Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2009 - VIII ZB 16/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 20. September 2007, ihr zugestellt am 25. September 2007, am 12. Oktober 2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. Dezember 2007 mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2007, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, begründet. Nachdem das Landgericht mit Schreiben vom 3. Januar 2008 auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, beantragte die Beklagte am 16. Januar 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben dazu unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen des Rechtsanwalts S. sowie der Mitarbeiterin W. im Wesentlichen ausgeführt:
- 2
- Die Berufungsbegründung sei am 27. Dezember 2007 der Kanzleimitarbeiterin W. mit dem Auftrag übergeben worden, Korrekturen vorzunehmen und den korrigierten Schriftsatz sodann nach Unterschrift durch einen der in der Rechtsanwaltspraxis tätigen Rechtsanwälte noch am 27. Dezember 2007 dem Landgericht Hagen zuzuleiten. Aus Gründen, die die Beklagte und auch die von dieser eingeschalteten Rechtsanwälte nicht zu vertreten hätten, habe die seit zwölf Jahren in der Kanzlei als Sekretärin tätige und in der Vergangenheit absolut zuverlässige Kanzleimitarbeiterin W. den ihr erteilten Auftrag erst am 28. Dezember 2007 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erledigt.
- 3
- Das Landgericht hat die Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass zwar nachträglich Tatsachen glaubhaft gemacht worden seien, aus denen sich das fehlende Verschulden der Beklagten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ergebe. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei jedoch nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt worden. Bei Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs am 16. Januar 2008 sei die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen, da das die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Hindernis bereits am 28. Dezember 2007 weggefallen sei. An diesem Tag hätte Rechtsanwalt L. bei Unterschrift der ihm vorgelegten Berufungsbegründung feststellen müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt gewesen sei. Er hätte anlässlich der Unterschrift die Rechtsmittelfrist überprüfen müssen.
II.
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- 1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zulässig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Indem das Berufungsgericht der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verweigert hat, hat es das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NJW 2005, 814, 815; BGHZ 151, 221, 227). Da das Berufungsgericht zu Unrecht (dazu unten unter 2) davon ausgegangen ist, das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten sei nicht fristgerecht gestellt und die Berufungsbegründung nicht fristgerecht nachgereicht worden, hat es der Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt.
- 5
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 6
- a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die bis zum 27. Dezember 2007 verlängerte Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 25. September 2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts bei Eingang der Berufungsbegründung am 28. Dezember 2007 abgelaufen war.
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- b) Das Berufungsgericht hat aber den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16. Januar 2008 gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihren Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Frist für ein Wiedereinsetzungsgesuch bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht zwei Wochen, sondern gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat nach Behebung des Hindernisses beträgt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die nicht nur auf Fälle der nachträglichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe anzuwenden ist (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2008 - XI ZB 11/07, NJW 2008, 1164, Tz. 8). Diese Frist, die frühestens am 28. Dezember 2007 begonnen hat, war bei Eingang des Wiedereinsetzungsgesuchs noch nicht abgelaufen.
- 8
- c) Das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten ist auch begründet. Die Beklagte hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht , dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die bis zum 27. Dezember 2007 verlängerte Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten war ihr nicht zuzurechnen, da diesen kein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last fällt. Rechtsanwalt S. hat die stets zuverlässige Mitarbeiterin W. am 27. Dezember 2007 konkret angewiesen, den von ihm korrigierten Berufungsbegründungsschriftsatz nach Durchführung der Korrekturen durch einen der in der Kanzlei anwesenden Rechtsanwälte unterzeichnen zu lassen und noch am selben Tag dem Landgericht Hagen zuzuleiten. Auf die ordnungsgemäße Ausführung dieser Weisung durfte er vertrauen.
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- 3. Der Beklagten ist daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren mit der Folge, dass die Zurückweisung (richtig: Verwerfung) der Berufung durch das Landgericht gegenstandslos ist.
Dr.Schneider Dr.Bünger
Vorinstanzen:
AG Iserlohn, Entscheidung vom 20.09.2007 - 43 C 510/03 -
LG Hagen, Entscheidung vom 15.02.2008 - 10 S 177/07 -
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(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.