Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2008 - X ZB 33/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 8. April 1995 angemeldeten deutschen Patents 195 13 361 (Streitpatents), das die Patentabteilung widerrufen hat. Im Beschwerdeverfahren hat die Patentinhaberin zuletzt beantragt, das Streitpatent mit den Patentansprüchen aus ihrem Schriftsatz vom 28. August 2007 aufrechtzuerhalten. Zu diesem Hauptantrag hat sie noch einen Hilfsantrag gestellt. Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet: "Metallische Zylinderkopfdichtung für eine Brennkraftmaschine, mit wenigstens einem Deckblech (2) und einem Trägerblech (1), die übereinander angeordnet sind und die mit Schraubendurchtrittslöchern (4) und mit einer Öffnung (3) oder mit mehreren nebeneinander angeordneten Öffnungen (3) entsprechend den Brennkam- mern der Brennkraftmaschine versehen sind, wobei in dem wenigstens einen Deckblech (2) um jede Öffnung (3) herum mit Abstand zu dieser unter Belassung eines geraden Blechabschnitts (8) im Öffnungsrandbereich eine zum Trägerblech weisende Sicke (7) vorgesehen ist, für deren Schutz benachbart zu dieser um jede Öffnung (3) herum verlaufend ein innerer Verformungsbegrenzer (9) vorgesehen ist, der zugleich zur Überhöhung der Dichtung entlang des Brennraums dient, dadurch gekennzeichnet, dass auf jeder Seite des Trägerblechs (1), auf der sich ein Deckblech (2) befindet , auf der der jeweiligen Öffnung (3) abgewandten Seite der Sicke (7) zusätzlich ein weiterer äußerer Verformungsbegrenzer (12) konzentrisch zum inneren Verformungsbegrenzer (9) für die benachbarte Sicke (7) vorgesehen ist."
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- Das Patentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
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- Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin , mit der sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt.
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- II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Patentinhaberin geltend macht, der angefochtene Beschluss verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG). Sie ist jedoch nicht begründet, da der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.
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- 1. Das Patentgericht hat angenommen, dass die Merkmale des Oberbegriffs des mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs aus der japanischen Patentanmeldung 05-44845 bekannt gewesen seien. Insbesondere sei der Schrift eine Zylinderkopfdichtung mit einer zum Trägerblech weisenden Sicke (Wulst 6) zu entnehmen, für deren Schutz benachbart zu dieser um jede Öffnung herum verlaufend ein innerer Verformungsbegrenzer vorgesehen sei, der zugleich zur Überhöhung der Dichtung entlang des Brennraums diene. Die Streitpatentschrift weise zwar einleitend daraufhin, dass Brennraumüberhöhungen im Stand der Technik bekannt seien; erschöpfende Definitionen einer Ü- berhöhung für eine Zylinderkopfdichtung im Bereich einer Brennraumöffnung oder über die radiale Erstreckung einer Überhöhung ergäben sich aus der Patentschrift jedoch nicht. So sei im Sinne des Wortlautes des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag auch der japanischen Patentanmeldung 62-181756 im Bereich der Brennraumöffnung eine Überhöhung der Dichtung um einen bestimmten Betrag zu entnehmen, wenn als Bezug für die Überhöhung die Stärke des Trägerblechs (subplate 6) im Nutbereich (groove 11) herangezogen werde, zumal in den Figuren 1, 3 und 5 dieser Druckschrift, wie im Übrigen auch in den Figuren 2 bis 6 der Streitpatentschrift, offenbleibe, welche Stärke der übrige, außerhalb der Darstellung liegende Bereich der Dichtung aufweise.
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- Die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 ergäben sich zumindest in naheliegender Weise aus dem genannten St and der Technik; dies wird sodann näher ausgeführt.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde rügt, der Hinweis des Patentgerichts auf die fehlende erschöpfende Definition einer Überhöhung der Zylinderkopfdichtung im Bereich einer Brennraumöffnung oder deren radiale Erstreckung mache deutlich, dass das Patentgericht den maßgeblichen Stand der Technik lediglich anhand der Darstellung in der Streitpatentschrift, nicht aber aufgrund eigener Ermittlungen und auch nicht anhand der in der Beschreibung in Bezug genommenen Druckschriften erforscht habe. Zur Wahrung des Anspruchs der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör hätte es eines Hinweises bedurft, dass das Patentgericht den Begriff der Brennraumüberhöhung nicht im Stand der Technik als für das Verständnis des Gegenstands der Erfindung eindeutig erläutert vorgefunden habe. Auf einen entsprechenden Hinweis hätte die Patentinhaberin auf - zum Teil bereits vorgelegte - Definitionen der Brennraumerhöhung im Stand der Technik verwiesen.
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- a) Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten (BGHZ 173, 47 Tz. 30 - Informationsübermittlungsverfahren II; Sen.Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur).
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- Außer durch ein - im Streitfall nicht geltend gemachtes - Übergehen von Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten kann der Anspruch auf rechtliches Gehör hiernach auch dadurch verletzt werden, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt, zu dem sich eine Partei zwar grundsätzlich hätte äußern können, zu dem vorzutragen für sie jedoch keine Veranlassung bestand, weil die (mögliche) Entscheidungserheblichkeit dieses Gesichtspunkts auch bei Anwendung der von ihr zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennbar war (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144; Sen.Beschl. v. 4.10.2007 - X ZB 21/06, Tz. 11; Sen.Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792 - Spiralbohrer).
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- b) Das Patentgericht hat seine Entscheidung nicht auf einen Gesichtspunkt gestützt, dessen mögliche Entscheidungserheblichkeit für die Patentinhaberin nicht erkennbar war und auf den das Patentgericht sie deshalb hätte hinweisen müssen.
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- Das Patentgericht hat in dem für die Beurteilung der Rüge entscheidenden Punkt angenommen, dass das Streitpatent die im verteidigten Patentanspruch als Verformungsbegrenzer, der zugleich zur Überhöhung der Dichtung entlang des Brennraums dient, bezeichnete Brennraumüberhöhung nicht "erschöpfend" , insbesondere nicht hinsichtlich ihrer radialen Erstreckung definiere. Auf dieser Grundlage hat es eine erfindungsgemäße Brennraumerhöhung als in den beiden japanischen Entgegenhaltungen beschrieben angesehen.
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- Für den von der Rechtsbeschwerde vermissten Hinweis, dass dem Patentgericht Angaben zum Stand der Technik fehlten, bestand hiernach keine Veranlassung. Das Patentgericht hat vielmehr - in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 172, 108 Tz. 13 - Informationsübermittlungsverfahren I; st. Rspr.) und daher für die Beteiligten vorhersehbar - ermittelt, was die für das Verständnis des Patentanspruchs maßgebliche Streitpatentschrift unter einem Verformungsbegrenzer, der zugleich zur Überhöhung der Dichtung entlang des Brennraums dient, versteht. Dass es dabei den von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Vortrag sowie den in der Streitpatentschrift erwähnten Stand der Technik nicht auf seine Relevanz für die Auslegung des Patentanspruchs geprüft hat, kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil das Patentgericht diese nicht ausdrücklich erörtert hat. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass das Gericht verpflichtet wäre, sich in den Gründen sei- ner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (BGHZ 173, 47 Tz. 31 - Informationsübermittlungsverfahren II; st. Rspr.).
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- Tatsächlich versucht die Rechtsbeschwerde, im Gewande der Gehörsrüge die sachliche Richtigkeit der Auslegung des Patentanspruchs durch das Patentgericht anzugreifen. Dazu ist die Rechtsbeschwerde ohne Zulassung durch das Patentgericht nicht eröffnet.
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- 4. Die Rechtsbeschwerde ist hiernach mit der Kostenfolge des § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG zurückzuweisen.
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- Zu einer mündlichen Verhandlung hat der Senat keinen Anlass gesehen.
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 05.09.2007 - 7 W(pat) 65/04 -
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Annotations
(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:
- 1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.
(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.
(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.