Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2003 - VII ZR 383/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Klägerin wurde vor dem Berufungsgericht von den Rechtsanwälten S. & Partner, Leipzig, sowie von Rechtsanwalt F., Bad Homburg, vertreten. Das Berufungsurteil, in dem die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre Klage abgewiesen wurde, wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin je-weils am 20. September 2002 zugestellt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die Klägerin hat nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (Montag, 21. Oktober 2002) am 6. November 2002 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt. Zur Wiedereinsetzung hat sie glaubhaft gemacht: Ihre Prozeßbevollmächtigten hätten vereinbart, daß die Fristenkontrolle allein von Rechtsanwalt F. geführt werden sollte. In dessen Kanzlei werde die Post vom Anwaltskollegium gemeinsam geöffnet und anschließend einer Mitarbeiterin übergeben, welche die Post auf die Dezernate verteile. Dort werde die Frist in einen manuellen und einen elektronischen Kalender (System Rechtsanwalt Micro) eingetragen. Die zuständige Mitarbeiterin Fe., die seit 18 Jahren als Anwaltsgehilfin tätig sei und der bisher niemals Fehler bei der Fristenkontrolle und Fristeneintragung unterlaufen seien, habe die Frist am Tage des Zugangs des Urteils zutreffend für den 21. Oktober 2002 eingetragen. Sie habe jedoch die Frist am 24. September 2002 aus dem manuellen und elektronischen Kalender gestrichen, als die Rechtsanwälte S. & Partner, Leipzig, die ihnen übersandte Urteilsabschrift geschickt hätten. Frau Fe. sei dabei irrig davon ausgegangen, sie habe eine vom Gericht zugestellte Urteilsausfertigung vor sich. Sie habe deshalb die neue Frist auf 24. Oktober 2002 notiert und damit gegen die Weisung verstoßen, unbearbeitete Fristen nicht ohne Rücksprache mit dem Rechtsanwalt zu streichen. Rechtsanwalt F. habe die Fristversäumung erst am 24. Oktober 2002 bemerkt.
II.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht innerhalb der Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingelegt und deshalb zu verwerfen. 2. Der form- und fristgerecht eingelegte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin war nicht ohne das ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten verhindert, die Frist einzuhalten. Die Klägerin hat nicht dargetan, daß beide Prozeßbevollmächtigte ihre Pflichten im Rahmen der Fristenkontrolle erfüllt haben.a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345, 347; ebenso BVerwG, Beschluß vom 21. Dezember 1983 - 1 B 152/83, NJW 1984, 2115; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 172 Rn. 9 m.w.N.) ist für den Fall, daß eine Partei durch mehrere Prozeßbevollmächtigte vertreten wird, für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist auf die zeitlich erste Zustellung an einen der Prozeßbevollmächtigten abzustellen. Gleiches gilt für den Lauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ; denn gemäß § 84 ZPO sind mehrere Prozeßbevollmächtigte berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle war daher nur gewährleistet, wenn Vorkehrung getroffen war, daß für die Fristberechnung sowohl die Zustellung an die Rechtsanwälte S. & Partner als auch an Rechtsanwalt F. im Hinblick darauf beachtet wurde, an wen zuerst zugestellt war. Denn nur dadurch konnte der Fristbeginn zutreffend berechnet werden.
b) Die Rechtsanwälte S. & Partner waren daher gehalten, die für die fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels erforderlichen Daten zu übermitteln (BGH, Beschluß vom 25. Mai 1993 - VI ZB 32/92, VersR 1994, 199 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies regelmäßig schriftlich zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluß vom 4. April 2000 - VI ZB 3/00, NJW 2000, 3071 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 31). Die Rechtsanwälte S. & Partner mußten daher, um Rechtsanwalt F., der die Fristenkontrolle intern übernommen hatte, mitteilen, wann ihnen das Urteil zugestellt war. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, daß sie dieser Verpflichtung nachgekommen sind. Die Rechtsanwälte S. & Partner schickten danach lediglich die ihnen übersandte Ausfertigung des Urteils und eine Kopie.
c) Rechtsanwalt F. hatte die Fristenkontrolle so zu organisieren, daß die endgültige Frist erst dann berechnet und eingetragen wurde, wenn geklärt war, wann an die Rechtsanwälte S. & Partner zugestellt war. Dazu ist nichts vorgetragen.
d) Es ist nicht auszuschließen, daß die Bürokraft Fe. die fehlerhafte Änderung nicht vorgenommen hätte, wenn die Rechtsanwälte S. & Partner das Zustellungsdatum mitgeteilt hätten und Rechtsanwalt F. organisatorische Vorkehrungen getroffen hätte, daß ohne Kenntnis der Erstzustellung keine endgül-
tige Frist berechnet und eingetragen worden wäre. Die Fristversäumung kann demnach auf einem Fehlverhalten der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beruhen, das dieser gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Dressler Thode Kuffer Kniffka Bauner
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmung der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.