Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Dez. 2005 - XII ZB 161/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte hat gegen das ihm am 7. März 2003 zugestellte Urteil des Landgerichts mit Schriftsatz seines Anwalts vom 7. April 2003, der am gleichen Tag per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz lautet: "In Sachen W. G. gegen H. G. wegen Mietzins LG Dresden AZ: 3 O 0623/01 wird hiermit namens und im Auftrag des Beklagten/Berufungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.2.2003, zugestellt am 7.3.2003, Berufung eingelegt. Beglaubigte Kopie des Urteils des Landgerichts Dresden wird in der Anlage beigefügt.…"
- 2
- Das angefochtene Urteil wurde nicht übermittelt.
- 3
- Am 9. April 2003 ging das Original der Berufungsschrift mit der Abschrift des angefochtenen Urteils beim Oberlandesgericht ein.
- 4
- Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
- 6
- 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für eine wirksame Berufungsschrift lägen nicht vor, weil sich ihr nicht entnehmen lasse, welche der dort genannten Parteien Beklagter und damit Berufungsführer gewesen sei, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach gehört zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift die Angabe, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird (BGH Beschlüsse vom 11. November 2003 - VIII ZB 89/03 - juris; vom 15. Juli 1999 - IX ZB 45/99 - NJW 1999, 3124 m.w.N.).
- 7
- Wird in der Berufungsschrift nur erklärt, dass für den "Beklagten" Berufung eingelegt werde, aber nicht gesagt, wer von den namentlich benannten Parteien Beklagter ist, kann die beim Rechtsmittelgericht eingereichte Berufungsschrift jedenfalls keiner der Parteien zugeordnet werden. Die Reihenfolge der Namen im Eingang der Berufungsschrift lässt hinreichend sichere Schlüsse nur dann zu, wenn es im Bezirk des Berufungsgerichts allgemein üblich ist, im Eingang von Schriftsätzen und Entscheidungen in allen Instanzen den Kläger stets an erster Stelle und den Beklagten erst an zweiter Stelle zu nennen, gleichviel wie die Parteirollen in der Rechtsmittelinstanz sind. Das Berufungsgericht hat eine derartige allgemeine Übung für den dortigen Bezirk nicht festgestellt.
- 8
- Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers konnte auch nicht auf sonstige Weise gewonnen werden. Das angefochtene Urteil war am 7. April 2003 nicht per Telefax mit der Berufungsschrift übermittelt worden, sondern ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist, am 9. April 2003, mit dem Original der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht eingegangen.
- 9
- 2. Auch die Abweisung des Antrags des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wegen Verschuldens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
- 10
- Es kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, die Vergewisserung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten bei seiner Büroangestellten, dass der Telefaxsendung auch die Urteilsabschrift beigefügt werde, enthalte keine ausdrückliche Weisung, die Urteilsabschrift beizufügen.
- 11
- Denn, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, trifft den Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein Organisationsverschulden jedenfalls deshalb, weil er nicht dargetan hat, dass in seinem Büro die allgemeine Anweisung bestanden habe, bei Übersendung von Fristsachen per Telefax im Rahmen der Ausgangskontrolle die Frist im Fristenkalender erst nach Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. Die - unterstellte - Einzelanweisung, die Übermittlung der Berufungsschrift und des angefochtenen Urteils per Telefax zu veranlassen , macht die ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (BGH Beschluss vom 3. Mai 2005 - XI ZB 41/04 - juris). Diese erfordert bei Übersendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax eine Vorsorge für Störfälle. Es muss deshalb organisatorisch gesichert sein, dass das Büropersonal einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdruckt, der vor dem Erledigungsvermerk im Fristenkalender die ordnungsgemäße vollständige Übermittlung anzeigt und auf etwaige Übermittlungsfehler überprüft wird (Senatsbeschluss vom 12. April 1995 - XII ZB 38/95 - FamRZ 1995, 1135, 1136; BGH Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 368, vom 28. Februar 2002 - VII ZB 28/01 - NJW-RR 2002, 999, vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - NJW-RR 2001, 1072).
- 12
- Dann hätte im vorliegenden Fall die Büroangestellte anhand des Sendeberichts bemerkt, dass sie lediglich die zwei Seiten umfassende Berufungsschrift und nicht auch das 14 Seiten umfassende Urteil des Landgerichts übersandt hatte.
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 28.02.2003 - 3 O 623/01 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 24.06.2003 - 5 U 620/03 -
moreResultsText
Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.