Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2011 - VI ZB 64/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Antragsteller betreibt als Miterbe seiner Ehefrau ein selbstständiges Beweisverfahren zu der Behauptung, die acht Antragsgegner hätten den Tod seiner Ehefrau durch ärztliche Behandlungsfehler mitverursacht, weil sie als behandelnde Hausärzte, Radiologen und Neurologen den im März 2006 diagnostizierten bösartigen Hirntumor nicht rechtzeitig erkannt hätten. Er hat die Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten zu dreizehn Fragen beantragt. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei bereits zweifelhaft, ob der Antragsteller infolge seiner fehlenden Aktivlegitimation als bloßer Miterbe ein rechtliches Interesse an der Beweisaufnahme habe. Die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens sei aber jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Antrag nicht auf die Feststellung der in § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Tatsachen, sondern darauf gerichtet sei, Behandlungsfehler der Antragsgegner festzustellen und deren Haftung umfassend zu klären. Außerdem seien die auf alle Antragsgegner bezogenen Fragen zu allgemein formuliert und auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.
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- Das Beschwerdegericht hat auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Landgerichts im Kostenausspruch aufgehoben und im Übrigen dem Antrag stattgegeben. Die Bestimmung und Instruktion des Sachverständigen hat das Beschwerdegericht dem Landgericht übertragen. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Antragsgegner zu 1 bis 6 und zu 8 ihr Ziel der Zurückweisung des Antrags weiter.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die erstgenannte Alternative liegt nicht vor. Die Statthaftigkeit ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der zweiten Alternative. Zwar hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist aber für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Ent- scheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden. Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der Zulässigkeitsfrage zugelassen hat (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09, VersR 2010, 1241 Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 20. April 2011 - VII ZB 42/09, MDR 2011, 746).
- 5
- So liegt der Fall hier. Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Beschluss, durch den dem Antrag im selbstständigen Beweisverfahren stattgegeben wird, nicht anfechtbar. Dies begegnet - entgegen der Stellungnahme der Antragsgegner - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der ungleichmäßigen Gestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Verfahrensbeteiligten (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Wie die Antragsgegner nicht verkennen, garantiert das Grundgesetz im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG und in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs lediglich die eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung, während ein Instanzenzug von Verfassungs wegen nicht garantiert ist (BVerfGE 107, 395, 401 ff.).
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- Unbedenklich ist auch, dass das Gesetz nur dem Antragsgegner die Anfechtung versagt, während der Antragsteller gegen eine ablehnende Entscheidung Beschwerde einlegen kann. Antragsteller und Antragsgegner sind im selbstständigen Beweisverfahren von der die Verfahrenseinleitung betreffenden Gerichtsentscheidung in unterschiedlicher Weise betroffen. Wird der Antrag auf Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens abgelehnt, wird dem Antragsteller in diesem Verfahren der Zugang zu Gericht verwehrt. Wird das Verfahren angeordnet, muss der Antragsgegner lediglich hinnehmen, dass der Beweis erhoben wird. Ein stattgebender Beschluss begründet keine titulierten Verpflichtungen des Beweisgegners und versagt diesem auch keine ihm von der Zivil- prozessordnung eingeräumten eigenen prozessualen Ansprüche (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2001 - 11 W 12/01, NJW-RR 2001, 1727 Rn. 4 ff.).
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- Der Gesetzgeber war deshalb nicht gehindert, einen Rechtsbehelf gegen eine das selbstständige Beweisverfahren anordnende Entscheidung zu versagen. Die Versagung der Anfechtung liegt bei Anwendung zivilprozessualer Maßstäbe auch deshalb nahe, weil die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten im selbstständigen Beweisverfahren nicht weiter gehen als im Hauptsacheverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09, aaO Rn. 7). Dort findet indes die Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, nicht statt (§ 355 Abs. 2 ZPO).
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- Die Ausführungen der Antragsgegner in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2011 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Diederichsen Pauge
Vorinstanzen:
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 28.04.2010 - 1 OH 17/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.11.2010 - 7 W 25/10 -
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(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.
(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass
- 1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, - 2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, - 3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht durch Beschluss.
(2) In dem Beschluss, durch welchen dem Antrag stattgegeben wird, sind die Tatsachen, über die der Beweis zu erheben ist, und die Beweismittel unter Benennung der zu vernehmenden Zeugen und Sachverständigen zu bezeichnen. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht. Sie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen.
(2) Eine Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, findet nicht statt.