Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2007 - X ZR 113/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 67.000,- € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Beklagte ist Inhaberin des ein Überbrückungsprofil betreffenden deutschen Patents 37 43 895 und desparallelen europäischen Patents 321 634. In einem Verfahren auf Nichtigerklärung des deutschen Patents kam es am 25. Juni 2003, dem Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht , zu Vergleichsgesprächen, die, wie der Nichtigkeitssenat im Verhandlungsprotokoll festhielt, zu einer mündlichen "grundsätzlichen Einigung" der Parteien über einen Lizenzvertrag mit dem in der Urteilsformel des Berufungsurteils wiedergegebenen Inhalt führten. In der Folgezeit geführte Verhandlungen der Parteien über einen detaillierten Vertragstext scheiterten.
- 2
- Die Parteien streiten darüber, ob am 25. Juni 2003 ein Vertrag zustande gekommen ist. Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dass (1.) zwischen den Parteien ein Lizenzvertrag bestehe und (2.) die Beklagte ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat dem Antrag zu 1 entsprochen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die mit der Revision den Antrag auf Abweisung auch des Klageantrags zu 1 weiterverfolgen will.
- 3
- II. Die zulässige Beschwerde führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 544 Abs. 7 ZPO).
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Parteien einen (mündlichen) Lizenzvertrag "in Form eines Hauptvertrages" geschlossen haben, der in einer zweiten Stufe ergänzt und schriftlich fixiert werden sollte. Zur Begründung ist ausgeführt, Aufschluss darüber, wie die Parteien am 25. Juni 2003 die Verbindlichkeit des Vereinbarten verstanden hätten, sei zunächst bei der im Sitzungsprotokoll gewählten Formulierung zu suchen; sie spreche für eine Rechtsverbindlichkeit des Vereinbarten, weil das Schwergewicht des rechtlichen Verständnisses auf dem Begriff "Einigung" liege. Die nachfolgenden Schreiben der Parteien ließen keinen Zweifel daran, dass diese jeweils von einer bereits bestehenden, im Einzelnen noch auszufüllenden rechtlich verbindlichen Vereinbarung ausgegangen seien.
- 5
- 2. Die Beklagte hat jedoch - im Wesentlichen übereinstimmend mit ihrem erstinstanzlichen Vortrag - durch Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 10. Mai 2005 unter Beweisantritt vorgebracht, die Parteien hätten während des Gesprächs in der Verhandlungspause am 25. Juni 2003 "die wirtschaftlichen Eckpunkte des Vertrages festgelegt" und sich dahin geeinigt, dass ein Schriftstück zu erstellen sei, welches als Vertragsurkunde dienen könne, und dass Patentanwalt S. den Entwurf eines solchen Schriftstücks erstellen solle; eine weitergehende Einigung sei nicht erzielt worden. Damit hat die Beklagte die mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt unvereinbare Behauptung aufgestellt, dass die Parteien nicht in einer zweiten Stufe eine bereits erzielte vertragliche Einigung ausfüllen und schriftlich festhalten wollten, sondern sich lediglich über die aus wirtschaftlicher Sicht wesentlichen "Eckpunkte" eines erst noch abzuschließenden Vertrages verständigt hätten (§ 154 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieses Verständnis wird unterstrichen durch die weiteren Ausführungen in dem vorgenannten Schriftsatz, die anwesenden Vertreter der Parteien seien sich einig gewesen, dass erst die wirtschaftlichen Eckpunkte des Vertrages besprochen seien, nicht aber der weitere von beiden Parteien als erforderlich erachtete Vertragsinhalt. Das Berufungsgericht durfte daher die Feststellung , die Parteien hätte sich trotz der noch zu regelnden Punkte vertraglich binden wollen, nicht treffen, ohne zuvor den angebotenen Gegenbeweis zu erheben. Die gegenteilige Verfahrensweise verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (vgl. Sen.Urt. v. 13.9.2005 - X ZR 62/03, GRUR 2006, 223, 224; Sen.Urt. v. 25.11.2003 - X ZR 159/00, GRUR 2004, 532, 535 - Nassreinigung ; BGH, Beschl. v. 1.6.2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710).
- 6
- nach § 544 Abs. 7 ZPO erfolgt, wird das Beschwerdeverfahren, wie die Vorschrift ausdrücklich bestimmt, abweichend von § 544 Abs. 6 nicht als Revisionsverfahren fortgesetzt und bedarf es daher der vorherigen Zulassung der Revision nicht (BGH, Beschl. v. 5.4.2005 - VIII ZR 160/04, NJW 2005, 1950). Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird vielmehr im Falle des § 544 Abs. 7 ZPO in der Weise stattgegeben, dass der Bundesgerichtshof dem Beschwerdebegehren, die Nachprüfung des Berufungsurteils zu eröffnen, durch dessen unmittelbare Aufhebung entspricht (BGH, Beschl. v. 11.10.2006 - KZR 45/05, GRUR 2007, 172 - Lesezirkel II).
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2004 - 4b O 248/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.06.2005 - I-20 U 20/05 -
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.