Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2002 - XII ZB 170/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
Die am 26. November 1965 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 30. Oktober 2000 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 9. Mai 2001 geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. November 1965 bis 30. September 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den Feststellungen des Amtsgerichts jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA), und zwar die am 23. Januar 1945 geborene Ehefrau in Höhe von 145,68 DM und der am 17. März 1945 geborene Ehemann in Höhe von 1.673,40 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben besteht für den Ehemann ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht auf eine statische Betriebsrente bei der B. AG in Höhe von jährlich 6.720 DM. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daû es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 763,86 DM, bezogen auf den 30. September 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Auûerdem hat es - im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, § 1587 b Abs. 1 BGB - von dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der LVA weitere Rentenanwartschaften in Höhe des Höchstwertes von monatlich 89,60 DM, bezogen auf den 30. September 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen. Schlieûlich hat es ausgesprochen, daû der Ehemann zur Begründung von Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der LVA in Höhe von9,76 DM, bezogen auf den 30. September 2000, eine Beitragszahlung von 2.113,67 DM gemäû § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG zu erbringen habe. Für die Umrechnung des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente in eine dynamische Anwartschaft hat es dessen Barwert nicht nach der Barwertverordnung , die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichten "Ersatztabellen" mit 43.034,65 DM ermittelt und es auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 198,71 DM umgerechnet. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet. 1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäûigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daû die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente undder Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten "Ersatztabellen" (Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Dies habe das Amtsgericht korrekt getan. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie der Senat (mit Beschluû vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695 ff. mit Anmerkung Kemnade = BGHReport 2001, 914 ff. mit zustimmender Anmerkung Gutdeutsch) entschieden hat, sind die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden; auf ”Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden. Auf diesen Beschluû, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Da auch keine Besonderheiten vorliegen, bedarf es keiner individuellen Wertermittlung der Anrechte. 3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versorgungsauskünfte , gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.
a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 1.673,40 DM monatlich für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, sowie das unverfallbare Anrecht auf eine Betriebsrente bei der B. AG. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 5.062,90 DM jährlich festgestellt ist. Da der Wert der Versor-
gung nach § 17 der Versorgungsordnung der B. AG nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt, wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäû § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts- und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 5,1 (Alter des Ehemannes zum Ehezeitende: 55) ergibt sich ein Barwert von 25.820,79 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengröûenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet , diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 119,22 DM (25.820,79 DM x 0,0000950479 Þ 2,4542 Entgeltpunkte x 48,58 DM = 119,22 DM), bezogen auf den 30. September 2000. Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 1.792,62 DM monatlich erworben. Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz in Höhe von 145,68 DM monatlich zu berücksichtigen.
b) Dementsprechend ist gemäû § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der die werthöheren Anwartschaften erworben hat, in Höhe von 823,47 DM monatlich [(1.792,62 DM – 145,68 DM) : 2] ausgleichspflichtig. Bezüglich der bei der LVA erworbenen Anwartschaften hat das Familiengericht richtig das Renten-
splitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB in Höhe von 763,86 DM [(1.673,40 DM – 145,68 DM) : 2] durchgeführt.
c) Das Anrecht des Ehemanns auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger , der die Realteilung nicht zuläût. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maûgebenden Bezugsgröûe (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 59,61 DM monatlich (119,22 DM : 2). Dieser Betrag entspricht 30,48 ?.
d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 3.246,82 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen.
Hahne RiBGH Gerber ist urlaubsbedingt Wagenitz verhindert zu unterschreiben. Hahne Fuchs Vézina
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.
(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.
(2) Die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]) verändert sich zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das vorvergangene Kalenderjahr geltende Wert der Anlage 1 zum Sechsten Buch durch den für das Kalenderjahr der Veränderung bestimmten Wert der Anlage 10 zum Sechsten Buch geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag. Für die Zeit ab 1. Januar 2025 ist eine Bezugsgröße (Ost) nicht mehr zu bestimmen.
(3) Beitrittsgebiet ist das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet.