Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2019 - VI ZR 428/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2019 durch die Richterin von Pentz als Vorsitzende, den Richter Wellner, die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff sowie den Richter Dr. Klein
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens nach dem Brand eines Bootsschuppens in Anspruch.
- 2
- Die Kläger sind Miteigentümer einer Box in einer Bootsschuppenanlage. Die Anlage wurde durch einen Brand völlig zerstört. Der Beklagte hatte ebenfalls eine Box in der Anlage gepachtet. Er war zum Zeitpunkt des Brandes an und in der Anlage und wurde durch den Brand erheblich verletzt. Die Kläger behaupten, der Beklagte habe den Brand bei der Betankung seines Bootes sorgfaltswidrig verursacht. Ein Betanken der Boote in der Box sei untersagt gewesen , der Beklagte habe um die Gefährlichkeit eines derartigen Betankungsvorgangs gewusst. Der Beklagte bestreitet den Hergang der Brandentstehung mit Nichtwissen. Er behauptet, sich aufgrund seiner schweren Verletzungen nicht an die damaligen Ereignisse erinnern zu können.
- 3
- Das Amtsgericht - Binnenschifffahrtsgericht - hat die Klage aus tatsächlichen Gründen abgewiesen. Den Klägern sei der Nachweis eines sorgfaltswidrigen Verhaltens des Beklagten nicht gelungen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zwar spreche vieles dafür, dass der Beklagte den Brand verursacht habe. Eine andere Ursache sei jedoch nicht ausgeschlossen. Jedenfalls aber habe der Beklagte nicht sorgfaltswidrig gehandelt, weil er keine Kenntnis darüber haben musste, dass das Betanken eines Bootes innerhalb der geschlossenen Box zu einem Brand führen könne.
- 4
- Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.
II.
- 5
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 6
- 1. Der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist verletzt, weil das Berufungsgericht ihren Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO versehentlich nicht zur Kenntnis genommen und nach Ablauf der bis zum 22. September 2017 laufenden Frist die Berufung der Kläger ohne weiteres gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat. Die Kläger hatten mit Anwaltsschriftsatz vom 20. September 2017 die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme um einen Monat beantragt. Das hierzu am 22. September 2017 um 17.43 Uhr beim Berufungsgericht eingegangene Telefax wurde jedoch versehentlich nicht ausgedruckt und daher der Geschäftsstelle nicht vorgelegt. Das Original des Schriftsatzes wurde zunächst versehentlich zu einer Parallelakte genommen und gelangte ebenfalls nicht rechtzeitig zum hiesigen Vorgang. Dass der Fristverlängerungsantrag der Kläger dem Berufungssenat somit nicht vorgelegen hat und damit von diesem nicht berücksichtigt werden konnte, ändert nichts an der Gehörsverletzung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - VII ZB 2/09, NJW-RR 2011, 424 Rn. 14; BVerfGE 62, 437, 352; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 321a Rn. 8).
- 7
- 2. Die Gehörsverletzung ist auch erheblich. Die Kläger machen mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde geltend, im Falle einer Fristverlängerung hätten sie ausführen lassen, dass der Beklagte eine sekundäre Darlegungslast habe, weil sich die Umstände, die zum Brand geführt haben, grundsätzlich im Wahrnehmungsbereich des Beklagten befunden hätten. Es kann nicht ausgeschlos- sen werden, dass das Berufungsgericht zu einem den Klägern günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es diesen Vortrag berücksichtigt hätte.
- 8
- a) Der Beklagte hat den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten. Nach § 138 Absatz 4 ZPO ist die Erklärung einer Partei mit Nichtwissen jedoch nur über Tatsachen zulässig, die weder ihre eigenen Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Ein Bestreiten eigener Wahrnehmungen und Handlungen mit Nichtwissen kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausnahmsweise und dann in Betracht, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, NJW 1995, 130, 131; vom 19. April 2001 - I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613). Dies beruht auf der Erwägung, dass sich die erklärungsbelastete Partei nicht vorschnell oder leichtfertig ihrer Last entziehen darf. Die Partei, die sich auf fehlende Erinnerung beruft, muss daher nähere Umstände dartun, die das Fehlen von Erinnerung glaubhaft machen. Bestreitet der Gegner diese Umstände , muss sie die Partei, die sich auf fehlende Erinnerung beruft, beweisen (Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 41; MünchKomm /Fritsche, ZPO, 5. Aufl., § 138 Rn. 29; BeckOK/von Selle, ZPO, Stand 1.12.2018, § 138 Rn. 28).
- 9
- Da die Kläger die Umstände der verletzungsbedingten Amnesie des Beklagten bestritten haben, hätte es folglich dem Berufungsgericht oblegen, den vom Beklagten hierzu angebotenen Beweis (Parteivernehmung, Zeugen und Sachverständigengutachten) zu erheben.
- 10
- b) Die je nach Beweisergebnis möglicherweise bestehende sekundäre Darlegungslast des Beklagten kann sich - was der Senat mit seinem Beschluss vom 17. Juli 2018 zunächst übersehen hat, der deshalb gemäß § 321a Abs. 5 Satz 3 iVm § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben war - nicht nur auf die vom Berufungsgericht für offen gehaltene Frage auswirken, ob der Brand überhaupt vom Beklagten verursacht wurde. Jedenfalls nicht auszuschließen ist auch ein Einlassungsverhalten des Beklagten, das zur Feststellung eines sorgfaltswidrigen Verhaltens jenseits des bloßen Betankens des Bootes im geschlossenen Raum (etwa: Rauchen einer Zigarette) führen könnte. Dass das Betanken des Bootes im geschlossenen Raum als solches dem Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mangels entsprechender Vorschriften jedenfalls subjektiv nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, würde die Klagabweisung in diesem Fall nicht mehr selbständig tragen.
Roloff Klein
Vorinstanzen:
AG Waren (Müritz), Entscheidung vom 30.08.2016 - 106 C 1100/15 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.09.2017 - 6 U 202/16 BSch -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wird das Versäumnisurteil in dem neuen Urteil aufgehoben.