat es - im Wege des
erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, § 1587 b Abs. 1 BGB - von dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der LVA weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 7,46 DM, bezogen auf den 31. Januar 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen. Für die Umrechnung des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente in eine dynamische Anwartschaft hat es dessen Barwert nicht nach der Barwertverordnung , die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte "Ersatztabellen" mit 3.252,21 DM ermittelt und es auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 14,93 DM umgerechnet. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.

II.

Die weitere Beschwerde ist begründet. 1. Das Oberlandesgericht hat unter Bezugnahme auf seinen in FamRZ 1999, 1432 ff. veröffentlichten Beschluû angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/Gutdeutsch
FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie der Senat (mit Beschluû vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695 ff.) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf ”Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluû, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte. 3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versorgungsauskünfte , gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.
a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften in Höhe von monatlich 323,22 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von monatlich 915,55 DM bei der LVA für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, sowie das unverfallbare Anrecht auf eine Betriebsrente bei der Textilwerke D. GmbH. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 524,55 DM jährlich festgestellt ist. Da der Wert der Versorgung nach der Versorgungsregelung der GmbH nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäû § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische
Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts - und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 4,6 (Alter des Ehemannes zum Ehezeitende: 53) ergibt sich ein Barwert von 2.412,93 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengröûenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet, diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 11,07 DM (2.412,93 DM x 0,0000950479 Þ 0,2293 Entgeltpunkte x 48,29 DM = 11,07 DM), bezogen auf den 31. Januar 2000. Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 334,29 DM und zusätzlich angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 915,55 DM, jeweils monatlich, erworben. Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 160,63 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 650,98 DM, jeweils monatlich, zu berücksichtigen.
b) Dementsprechend ist gemäû § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der jeweils die werthöheren Anwartschaften erworben hat, bezüglich der Anwartschaften in Höhe von 81,30 DM [(323,22 – 160,63) : 2] und bezüglich der angleichungsdynamischen Anwartschaften in Höhe von 132,29 DM [(915,55 – 650,98) : 2] ausgleichspflichtig. Das Familiengericht hat richtig bezüglich der bei der LVA erworbenen Anwartschaften das Rentensplitting in Höhe von 81,30 DM und bezüglich der dort erworbenen angleichungsdynamischen An-
wartschaften getrennt das Rentensplitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB, § 3 Abs. 1 VAÜG in Höhe von 132,29 DM durchgeführt.
c) Das Anrecht des Ehemanns auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger , der die Realteilung nicht zuläût. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maûgebenden Bezugsgröûe (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 5,53 DM monatlich (11,07 DM : 2). Dieser Betrag entspricht 2,83 ?.
d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 1.795,32 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB, § 3 Abs. 1 VAÜG in Entgeltpunkte und Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen.
Hahne RiBGH Gerber ist urlaubsbedingt Wagenitz verhindert zu unterschreiben. Hahne Fuchs Vézina
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie

(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vo
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie

(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vo
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published on 05/09/2001 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 121/99 vom 5. September 2001 in Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGB § 1587a Abs. 3, 4; BarwertVO § 1 Abs. 1, 3 Zur Bewertung nicht-volldynamischer Anrechte im Versorgungsausgleich. BGH, Beschluß v
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Annotations

Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.

(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.

(2) Die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]) verändert sich zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das vorvergangene Kalenderjahr geltende Wert der Anlage 1 zum Sechsten Buch durch den für das Kalenderjahr der Veränderung bestimmten Wert der Anlage 10 zum Sechsten Buch geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag. Für die Zeit ab 1. Januar 2025 ist eine Bezugsgröße (Ost) nicht mehr zu bestimmen.

(3) Beitrittsgebiet ist das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet.