Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2000 - VII ZB 11/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts S. vom 16. November 1999 erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Das Rechtsmittel ist begründet.Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung nicht gewährt, weil die Beklagte nicht glaubhaft gemacht habe, daß die Berufungsfrist unverschuldet versäumt worden ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Verspätung auf Mängel bei den organisatorischen Maßnahmen des Prozeßbevollmächtigten zur wirksamen Ausgangskontrolle für fristwahrende Schriftsätze zurückzuführen ist. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Das Berufungsgericht hat einen durchgreifenden, bereits im ursprünglichen Gesuch vorgetragenen und glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrund übersehen. Auf die nach seiner Meinung nicht ausreichend organisierte Ausgangskontrolle kommt es wegen einer konkreten Einzelanweisung nicht entscheidend an. Erteilt ein Prozeßbevollmächtigter unter Abweichung einer bestehenden Kanzleiorganisation einer zuverlässigen Kanzleikraft eine auf den konkreten Fall bezogene Einzelanweisung, bei deren Befolgung die einzuhaltende Frist gewahrt worden wäre, dann trifft ihn kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden, wenn seine Weisung versehentlich nicht befolgt wird und deshalb die Frist verstreicht (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 - X ZB 20/98, NJW 1999, 429; 25. März 1998 - IV ZB 1/98, BGHR ZPO § 233 Einzelanweisung 2 und vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95, VersR 1996, 348 jeweils m.w.N.). So liegt es hier. Die Beklagte hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, sie habe erst am letzten Tag der Berufungsfrist gegen 16 Uhr auf fernmündliche Nachfrage der Anwaltssekretärin Weisung erteilt, Berufung einzulegen. Die mit Fristsachen
betraute, bis dahin stets zuverlässige Anwaltssekretärin habe sodann die Berufungsschrift gefertigt, von dem Rechtsanwalt unterschreiben lassen und versprochen , das Schriftstück mitzunehmen und nach Dienstschluß auf dem Weg nach Hause in den Nachtbriefkasten des Landgerichts einzuwerfen. Das habe sie dann vergessen. Die Berufungsschrift habe sie auf ihrem Schreibtisch liegen lassen und dort am nächsten Tag bei Dienstbeginn vorgefunden. Mit der konkreten Einzelanweisung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an seine Sekretärin, den von ihr gefertigten Schriftsatz persönlich nach dem kurz bevorstehenden Dienstschluß in den Nachtbriefkasten einzuwerfen, war die Fristwahrung gewährleistet. Der Sekretärin war der Fristablauf an diesem Tag bekannt. Der Prozeßbevollmächtigte und demgemäß auch die Beklagte , § 85 Abs. 2 ZPO, haben nicht dafür einzustehen, daß die Sekretärin diese Anweisung versehentlich nicht ausgeführt hat. Ullmann Thode Kuffer Kniffka Wendt
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.