Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Aug. 2009 - XII ZB 12/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) innerhalb von 14 Tagen nach Rechtskraft des Scheidungsurteils der Antragstellerin alle seine Anrechte an der H. Lebensversicherungspolice Nr. ... und alle Einkünfte daraus als teilweise Sicherung des Unterhalts für die Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder der Familie S. , V. und F. im Falle des Ablebens des Antragsgegners während des Bestehens der nachfolgend aufgeführten Unterhaltsregelung zu übertragen und abzutreten (Ziffer 1 b des Entscheidungstenors),
b) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 für sie selbst bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007, regelmäßige Zahlungen im Betrag von 24.600 £ im Jahr zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen; diese Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten (Ziffer 2 des Entscheidungstenors);
c) der Erblasserin mit Wirkung vom 1. März 2004 zugunsten der Kinder der Familie, S. (geboren am 16. April 1990), V. (geboren am 8. Februar 1993) und F. (geboren am 20. Juli 1995) regelmäßige Zahlungen im Betrag von 3.000 £ im Jahr pro Kind zu leisten bzw. diese Zahlungen zu veranlassen ; diese Zahlungen sind monatlich im Voraus zu leisten, bis das jeweilige Kind das Alter von 17 Jahren erreicht hat oder bis zum Abschluss seiner höheren Schulausbildung, je nach dem, welches der spätere Termin ist, oder weiterer Verfügungen (Ziffer 3 des Entscheidungstenors), längstens bis zum Monatsende nach dem Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007 und
d) der Erblasserin eine Abschlagszahlung auf die Kosten und Nebenkosten ihres Antrags auf Unterhaltsregelung in Höhe von 40.000 £, fällig am 26. Februar 2004, zu leisten (Ziffer 7 des Entscheidungstenors). Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin ¾ und der Antragsgegner ¼ zu tragen. Streitwert: 417.500 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung des High Court of Justice von London/England vom 16. Februar 2004 in der Bundesrepublik Deutschland.
- 2
- Die verstorbene Antragstellerin (im Folgenden: Erblasserin) und der Antragsgegner waren deutsche Staatsangehörige und hatten im Jahre 1991 in Deutschland die Ehe geschlossen, aus der die Kinder S., geboren am 16. April 1990, V., geboren am 8. Februar 1993 und F., geboren am 20. Juli 1995, hervorgegangen sind. Nachdem der Antragsgegner bis 1996 in Deutschland berufstätig gewesen war, zogen die Ehegatten mit den Kindern nach England, wo der Antragsgegner selbständig erwerbstätig war. Im Jahre 1998 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm eine Angestelltenstellung in führender Position. Im Jahre 2000 schied er dort gegen eine hohe Abfindungssumme aus. Anschließend war er selbständig tätig. Seit Juli 2002 bezog er Arbeitslosengeld und später Arbeitslosenhilfe. Seit 2004 absolviert er als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst eine neue Ausbildung zum Berufsschullehrer mit einem deutlich geringeren Einkommen als vor dem Ausscheiden aus seiner Angestelltentätigkeit in Deutschland.
- 3
- Im Frühjahr 2002 trennten sich die Erblasserin und der Antragsgegner. Im Mai 2002 beantragte die Erblasserin die Scheidung ihrer Ehe und verband den Antrag kurz darauf mit einem Antrag auf Regelung der finanziellen Scheidungsfolgen.
- 4
- Mit Verfügung vom 16. Februar 2004 traf der High Court of Justice von London/England - soweit für das Vollstreckbarerklärungsverfahren noch von Interesse - zu den finanziellen Scheidungsfolgen u.a. folgende Anordnungen: • Übertragung und Abtretung aller Anrechte des Antragsgegners an ei- ner Lebensversicherungs-Police als teilweise Sicherung des Unterhalts für die Erblasserin und/oder die unmündigen Kinder S., V. und F.; • Zahlung eines Pauschalbetrages (lump sum) in Höhe von 213.055 £ als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Erblasserin und die Kinder S., V. und F. Zug um Zug gegen Übertragung von Anteilen der Erblasserin an gemeinsamem Guthaben bei einer Bausparkasse und einer Bank; • regelmäßige Zahlungen an die Erblasserin in Höhe von 24.600 £ jähr- lich für sie selbst zu Lebzeiten der geschiedenen Ehegatten, bis zur Wiederverheiratung der Antragstellerin oder bis zu einer abweichenden Verfügung; • regelmäßige Zahlungen in Höhe von 3.000 £ jährlich pro Kind an die Erblasserin zugunsten der Kinder der Familie S., V. und F. für die Zeit vom 1. März 2004 bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres, einem späteren Abschluss einer höheren Schulausbildung eines Kindes oder einer abweichenden Verfügung und • Zahlung einer Abschlagssumme in Höhe von 40.000 £ auf die Kosten und Nebenkosten des Antrags der Erblasserin auf Unterhaltsregelung.
- 5
- Die Zahlung des Pauschalbetrages hat der High Court auf der Grundlage eines Gesamtvermögens der Ehegatten von rund 326.000 £ ermittelt, wovon rund 91.500 £ gemeinsames Vermögen, rund 41.000 £ Vermögen der Erblasserin und rund 193.000 £ Vermögen des Antragsgegners waren. Das gesamte Vermögen sollte wegen erhöhter Wohnkosten der Erblasserin mit den drei minderjährigen Kindern im Verhältnis 70/30 zu ihren Gunsten aufgeteilt werden, so dass ihr wertmäßig ein Vermögen von rund 228.000 £ zugute kommen sollte. Da die Erblasserin aus eigenem Vermögen und der Hälfte des gemeinsamen Vermögens über rund 87.000 £ verfügte, hat das Gericht weiteres Vermögen in Höhe von rund 140.000 £ auf sie übertragen. Diese Übertragung erfolgte durch Anordnung der Zahlung des Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ gegen Übertragung der hälftigen Anteile der Ehefrau an dem gemeinsamen Bausparund Bankguthaben sowie Übertragung eines Grundstücks der Ehefrau im Wert von insgesamt rund 73.000 £.
- 6
- Bei der Bemessung der regelmäßigen Zahlungen für die Erblasserin und die drei minderjährigen Kinder hat der High Court trotz der behaupteten Arbeitslosigkeit des Antragsgegners eine Erwerbsobliegenheit angenommen. Im Hinblick auf sein Alter von knapp 55 Jahren und seine Berufsqualifikation ist das Gericht von einem (fiktiv) erzielbaren Jahreseinkommen in Höhe von 70.000 £ ausgegangen. Davon könne der Antragsgegner der Erblasserin und seinen Kindern jährlich Unterhalt in Höhe von (24.600 + 9.000 =) 33.600 £ zahlen.
- 7
- Auf den Antrag der Erblasserin hat das Landgericht die Entscheidung des High Court insgesamt für vollstreckbar erklärt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und den Antrag auf Anordnung der Erteilung einer deutschen Vollstreckungsklausel hinsichtlich des zugesprochenen Pauschalbetrages in Höhe von 213.055 £ abgelehnt. Im Übrigen hat es die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsbeschwerden des Antragsgegners , der eine vollständige Abweisung des Antrags anstrebt und der Testamentsvollstreckerin der Erblasserin, die auch den zugesprochenen Pauschalbetrag für vollstreckbar erklärt wissen will.
- 8
- Während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde ist am 19. Juli 2007 die Erblasserin verstorben. Sie wurde von ihren drei zunächst minderjährigen Kindern beerbt. Die am 9. Dezember 1978 geborene weitere Tochter der Erblasserin hat die Erbschaft ausgeschlagen. Gemäß der letztwilligen Verfügung der Erblasserin hat das Nachlassgericht Testamentsvollstreckung angeordnet, die jeweils mit Vollendung des 18. Lebensjahres der minderjährigen Erben endet, und die Antragstellerin zur Testamentsvollstreckerin bestellt.
II.
- 9
- Die Rechtsbeschwerden sind nach Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden : Brüssel I-VO) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG und § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist aber nicht zulässig, weil es ihr an den besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und führt zu einer Begrenzung der Voll- streckbarkeit der regelmäßigen Unterhaltszahlungen auf die Zeit bis zum Tod der Erblasserin am 19. Juli 2007.
- 10
- 1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung des High Court auf der Grundlage der Brüssel I-VO anerkannt und vollstreckt werden kann. Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Brüssel I-VO ist diese auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien anwendbar , nachdem das Vereinigte Königreich und Irland gemäß Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königsreichs und Irlands schriftlich mitgeteilt haben, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten (vgl. Erwägungsgrund 20 zur Brüssel I-VO).
- 11
- Zwar ist eine Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Unterhaltspflichten im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien auch nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) möglich. Dieses Übereinkommen bleibt von der Brüssel I-VO nach dessen Art. 71 Abs. 1 auch unberührt. In jedem Fall können daneben aber die Bestimmungen der Brüssel I-VO über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angewandt werden (Art. 71 Abs. 2 b Satz 3 Brüssel I-VO; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 9 Rdn. 226 f.).
- 12
- Ebenfalls zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass sich die weiteren Einzelheiten des Anerkennungsverfahrens nach den Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Ge- biet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs - und Vollstreckungsausführungsgesetz; im Folgenden: AVAG) richten.
- 13
- 2. Mit Recht ist das Oberlandesgericht von einem Geltungsbereich der Brüssel I-VO ausgegangen, der sich nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf Zivil- und Handelssachen beschränkt, wovon nach Art. 1 Abs. 2 a Güterrechtssachen ausdrücklich ausgenommen sind. Entsprechend beschränkt sich auch das HUVÜ 73 nach dessen Art. 1 Abs. 1 auf die Vollstreckbarkeit von Unterhaltsentscheidungen. Auf dieser Rechtsgrundlage hat das Oberlandesgericht zutreffend zwischen unterhaltsrechtlichen und güterrechtlichen Folgen in der zu vollstreckenden britischen Entscheidung unterschieden.
- 14
- a) Das britische Scheidungsfolgenrecht sieht in den Secs. 21-26 des Matrimonial Causes Act von 1973 (MCA) richterliche Eingriffsbefugnisse vor, die sich nach deutschem Verständnis auf Unterhalt, güterrechtliche Ansprüche, Versorgungsausgleich sowie Hausratsteilung und Wohnungszuweisung erstrecken. Dabei wird nach der Art der Entscheidung zwischen Anordnungen zur finanziellen Versorgung (Financial Provision Orders; Sec. 23 MCA) und Anordnungen zur Vermögenszuweisung (Proper Adjustment Orders; Secs. 24, 24 a MCA) unterschieden, die auch miteinander kombiniert werden können und auf der Grundlage einer einheitlichen Gesamtwürdigung ausgesprochen werden. Das Gericht entscheidet nach Billigkeit unter Berücksichtigung gesetzlicher Ermessensfaktoren und gerichtlicher Leitlinien. An erster Stelle dieser Ermessenskriterien steht das Wohl minderjähriger Kinder der Familie. Daneben sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, aber auch die finanziellen Bedürfnisse, Alter und Gesundheit der Ehegatten, die Dauer der Ehe und das Verhalten der Ehegatten während der Ehe, zu berücksichtigen (Sec. 25 MCA). Schließlich soll das Gericht auch prüfen, ob eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach) möglich ist. Für die Verteilung des ehelichen Vermögens gilt nach der Rechtsprechung grundsätzlich der Maßstab der gleichen Teilhabe beider Ehegatten (Yardstick of equal Division; vgl. House of Lords vom 26. Oktober 2000 White v. White - 2 FLR 981 - veröffentlicht unter: www.publications.parliament.uk). Der Verteilungsmaßstab gilt auch in den Fällen, in denen das Vermögen für einen "clean break approach" durch Einmalzahlung nicht ausreicht und deswegen die laufende Unterhaltssicherung durch Verteilung der Einkünfte im Vordergrund steht. Abweichungen von diesem Halbteilungsgrundsatz können auch mit dem besonderen Wohnbedarf des Ehegatten begründet werden, bei dem die minderjährigen Kinder leben (Woelke/Rieck Ausländisches Familienrecht Stand August 2008 England und Wales Rdn. 41; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis § 9 Rdn. 48 d).
- 15
- b) Weil der High Court hier neben regelmäßig fälligen Unterhaltsleistungen auch Pauschalbeträge mit dem Ziel eines abschließenden Vermögensausgleichs zugesprochen hat, hat das Oberlandesgericht im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO oder dem HUVÜ 73 zu Recht die Frage aufgeworfen, welche der ausgesprochenen Scheidungsfolgen unterhaltsrechtlich einzustufen sind und ob die Entscheidung daneben auch güterrechtliche Folgen regelt. Denn zutreffend hat es die Notwendigkeit gesehen, zwischen güterrechtlichen Aspekten der Entscheidung und solchen zu unterscheiden, die sich auf die Unterhaltspflichten beziehen.
- 16
- Dabei ist in der Brüssel I-VO weder der Begriff der Unterhaltspflicht noch der Begriff der ehelichen Güterstände ausdrücklich definiert. Bei der Abgrenzung der Scheidungsfolgen ist deswegen vorrangig auf den Zweck der Entscheidung abzustellen, der aus ihrer Begründung herzuleiten ist. Wenn sich daraus ergibt, dass eine Leistung dazu bestimmt ist, den Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern, oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten bei der Festsetzung berücksichtigt werden, hat die Entscheidung eine Unterhaltspflicht zum Gegenstand. Bezweckt die Leistung hingegen nur die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten, betrifft die Entscheidung die ehelichen Güterstände und kann deswegen nicht nach der Brüssel I-VO vollstreckt werden. Eine Entscheidung, die beidem zugleich dient, kann nach Art. 42 Brüssel I-VO teilweise vollstreckt werden, wenn klar aus ihr hervorgeht, welchem der beiden Zwecke die verschiedenen Teile der angeordneten Leistung jeweils zuzuordnen sind (EuGH IPRax 1999, 35). Allerdings wird der Charakter der zu vollstreckenden Entscheidung als Unterhaltsentscheidung nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie zugleich die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen zwischen den früheren Ehegatten anordnet, denn es kann sich auch insoweit um Bildung eines Kapitals handeln, durch das der Unterhalt eines von ihnen gesichert werden soll. Eine im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergangene Entscheidung, durch die die Zahlung eines Pauschalbetrags oder die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen von einem ehemaligen Ehegatten auf den anderen angeordnet werden, betrifft daher Unterhaltspflichten im Sinne der Brüssel I-VO, soweit durch sie der Unterhalt des begünstigten ehemaligen Ehegatten gesichert werden soll (EuGH IPRax 1999, 35).
- 17
- c) Weil mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Unterscheidung zwischen unterhaltsrechtlichen Scheidungsfolgen und dem nachehelichen Vermögensausgleich hinreichend geklärt ist, fehlt es der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin entgegen ihrer Rechtsauffassung an dem Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 15 Abs. 1 AVAG i.V. mit § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO). Aber auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung kann eine Zulassung der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin nicht rechtfertigen. Denn das Oberlandesgericht hat den zugesprochenen Pauschalbetrag hier - entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin - auf der hinreichend geklärten Rechtsgrundlage zu Recht nicht als Unterhaltsleistung angesehen.
- 18
- Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin , wonach die Pflicht zur Zahlung eines Pauschalbetrages für sich genommen nicht notwendig gegen die Einordnung als Unterhaltszahlung spricht. Hier hat das britische Gericht neben dem Pauschalbetrag allerdings weitere pauschale und regelmäßige Verpflichtungen des Antragsgegners ausgesprochen , die im Ergebnis über die Unterhaltssicherung hinaus auch zu einer endgültigen Regelung aller finanziellen Angelegenheiten (sog. clean break approach ) führen. Entsprechend hatte die Erblasserin auch die Anordnung finanzieller Versorgung und Vermögensauseinandersetzung gemäß Secs. 23 und 24 MCA beantragt. Dies wiederum spricht dafür, dass die zu vollstreckende Entscheidung über eine abschließende Entscheidung zum Unterhalt hinaus auch einen vollständigen Vermögensausgleich enthält.
- 19
- Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass der Pauschalbetrag im Entscheidungstenor "als Unterhalt (einschließlich Wohnungskosten) für die Beklagte und die unmündigen Kinder der Familie" zugesprochen wurde. Denn im Gegensatz dazu unterscheiden die Gründe eindeutig zwischen dem nach dem Einkommen des Antragsgegners bemessenen Unterhaltsbedarf und dem Ausgleich der vorhandenen Vermögensmassen. Für die Unterhaltsbedürftigkeit der Erblasserin und ihrer drei minderjährigen Kinder ist das Gericht von den (fiktiv fortgeschriebenen) Einkünften des Antragsgegners ausgegangen und hat daraus im Wege der Halbteilung den laufenden Unterhaltsbedarf der Erblasserin und der Kinder ermittelt. Der insoweit geschuldete regelmäßige Unterhalt von (24.600 + 9.000 =) 33.600 £ orientiert sich mithin an den Einkünften, die der Familie auch zuvor zum laufenden Unterhalt zur Verfügung standen. Auf dieser Grundlage sind die unterhaltsrechtlichen Fragen (question of maintenance) in Textziffer 54 ff. des zu vollstreckenden Urteils behandelt. Die abschließende Aufteilung der Vermögenswerte (assets; Ziff. 44 ff. des zu vollstreckenden Urteils ) zielt demgegenüber auch auf eine endgültige Regelung der finanziellen Angelegenheiten unter Einschluss einer Aufteilung des vorhandenen Vermögens. Selbst wenn das Vermögen auch dem laufenden Unterhalt dient, zumal es in Form von Wohneigentum die Mietkosten entfallen lässt (vgl. insoweit zum deutschen Recht Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 – FamRZ 2009, 1300) oder als Geldbetrag Zinsen abwirft, kann die zugesprochene Pauschalsumme in Höhe von 213.055 £ nicht eindeutig dem Unterhalt zugeordnet werden , wie es die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlangt. Denn der im Verhältnis 70/30 zu Gunsten der Erblasserin durchgeführte Vermögensausgleich verschaffte ihr nicht nur - wie etwa im Falle eines Nießbrauchs - den Nutzungsvorteil, sondern zugleich den Vermögenswert selbst, was eher dem güterrechtlichen Ausgleich zuzuordnen ist (vgl. BGHZ 175, 207, 212 = FamRZ 2008, 761, 762). Dies geht eindeutig über den laufenden Unterhaltsbedarf hinaus. Zu Recht hat das Oberlandesgericht deswegen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und unter Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles eine eindeutige Zuordnung dieses Pauschalbetrages zum Unterhalt und damit eine Vollstreckbarkeit nach der Brüssel I-VO abgelehnt.
- 20
- 3. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hat im Wesentlichen keinen Erfolg; sie führt lediglich wegen des Todes der Erblasserin zu einer zeitlich begrenzten Vollstreckbarkeit der laufenden Unterhaltszahlungen durch die Testamentsvollstreckerin.
- 21
- a) Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragsgegners stehen der Vollstreckbarkeit - soweit sie das Oberlandesgericht für zulässig erachtet hat - grundsätzlich keine Vollstreckungshindernisse entgegen.
- 22
- Nach Art. 45 Abs. 2 der Brüssel I-VO darf eine ausländische Entscheidung im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Eine in erster Instanz nach Art. 41 der Brüssel I-VO angeordnete Vollstreckbarerklärung darf im Rechtsmittelverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO lediglich auf Vollstreckungshindernisse nach den Artt. 34 und 35 Brüssel I-VO überprüft werden. Solche Vollstreckungshindernisse liegen hier nicht vor. Insbesondere verstößt die zu vollstreckende Entscheidung - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht gegen den deutschen ordre public (Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO).
- 23
- Soweit der High Court der Erblasserin zu ihrem Unterhalt und dem der Kinder regelmäßige Zahlungen zugesprochen hat, ist er in Kenntnis des Berufswechsels des Antragsgegners von einem fiktiv erzielbaren Einkommen ausgegangen. Insoweit entspricht die Entscheidung dem deutschen Unterhaltsrecht , das im Falle einer eigenmächtigen erheblichen Reduzierung des Erwerbseinkommens aus Gründen unterhaltsrechtlicher Solidarität ebenfalls auf das fiktiv erzielbare Einkommen abstellt (Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872). Allein die Berücksichtigung eines fiktiv erzielbaren Einkommens kann einen Verstoß gegen den deutschen ordre public also nicht rechtfertigen. Wenn der Antragsgegner meint, das vom britischen Gericht zugrunde gelegte Einkommen nicht erzielen zu können, ist er auf eine Abänderung der Entscheidung angewiesen, die im Hinblick auf die regelmäßige Auskunftsverpflichtung der geschiedenen Ehegatten ohnehin möglich war. Auch soweit das britische Gericht zur Sicherheit der laufenden Unterhaltsverpflichtungen die Anrechte aus einer Lebensversicherung des Antragsgegners übertragen hat, verstößt dies nicht gegen den deutschen ordre public. Einerseits sieht auch das deutsche Recht Kapitalabfindungen zur Unterhaltssicherung vor (§§ 1585 Abs. 2, 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB). Andererseits dient dieses Anrecht lediglich dazu, den regelmäßigen Unterhaltsanspruch der Erblasserin abzusichern.
- 24
- Schließlich ist die Kostenentscheidung des britischen Gerichts eine Folge der Entscheidung zur Hauptsache, was einem Verstoß gegen den deutschen ordre public entgegensteht. Auch die Höhe der Abschlagszahlung von 40.000 £ ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Einkünfte und Vermögenswerte nicht derart außergewöhnlich, dass die Vollstreckung dem deutschen ordre public widersprechen würde (vgl. insoweit BVerfG IPRax 2009, 249).
- 25
- b) Infolge des Todes der Erblasserin hat die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners aber insoweit Erfolg, als die Vollstreckbarkeit der regelmäßigen Zahlungen auf das Monatsende nach ihrem Todestag am 19. Juli 2007 zu begrenzen ist. Denn für die Zeit danach sind Ansprüche der Erblasserin entfallen.
- 26
- Zwar ist es dem Schuldner nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Vollstreckbarkeitsverfahren verwehrt, sachliche Einwendungen gegen den titulierten Unterhaltsanspruch zu erheben, die im Wege einer Abänderungsklage geltend zu machen wären (Senatsbeschluss BGHZ 171, 310, 318 f. = FamRZ 2007, 989, 991 und Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990, 504, 505 f.). Demgegenüber kann der Schuldner gemäß Artt. 43, 44 Brüssel I-VO in Verbindung mit § 12 Abs. 1 AVAG mit dem Rechtsmittel, das sich gegen die Entscheidung der Zwangsvollstreckung aus einer ausländischen Entscheidung richtet, auch rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO gegen den titulierten Anspruch geltend machen, sofern die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt bleibt und die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der ausländischen Entscheidung entstanden sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einwendungen unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (Senatsbeschluss vom 25. Februar 2009 - XII ZB 224/06 - FamRZ 2009, 858, 860).
- 27
- Der Tod der Erblasserin schafft hier eine solche Einwendung gegen den Anspruch der unterhaltsberechtigten Erblasserin, die auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden kann. Ihr Anspruch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen ist mit ihrem - urkundlich nachgewiesenen - Tod am 19. Juli 2007 entfallen, was zu einer rechtsvernichtenden Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO führt. Gleiches gilt allerdings auch für den Anspruch der Erblasserin auf Unterhalt zugunsten der bei ihr lebenden Kinder. Auch insoweit hatte der High Court nicht etwa den Kindern persönlich nach den Vorschriften des Children Act 1989 (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich Großbritannien Seite 91), sondern der Erblasserin als ihrer erziehungsberechtigten Mutter nach den Secs. 23 ff. MCA Unterhalt zugesprochen, der ebenfalls mit dem Monatsende nach ihrem Tod am 19. Juli 2007 entfallen ist. Entsprechend ist die Vollstreckungsklausel nach dem Tod der Erblasserin auch nur von der Testamentsvollstreckerin und nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG von den Kindern als eventuelle Rechtsnachfolger beantragt worden. Für die Testamentsvollstreckerin der Erblasserin kann die Vollstreckungsklausel aber nur erteilt werden, soweit die Forderung in der Person der Erblasserin entstanden war.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.05.2004 - 11 O 38/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.12.2004 - 9 W 61/04 -
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Annotations
(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.
(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der laufende Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch im Laufe des Monats durch Wiederheirat oder Tod des Berechtigten erlischt.
(2) Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird.
(1) Der Verpflichtete kann mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind.
(2) Mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich oder einer öffentlichen Urkunde richtet, kann der Verpflichtete die Einwendungen gegen den Anspruch selbst ungeachtet der in Absatz 1 enthaltenen Beschränkung geltend machen.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Hängt die Zwangsvollstreckung nach dem Inhalt des Titels von einer dem Berechtigten obliegenden Sicherheitsleistung, dem Ablauf einer Frist oder dem Eintritt einer anderen Tatsache ab oder wird die Vollstreckungsklausel zugunsten eines anderen als des in dem Titel bezeichneten Berechtigten oder gegen einen anderen als den darin bezeichneten Verpflichteten beantragt, so ist die Frage, inwieweit die Zulassung der Zwangsvollstreckung von dem Nachweis besonderer Voraussetzungen abhängig oder ob der Titel für oder gegen den anderen vollstreckbar ist, nach dem Recht des Staates zu entscheiden, in dem der Titel errichtet ist. Der Nachweis ist durch Urkunden zu führen, es sei denn, dass die Tatsachen bei dem Gericht offenkundig sind.
(2) Kann der Nachweis durch Urkunden nicht geführt werden, so ist auf Antrag des Berechtigten der Verpflichtete zu hören. In diesem Falle sind alle Beweismittel zulässig. Das Gericht kann auch die mündliche Verhandlung anordnen.