Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2003 - VII ZB 45/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Parteien haben über Ansprüche der in I. (Niedersachen) ansässigen Klägerin aus einem Vertrag über eine von ihr herzustellende und zu liefernde Treppe gestritten. Nach Beantragung und Erlaß eines Mahnbescheides durch den in Gr. (Niedersachsen) ansässigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und Widerspruch durch den in Gl. (Sachsen – Anhalt) wohnhaften Beklagten wurde die Sache an das Amtsgericht N. abgegeben. Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 10. September 2001 der Klägerin 20%, dem Beklagten 80% der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. In der mündlichenVerhandlung vor dem Amtsgericht hatte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin sich durch einen dort ansässigen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Die Klägerin hat zur Kostenausgleichung eigene Kosten in Höhe von 586,60 DM angemeldet. Darin enthalten waren Kosten eines Unterbevollmächtigten. Das Amtsgericht hat die Kosten des Unterbevollmächtigten für nicht erstattungsfähig gehalten und insgesamt lediglich 386,00 DM angesetzt.
Die sofortige Beschwerde hiergegen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin die Festsetzung der Kosten des Unterbevollmächtigten weiter.
II.
1. Das Landgericht ist der Auffassung, es sei der Klägerin zuzumuten gewesen, unmittelbar einen Rechtsanwalt am Sitz des Gerichts zu beauftragen. Auch in Höhe fiktiver Reisekosten seien die Kosten eines Unterbevollmächtigten nicht zu erstatten, da es einer im Geschäftsleben erfahrenen Partei, insbesondere einem Kaufmann, zumutbar gewesen sei, den auswärtigen Anwalt auf den üblichen Kommunikationswegen zu informieren. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Sache keine tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise oder dem Geschäftsbetrieb der Partei zuzuordnen sei. Einer persönlichen Kontaktaufnahme habe es angesichts der für einen wirtschaftlich Tätigen geringen Bedeutung der Sache nicht bedurft.2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht überspannt die Anforderungen an die zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-
gung notwendigen Kosten und trifft keine Feststellungen, die die Absetzung der Kosten des Unterbevollmächtigten rechtfertigen könnten.
a) Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den in der Nähe des Wohnortes der Partei ansässigen Rechtsanwalt der Partei Termine beim Prozeßgericht wahrnimmt, sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten selbst entstanden wären. Eine geringfügige Überschreitung der ersparten Reisekosten durch die Einschaltung des Unterbevollmächtigten von bis zu 10% steht der Erstattung nicht entgegen (BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 899 ff.). Voraussetzung für die Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten ist demnach zunächst, daß die dem Hauptbevollmächtigten bei eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten wären. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht dem nicht entgegen, da die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den beim Prozeßgericht nicht zugelassenen Anwalt nicht gerechtfertigt ist. Die Erstattung der Reisekosten des beim Prozeßgericht nicht zugelassenen und dort auch nicht ansässigen Anwalts regelt vielmehr § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO; Voraussetzung für die Erstattung der Reisekosten ist danach, daß die Zuziehung des auswärtigen Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Das ist regelmäßig der Fall (BGH, aaO, NJW 2003, 898, 899 ff.; Beschluß vom 10. April 2003 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027, 2028).
b) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Beauftragung eines in der Nähe des Geschäftsortes der Partei ansässigen Rechtsanwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist, kommt in Betracht, wenn
schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Das ist der Fall bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat (BGH aaO). Eine weitere Ausnahme, bei der die unmittelbare Hinzuziehung eines Rechtsanwalts beim Prozeßgericht zumutbar sein kann, ist bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung denkbar, wenn die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben. Hierzu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Allein daß die Sache tatsächliche Schwierigkeiten nicht aufweist und in wirtschaftlicher Hinsicht von geringer Bedeutung ist, reicht hierfür nicht. Welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreites aufwirft, ist für die rechtsunkundige Partei regelmäßig nicht vorhersehbar. Dafür, ob die Klägerin über eine Rechtsabteilung oder, wenn man insoweit einen geringeren Organisationsgrad ausreichen lassen will, wenigstens über Mitarbeiter verfügte, zu deren Aufgabengebiet das Bearbeiten von Rechtsfällen gehört und die die hierfür erforderliche Sachkunde aufweisen, hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Allein aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin und ihrer Rechtsform ergibt sich das nicht, zumal das Landgericht auch keinerlei Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit der Klägerin, Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter oder ähnlichem getroffen hat.
c) Daraus, daß die Klägerin zunächst einen Mahnbescheid beantragt hat und das Verfahren erst nach dem Widerspruch des Beklagten an das Gericht des streitigen Verfahrens abgegeben wurde, ergibt sich nichts anderes.
d) Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu treffen kann, ob
die Klägerin einen in der Nähe ihres Geschäftssitzes ansässigen Rechtsanwalt aus kostenrechtlicher Sicht beauftragen durfte oder ob einer der genannten Ausnahmefälle von dem Grundsatz, daß die Beauftragung eines in der Nähe des Geschäftsortes der Partei ansässigen Rechtsanwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist, vorliegt. Im ersten Fall wird das Landgericht ferner Feststellungen zu den durch Einschaltung eines Unterbevollmächtigten ersparten Reisekosten zu treffen haben. Das kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 559 ZPO).
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.