Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2001 - XII ZB 147/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Parteien, die am 13. Oktober 1984 die Ehe schlossen, haben zwei Töchter, Juliane, geboren am 14. Juni 1983, und Anna, geboren am 3. Dezember 1986. Seit der im Herbst 1995 erfolgten Trennung der Parteien leben die Kinder bei der Mutter (Antragstellerin). Diese reichte am 19. April 1996 den Scheidungsantrag ein und beantragte an dem selben Tag, ihr die elterliche Sorge für beide Töchter zu übertragen. Ihrem Begehren stimmte der Vater (Antragsgegner) zunächst zu. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor demAmtsgericht - Familiengericht - vom 15. September 1998 kündigte die Mutter an, daß sie einen Antrag auf alleinige elterliche Sorge stellen werde. Am 8. Januar 1999 reichte sie einen entsprechenden Schriftsatz vom selben Tag ein, in dem sie erklärte, den Antrag vom 19. April 1996 ausdrücklich aufrechtzuerhalten bzw. einen neuen Antrag zu stellen. Im Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 1999 wiederholte die Mutter den Antrag aus dem Schriftsatz vom 8. Januar 1999; der Vater beantragte dagegen , die gemeinsame elterliche Sorge aufrechtzuerhalten. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschieden und die elterliche Sorge der Mutter übertragen. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Vater sein Begehren auf Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und festgestellt, daß das die Regelung der elterlichen Sorge betreffende Teilverfahren in der Hauptsache als erledigt gelte; den Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge hat es als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Mutter mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes (KindRG) am 1. Juli 1998 der zur Erlangung der alleinigen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB notwendige Antrag die Qualität eines echten Sachantrages habe. Demgegenüber habe der Antrag eines Elternteils nach § 1671 BGB in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung nur einen Vorschlag dargestellt ; einem Antrag nach § 1672 BGB a.F. sei lediglich als Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens Bedeutung zugekommen. Einen nach § 1671 Abs. 1 BGB erforderlichen Sachantrag habe die Antragstellerin innerhalb der Dreimonatsfrist des Art. 15 § 2 Abs. 4 KindRG nicht gestellt. Deshalb gelte nach dieser Übergangsvorschrift die Hauptsache als erledigt. Der Antrag vom 8. Januar 1999 sei unzulässig, da es sich bei der Dreimonatsfrist um eine Ausschlußfrist handle, wie sich aus dem Gesetzeszweck ergebe. 2. Diese Auffassung begegnet, wie die weitere Beschwerde zutreffend geltend macht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach Art. 15 § 2 Abs. 4 KindRG ist eine Folgesache, die die Regelung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB a.F. betrifft, als in der Hauptsache erledigt anzusehen, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem 1. Juli 1998 ein Elternteil beantragt, daß ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Das Verfahren soll damit nur fortgeführt werden, wenn klargestellt ist, daß ein solcher Antrag gestellt ist. In bestimmten Fällen wird diese Voraussetzung auch erfüllt sein können , wenn ein entsprechend eindeutiger Antrag schon vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellt worden ist (Begründung des Regierungsentwurfs zum KindRG, BTDrucks. 13/4899, S. 146).
Diesen Anforderungen wird, wie der Senat nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, genügt, wenn bereits vor dem 1. Juli 1998 ein eindeutiger Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt worden ist und der antragstellende Elternteil hieran in dem weiteren Verfahren uneingeschränkt festgehalten hat (Senatsbeschluß vom 24. Mai 2000 - XII ZB 72/97 - DAV 2000, 704, 705 = NJW-FER 2000, 278). Das war hier der Fall. Die Mutter hatte bereits am 19. April 1996 beantragt, ihr die elterliche Sorge zu übertragen und in der mündlichen Verhandlung vom 15. September 1998 - mit Rücksicht auf das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes - angekündigt, einen "Antrag auf alleinige elterliche Sorge" zu stellen. Damit hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie an ihrem früheren Begehren unverändert festhalten wollte. Deshalb waren die Voraussetzungen einer Fortführung der Folgesache elterliche Sorge erfüllt. 3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst befinden, da das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bisher keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Mutter dem Wohl der Kinder am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Sache ist deshalb zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Blumenröhr Krohn Gerber Sprick Weber-Monecke
Annotations
(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
- 1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder - 2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
- 1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder - 2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.
(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
- 1.
der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder - 2.
zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
- 1.
die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder - 2.
eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.