Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2001 - X ZB 14/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beklagte wird in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000 wiedereingesetzt.
Beschwerdewert: 23.800,86 DM.
Gründe:
I.
Die Beklagte legte am (Montag, dem) 29. Januar 2001 gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. Dezember 2000, zugestellt am 27. Dezember 2000, bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf Berufung ein, die das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 12. März 2001 wegen
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen hat. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 20. März 2001 hat die Beklagte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat durch den angefochtenen Beschluß den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
II.
Die gemäß §§ 567 Abs. 4 Satz 2, 577 Abs. 2, 519b Abs. 2, 547, 238 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Beklagten ist gemäß § 233 ZPO die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, da sie glaubhaft gemacht hat, ohne ihr Verschulden an der Einhaltung dieser Frist verhindert gewesen zu sein.
Die Beklagte hat mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch eidesstattliche Versicherung ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten glaubhaft gemacht, daß dieser am 23. Februar 2001 einen schriftsätzlichen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist selbst gefertigt und unterschrieben, der Anwaltssekretärin B. übergeben und kontrolliert habe, daß die Sekretärin den Antrag zum Briefkasten mitgenommen habe. Insoweit hat der Prozeßbevollmächtigte die erforderliche Sorgfalt walten lassen, um die Berufungsbegründungsfrist zu wahren.
Das Oberlandesgericht hat ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten darin gesehen, daß
der Fristverlängerungsantrag unvollständig adressiert gewesen sei, weil der Schriftsatz, wie sich aus der vorgelegten Abschrift ergebe, im Sichtfenster des Briefumschlags lediglich die Angaben "Oberlandesgericht" und (in neuer Zeile) "Düsseldorf" enthalten habe.
Es kann dahinstehen, ob das Oberlandesgericht diese Adressierung zu Recht als nicht ausreichend angesehen hat, um bei dem vorliegenden Sachverhalt einen rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht sicherzustellen, was gegebenenfalls noch weiterer Aufklärung bedürfte (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1566). Denn die Beklagte hat mit der sofortigen Beschwerde vorgetragen und durch weitere eidesstattliche Versicherungen ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten und der Anwaltssekretärin B. glaubhaft gemacht, daß es der ständigen und von dem Prozeßbevollmächtigten kontrollierten Praxis in seiner Kanzlei entspreche, Schriftsätze an Gerichte, die keine vollständige Adressierung tragen, mit Sammelpost zu versenden, bei der entweder ein Schriftsatz mit vollständiger Adresse als erster des Schriftsatzstapels im Sichtfenster erscheine oder für die ein Umschlag ohne Sichtfenster verwendet werde , auf dem das Gericht, an das die Sendung adressiert sei, von Hand mit vollständiger Adresse bezeichnet werde; in einer dieser beiden Weisen müsse auch bei dem Schriftsatz vom 23. Februar 2001 an das Oberlandesgericht Düsseldorf verfahren worden sein. Nach diesem geschilderten und glaubhaft gemachten Sachverhalt, dem keine sonstigen Anhaltspunkte entgegenstehen, hat sich die unvollständige Adressierung des Antrags nicht ausgewirkt, da er in einer der genannten Varianten mit ausreichender Adressierung dem Oberlandesgericht übersandt worden ist. Ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist somit für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht ursächlich geworden.
Die Angaben in der sofortigen Beschwerde und den dieser beigegebenen eidesstattlichen Versicherungen sind auch nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil sie nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 2 ZPO erfolgt sind. Zwar müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Indessen dürfen erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben , deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366; Beschl. v. 6. Mai 1999 - VII ZB 6/99, NJW 1999, 2284; Beschl. v. 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, NJW 1998, 1870). Hier hat die Beklagte sich zunächst zur Adressierung des Schriftsatzes vom 23. Februar 2001 nicht näher geäußert und ihren Vortrag hierzu ergänzt, nachdem das Oberlandesgericht aus dem vorgelegten Ausdruck die Schlußfolgerung gezogen hat, die Adressatenangabe "Oberlandesgericht Düsseldorf" im Schriftsatz selbst sei über das Sichtfenster eines Briefumschlages auch als postalische Adresse verwendet worden. Bei dieser Sachlage liegt kein unzulässiges Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen vor.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck
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(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.