Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2013 - VIII ZR 324/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin - ein regionales Energieversorgungsunternehmen - belieferte zwei Anwesen der Beklagten in D. seit 1986 bis zum Vertragsende am 28. Februar 2010 als Tarifkunden mit leitungsgebundenem Erdgas.
- 2
- Erstmals mit Schreiben vom 12. September 2009 beanstandeten die Beklagten gegenüber der Klägerin die Unbilligkeit von Gaspreiserhöhungen. Den für die versorgten Objekte aufgelaufenen Zahlungsrückstand aus zwei Rechnungen der Klägerin vom 24. März 2010 in Höhe von 1.607,82 € (Haus Nr. 17) und 1.863,19 € (Haus Nr. 17a) glichen die Beklagten nicht aus.
- 3
- Aus diesen beiden Rechnungen nimmt die Klägerin die Beklagten auf Teilzahlungen von 1.212,01 € (Haus Nr. 17) und 1.398,58 € (Haus Nr. 17a) in Anspruch. Die Klägerin hat diesen klageweise geltend gemachten Forderungen jeweils den bis zum 30. September 2007 geltenden Arbeitspreis von 4,47 Cent/kWh zugrunde gelegt und die Auffassung vertreten, jedenfalls dieser Preis sei der zuletzt vereinbarte und damit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entzogene Preis, da die Beklagten diesem Preis nicht zeitnah, sondern erstmals mit Schreiben vom 12. September 2009 wegen angeblicher Unbilligkeit widersprochen hätten. In der Zeit danach erhöhte die Klägerin ihren Arbeitspreis in drei Schritten um 0,59 Cent/kWh weiter auf zuletzt 5,06 Cent/kWh.
- 4
- Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
II.
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- 1. Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren VIII ZR 71/10 (ZIP 2011, 1620) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt: "Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Haushalts-Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht beliefert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?"
- 6
- Ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, im Falle einer Verneinung der Vorlagefrage sei der zwischen den Parteien bestehende Erdgaslieferungsvertrag ergänzend dahin auszulegen, dass die Parteien ein der Klägerin zustehendes wirksames Preisänderungsrecht vereinbart hätten, bedarf derzeit keiner Entscheidung.
- 7
- Steht damit aufgrund der bisher nicht beantworteten Vorlagefrage die Wirksamkeit eines auf § 4 AVBGasV beziehungsweise § 5 Abs. 2 GasGVV gestützten Preisanpassungsrechts der Klägerin in Frage, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand, dass den Beklagten der den streitgegenständlichen Forderungen zugrundeliegenden Preisbemessung nicht zeitnah widersprochen haben, nicht entnommen werden, dass der in Rechnung gestellte (gegenüber dem im Jahr 1986 geltenden Anfangspreis) mehrfach erhöhte Preis zum vereinbarten Preis geworden und deshalb der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entzogen wäre (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 57 ff.; vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 34/11, NJWRR 2012, 690 Rn. 26; vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn.16 f.).
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- 2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Vorinstanzen:
AG Delmenhorst, Entscheidung vom 10.01.2012 - 46 C 6089/11 (XI) -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 13.09.2012 - 9 S 99/12 -
Annotations
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Welche Gasart für das Vertragsverhältnis maßgebend sein soll, ergibt sich aus der Gasart des jeweiligen Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung, an das die Anlage, über die der Kunde Gas entnimmt, angeschlossen ist. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Belieferung des Kunden maßgebende Ruhedruck des Gases ergeben sich aus den ergänzenden Bestimmungen des Netzbetreibers zu den allgemeinen Netzanschlussbedingungen der Anlage, über die der Kunde Gas entnimmt.
(2) Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen; hierbei hat er den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sowie den Hinweis auf die Rechte des Kunden nach Absatz 3 und die Angaben nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 in übersichtlicher Form anzugeben.
(3) Im Fall einer Änderung der Allgemeinen Preise oder ergänzenden Bedingungen hat der Kunde das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu kündigen. Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden gegenüber demjenigen Kunden nicht wirksam, der bei einer Kündigung des Vertrages mit dem Grundversorger die Einleitung eines Wechsels des Versorgers durch entsprechenden Vertragsschluss innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung nachweist.