Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2013 - XII ZB 124/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Die Verbundentscheidung wurde dem Antragsteller am 29. Oktober 2010 zugestellt. Mit am 29. November 2010 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt Beschwerde eingelegt. Mit ihm am 20. Januar 2011 zugestellter Verfügung wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, sein Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, weil die Beschwerde nicht bis zum 29. Dezember 2010 begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2011 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit, dass er schuldlos gehindert gewesen sei, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Dies sei ihm erst durch die am 20. Januar 2011 zugestellte Verfügung bekannt und bewusst geworden. Es werde deshalb Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt werden.
- 3
- Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 14. Februar 2011 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 5
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip ), welcher es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. hierzu BGHZ 151, 221 = NJW 2002, 3029, 3031 und Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 mwN).
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- 2. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver- säumung der Beschwerdebegründungsfrist sei zurückzuweisen. Der Vortrag des Antragstellers, ihm sei erst durch den Hinweis vom 17. Januar 2011 bekannt und bewusst geworden, dass die Beschwerde rechtzeitig zu begründen sei, lasse ein Verschulden nicht entfallen. Ein Rechtsirrtum der anwaltlich vertretenen Partei sei regelmäßig verschuldet und hindere eine Wiedereinsetzung.
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- 3. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht über einen Wiedereinsetzungsantrag entschieden und diesen zurückgewiesen.
- 8
- Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hatte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 2. Februar 2011 noch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, sondern lediglich angekündigt, einen solchen innerhalb der gesetzlichen Frist anzubringen. Das hat das Beschwerdegericht nicht beachtet. Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG gewährt den Parteien aber den Anspruch auf ein faires Verfahren. Der Richter ist danach gehalten, das bei ihm anhängige Verfahren so zu gestalten, wie die Parteien es von ihm erwarten dürfen (BVerfG NJW 2005, 814, 815; BVerfGE 78, 123 = NJW 1988, 2787; BGH Beschluss vom 28. Oktober 2009 - IV ZB 10/09 - NJW-RR 2010, 1000 Rn. 10). Dazu gehört auch, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen (Art. 103 Abs. 1 GG). Hätte das Beschwerdegericht sich dementsprechend verhalten, so hätte es durch den angefochtenen Beschluss nicht über einen noch nicht gestellten Wiedereinsetzungsantrag entscheiden und diesen sowie die Berufung zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte es abwarten müssen, ob der Antragsteller, wie angekündigt, fristgemäß einen Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Die Monatsfrist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist lief erst am Montag, dem 21. Februar 2011 und somit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 14. Februar 2011, ab.
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- 4. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Das Verfahren ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
- 10
- 5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 11
- Der Antragsteller hat mit dem am 21. Februar 2011 (einem Montag) beim Oberlandesgericht eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag geltend gemacht, die Fristversäumnis sei erst durch die am 20. Januar 2011 zugestellte Verfügung aufgefallen. Zu der Versäumnis sei es gekommen, weil die für die Eintragung und Überwachung von Fristen zuständige Fachangestellte nur die Beschwerdefrist eingetragen, es aber vergessen habe, auch die Beschwerdebegründungsfrist im Fristenkalender zu notieren. Dieser Vortrag ist ohne Ergänzung nicht geeignet, ein eigenes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten auszuschließen.
- 12
- Die Sorgfaltspflichten in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen zwar einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. BGH Beschlüsse vom 10. März 2011 - VII ZB 37/10 - NJW 2011, 1597 Rn. 12 und vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09 - MDR 2010, 533). Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).
- 13
- Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden (Senatsbeschluss vom 2. November 2011 - XII ZB 317/11 - FamRZ 2012, 108 Rn. 11 mwN). In diesem Fall muss er stets alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).
- 14
- Dass die Organisation der Fristenkontrolle des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers diesen Anforderungen gerecht wird und er seiner eigenen Prüfungspflicht nachgekommen ist, hat das Beschwerdegericht bisher nicht festgestellt. Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Botur
AG Grevenbroich, Entscheidung vom 22.10.2010 - 13 F 75/09 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.02.2011 - II-5 UF 181/10 -
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Annotations
(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen hat der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(2) Die §§ 514, 516 Abs. 3, § 521 Abs. 2, § 524 Abs. 2 Satz 2 und 3, die §§ 527, 528, 538 Abs. 2 und § 539 der Zivilprozessordnung gelten im Beschwerdeverfahren entsprechend. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.
(3) Beabsichtigt das Beschwerdegericht von einzelnen Verfahrensschritten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 abzusehen, hat das Gericht die Beteiligten zuvor darauf hinzuweisen.
(4) Wird die Endentscheidung in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet, kann die Begründung auch in die Niederschrift aufgenommen werden.
(5) Für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.