Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2012 - X ZR 114/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die E. begehrt Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens.
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- Die Beklagte beantragt, die in der Klageschrift vom 30. Juli 2010 auf Seite 2 (letzte beiden Absätze) enthaltenen Hinweise auf parallele Verletzungsstreitigkeiten von der Akteneinsicht auszunehmen.
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- Die Klägerin beantragt, folgende Passagen von der Akteneinsicht auszunehmen : - aus der Klageschrift vom 30. Juli 2010 die beiden letzten Absätze auf der Seite 2 sowie den Abschnitt 4 auf den Seiten 6 bis 9, - aus der Klageerwiderung vom 22. Oktober 2010 den Abschnitt 3.2 auf den Seiten 42 bis 45, - aus der Replik vom 28. Oktober 2010 den zweiten Absatz auf der Seite 1 und die Anlage HE 2, - aus der Erwiderung der Beklagten auf den Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG vom 28. Mai 2011 den Abschnitt 2.2 auf den Seiten 17 und 18.
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- II. Dem Akteneinsichtsantrag ist uneingeschränkt stattzugeben.
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- Die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens ist grundsätzlich frei (§ 99 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 PatG). Der Darlegung eines eigenen berechtigten Interesses durch den Antragsteller bedarf es nicht (Senat, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZA 1/69, GRUR 1972, 441, 442 - Akteneinsicht IX). Das gilt auch für Hinweise auf ein laufendes Verletzungsverfahren sowie Kopien von Aktenteilen eines Verletzungsverfahrens, die von den Parteien im Nichtigkeitsverfahren eingereicht worden sind. Allerdings können die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens ein berechtigtes Interesse daran haben, dass eine im Verletzungsprozess angegriffene und dort technisch näher erläuterte Ausführungsform sowie damit untrennbar verbundene Ausführungen zum Schutzumfang des Streitpatents einem Mitbewerber nicht offenbart werden (Senat, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZR 56/05, GRUR 2007, 815 - Akteneinsicht XVIII, Beschluss vom 30. Januar 2008 - X ZR 1/07, GRUR 2008, 633 - Akteneinsicht XIX).
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- Ein solches berechtigtes Interesse hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie hat sich vielmehr allgemein darauf berufen, dass dritte Personen keinen Anspruch auf in den Nichtigkeitsakten enthaltene Angaben hätten, die für die Schutzfähigkeit des Streitpatents ohne Relevanz seien. Zudem hat sie darauf hingewiesen, dass dritten Personen im Zivilprozess Akteneinsicht nur zu gewähren sei, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht worden sei (§ 299 ZPO). Der Beklagten kann in dieser Argumentation nicht gefolgt werden.
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- Ein solches berechtigtes Interesse geht aber auch nicht aus den Ausführungen der Klägerin hervor, mit denen sie ihren Antrag auf teilweise Zurückweisung des Antrags auf Akteneinsicht begründet. Die Klägerin legt insoweit lediglich dar, dass sie Wert darauf lege, dass nicht auf dem Wege der Akteneinsicht Informationen über das parallele Verletzungsverfahren sowie Informationen über weitere Produkte zur Verfügung gestellt würden. Ein konkretes berechtigtes Interesse, die von der Klägerin in ihrem Antrag bezeichneten Aktenteile von der beantragten Einsicht auszunehmen, wie es beispielsweise bestehen kann, wenn Dritte durch die Einsichtnahme Kenntnisse erlangen können, die ihnen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen können (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Januar 2008 - X ZR 1/07, GRUR 2008, 633 Rn. 3 - Akteneinsicht XIX), ergibt sich daraus nicht.
Grabinski Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.07.2011 - 5 Ni 43/10 -
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(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.
(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.
(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.
(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.
(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,
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wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder - 2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.
(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.
(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit
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ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht, - 2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder - 3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.
(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.
(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.
(1) Die Parteien können die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.
(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.
(3) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, gewährt die Geschäftsstelle Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akte wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Eine Entscheidung über einen Antrag nach Satz 3 ist nicht anfechtbar.
(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.
(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.
(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.
(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.