Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - VI ZB 75/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Urteil des Amtsgerichts vom 9. Juli 2008 ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 21. Juli 2008 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008, per Fax eingegangen beim Landgericht am selben Tage, hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und beantragt , Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren und die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. Oktober 2008 zu verlängern. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat er vorgetragen, ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist. Diese beruhe auf einem Fehler der Angestellten L. seines Prozessbevollmächtigten , das diesem nicht zuzurechnen sei. Einzuhaltende Fristen würden im Büro seines Prozessbevollmächtigten durch Eintragung in einen Papierkalender kontrolliert. Die mit der Fristennotierung und Fristenkontrolle beauftragte Mitarbeiterin L. habe es versäumt, die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist nebst den entsprechenden Vorfristen im Papierkalender zu notieren. Stattdessen habe sie die Fristen in den elektronischen Kalender eingetragen. Das Verschulden von Frau L. sei dem Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten nicht zuzurechnen. Frau L. sei eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte , die seit 1. Juli 2008 im Büro des Prozessbevollmächtigten als Büroleiterin tätig gewesen sei. Sie sei durch zwei weitere Mitarbeiterinnen des Beklagten in die Organisation der Fristenkontrolle eingewiesen worden. Das Beschäftigungsverhältnis mit Frau L. sei am 25. August 2008 innerhalb der Probezeit gekündigt worden, nachdem Frau L. erklärt habe, dass sie sich der Arbeit und der Belastung im Büro des Prozessbevollmächtigten nicht gewachsen fühle. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags bezieht sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts - und Notargehilfin N.
- 2
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist erstrebt.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
- 4
- 1. Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424 und vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - VersR 2008, 1374; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - NJW-RR 2005, 916). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
- 5
- 2. Entgegen der Annahme des Beklagten ist der Zulässigkeitsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Der Fall wirft nicht die klärungsbedürftige Frage auf, ob und - gegebenenfalls - unter welchen Voraussetzungen der Anwalt in den Fällen, in denen nach der Büroorganisation die Eintragung in den in Papierform geführten Fristenkalender maßgeblich ist, durch organisatorische Maßnahmen/Vorkehrungen sicherstellen muss, dass auch die zusätzlich im elektronischen Kalender eingetragenen Fristen überwacht werden. Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil nach dem Vortrag des Beklagten im Büro seines Prozessbevollmächtigten lediglich der Fristenkalender in Papierform zur Fristenkontrolle geführt wird. Bei der zur Fristversäumnis führenden Eintragung in den elektronischen Fristenkalender handelte es sich um eine von der allge- meinen Büroorganisation abweichende eigenmächtige Handhabung durch die ehemalige Mitarbeiterin L.
- 6
- 3. Bei dieser Sachlage erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine höchstrichterliche Entscheidung, weil der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang steht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt wurde (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 1993 - VII ZB 18/92 - VersR 1993, 772, 773 und vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - VersR 2007, 1391). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.
- 7
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen (BGH, Beschlüsse vom 5. November 2003 - XII ZR 140/02 - BGHR ZPO § 233 - Fristenberechnung 5 m.w.N. und vom 27. September 2007 - IX ZA 14/07 - AnwBl 2008, 71). Ein Prozessbevollmächtigter darf aber mit der Notierung und Überwachung von Fristen Personal nur betrauen, soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen.
- 8
- b) Den Beklagtenvertreter trifft an der Nichteinhaltung der Berufungsfrist ein eigenes Kontrollverschulden, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Beklagten zuzurechnen ist. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten von der Zuverlässigkeit der zum 1. Juli 2008 neu eingestellten Mitarbeiterin L. überzeugt hätte, bevor er ihr die Fristenkontrolle zur selbständigen Erledigung übertrug. Allein der Umstand , dass Frau L. die Prüfung zur Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Note "gut" bestanden hatte, machte die anfängliche Kontrolle der Arbeit von Frau L.
Vorinstanzen:
AG Soltau, Entscheidung vom 09.07.2008 - 4 C 60/08 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 24.09.2008 - 9 S 74/08 -
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(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.