Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2010 - VI ZR 254/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
- 2
- 1. Kein Rechtsfehler liegt allerdings vor, soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und aus § 826 BGB deshalb verneint, weil dem Beklagten kein vorsätzli- ches Handeln betreffend die unzutreffenden Prospektangaben zu den Weichkosten zur Last gelegt werden könne. Die Erheblichkeit eines anlagerelevanten Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, was bedeutet, dass der Täter nicht nur die tatsächlichen Umstände kennen, sondern zugleich die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen muss; ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt tatrichterlicher Würdigung, die das Revisionsgericht bis zur Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04 - NJW 2005, 2242; vgl. auch BVerfG, NJW 2008, 1726). Auch wenn der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht, anders lag als der Streitfall, gilt doch der Grundsatz, dass der Vorsatz sich zwingend auf die einzelnen Elemente der Begehungsweise beziehen muss, allgemein. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt, weil er seinerzeit auch aufgrund rechtlicher Beratung habe glauben dürfen, die Prospekte seien hinsichtlich der Darstellung der Weichkosten unbedenklich, ist danach eine rechtlich nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung.
- 3
- 2. Unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hat das Berufungsgericht jedoch weiteren Vortrag des Klägers übergangen, aus dem sich die Haftung des Beklagten nach den genannten Vorschriften ergeben kann.
- 4
- Die Nichtzulassungsbeschwerde macht unter konkretem Hinweis auf den
zutreffend unterstellten und beweisbewehrten Vortrag des Klägers seien zwischen
der C. GmbH und dem Beklagten von den Prospektangaben abweichende
Sondervereinbarungen über die Honorierung der I. GmbH getroffen
worden. Unstreitig sei, dass der Beklagte gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter
der C. GmbH, der Initiatorin, Prospektherausgeberin und Komplementä-
rin der Fondsgesellschaft, und Gesellschafter-Geschäftsführer der I. GmbH
gewesen sei. Es entspreche aber der seit Jahrzehnten gefestigten höchstrichterlichen
Rechtsprechung, dass ein Prospekt wesentliche kapitalmäßige und
personelle Verflechtungen zwischen einerseits der Komplementär-GmbH, ihren
Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den
Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern
offenzulegen habe, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach
dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt
habe. Nicht nur auf die Sonderabsprachen und auf die in Rede stehende
Verflechtung, sondern auch auf den daraus resultierenden Prospektfehler habe
der Kläger in aller Deutlichkeit hingewiesen. Er habe dabei auch dargelegt,
dass die Verflechtung einen anlageentscheidenden, also im Sinne des § 264a
Abs. 1 StGB erheblichen Umstand darstelle und dass sie vom Beklagten bewusst
verschwiegen worden sei.
- 5
- Mit diesen Gesichtspunkten, deren Vortrag sich aus den Akten ergibt, hat sich das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht befasst. Zwar ist
der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung darin zuzustimmen, dass in den
Entscheidungsgründen eines Urteils nicht zu jedem Punkt des Parteivortrags
Stellung genommen werden muss. Den von der Nichtzulassungsbeschwerde
dargestellten Sachvortrag durfte das Berufungsgericht indes nicht unerörtert
lassen, da sich daraus in Anbetracht der dargestellten Rechtsprechung eine
Haftung des Beklagten ergeben kann. Das Berufungsgericht hat den Vorsatz
des Beklagten lediglich mit der Erwägung verneint, er habe seinerzeit die
Rechtsprechung des III. Zivilsenats zu den Weichkosten noch nicht kennen
können. Die Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Offenlegung kapitalmäßiger
und personeller Verflechtungen war indes zum Zeitpunkt der hier in Frage stehenden
Beteiligungen längst gefestigt (vgl. BGHZ 79, 337, 345; Urteile vom
14. Januar 1985 - II ZR 41/84 - WM 1985, 533, 534; vom 4. März 1987 - IVa ZR
122/85 - WM 1987, 495, 497; vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93 - NJW 1995,
130; vom 7. April 2003 - II ZR 160/02 - NJW-RR 2003, 1054, 1055; zu diesem
Gesichtspunkt im Zusammenhang mit den vorliegend in Frage stehenden Anlagen
vgl. auch BGH, Urteile vom 29. Mai 2008 - III ZR 59/07 - NJW-RR 2008,
1129 Rn. 25; vom 6. November 2008 - III ZR 231/07 - NJW-RR 2009, 329
Rn. 13).
- 6
- Da der vorgenannte Sachvortrag des Klägers im Berufungsurteil auch nicht ansatzweise gewürdigt wird, lässt sich nicht ausschließen, dass das Berufungsgericht
ihn nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Dem hält die
Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung ohne Erfolg entgegen, es sei offensichtlich
, dass das Berufungsgericht den Vortrag als verspätet nicht hätte zulassen
dürfen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit das Revisionsgericht überhaupt
auf die Verspätungsvorschriften zurückgreifen kann, wenn der Tatrichter sie
nicht angewendet hat. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die gesellschaftliche
Verflechtung streitig gewesen wäre, und der Vortrag einer Rechtsansicht
kann nicht als verspätet behandelt werden.
- 7
- Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des in Frage
stehenden Sachvortrags zu einer abweichenden Beurteilung der Haftungsfrage
gelangt wäre. Die Bemerkung in dem Berufungsurteil, der Beklagte sei
nicht prospektverantwortlich gewesen, steht dem nicht entgegen. Der Kapitalanlagebetrug
gemäß § 264a StGB ist kein Sonderdelikt. Täter kann nicht nur der
Herausgeber des Prospektes sein, sondern jedermann, der im Zusammenhang
mit dem Vertrieb von Kapitalanlagen falsche Angaben macht. Neben den eigentlichen
Emittenten kommen als Täter auch andere Personen in Betracht,
wenn und soweit diese tatsächlich Einfluss auf den Inhalt haben (vgl. Münch-
Komm-StGB/Wohlers, § 264a Rn. 62 ff.). Dies war nach dem Vortrag des Klägers
bei dem Beklagten der Fall.
Galke Zoll Diederichsen
Pauge von Pentz
LG München I, Entscheidung vom 23.01.2008 - 23 O 8747/07 -
OLG München, Entscheidung vom 08.09.2008 - 17 U 2358/08 -
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Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer im Zusammenhang mit
- 1.
dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder - 2.
dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
(1) Wer im Zusammenhang mit
- 1.
dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder - 2.
dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.