Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05

published on 12/07/2005 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2005 - VI ZB 4/05
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 4/05
vom
12. Juli 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2005 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Januar 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 11.616,52 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen das ihre Klage teilweise abweisende Urteil des Landgerichts vom 16. Juli 2004, das ihr am 10. August 2004 zugestellt worden ist, mit Telefax vom 16. September 2004 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat hierzu vorgetragen, daß die Berufungsschrift ausweislich der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden L. am 8. September 2004 vor 18.00 Uhr durch Einwurf in den Briefkasten zur Post aufgegeben worden ist. Dies sei auch
in den Akten vermerkt und vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geprüft worden. Der Schriftsatz sei offensichtlich auf dem Postweg verloren gegangen. Die Akte sei am 10. September 2004 zur Fristenkontrolle durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf dessen Schreibtisch gelegt worden. Dem Prozeßbevollmächtigten sei es aufgrund einer schweren Magen-Darm-Grippe, an der er in der Nacht zum 10. September 2004 überraschend erkrankt sei, unmöglich gewesen, die Frist selbst zu kontrollieren oder sich organisatorisch um eine ausreichende Fristenkontrolle durch die Kanzlei zu kümmern. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 13. Januar 2005 den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Es hat der Klägerin eine schuldhafte Fristversäumnis ihres Prozeßbevollmächtigten zugerechnet. Dieser habe versäumt, auch im Fall einer plötzlichen Erkrankung sicherzustellen, daß ein Vertreter vorhanden ist oder vom Büropersonal zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen beigezogen werden kann. Gegen den am 20. Januar 2005 zugestellten Beschluß hat die Klägerin am 5. Februar 2005 Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hat sie nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 14. April 2005 begründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß den §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im übrigen zulässig (vgl. §§ 574 ff. ZPO). Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hinreichend
sichergestellt hat, daß im Falle seiner plötzlichen Erkrankung ein Vertreter vorhanden ist oder zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen vom Büropersonal beigezogen werden kann. Er war nämlich nicht verpflichtet, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes telefonisch zu erkundigen und eine gesonderte Fristenkontrolle durchzuführen, nachdem die Berufungsschrift wie von der Klägerin glaubhaft gemacht, zwei Tage vor Fristablauf von seiner Büroangestellten zur Post gegeben wurde und besondere Umstände, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeit führen könnten, ersichtlich nicht gegeben sind. Da die normale Postlaufzeit bei Briefen erfahrungsgemäß nicht mehr als zwei Werktage (Zustelltage) beträgt (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV), genügte es, die Berufungsschrift zwei Tage vor Ablauf der geltenden Berufungsfrist abzusenden (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Januar 2003 - X ZB 7/02 - NJW-RR 2003, 1000 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 90, 326, BVerfG NJW 1992, 38 ff. und NJW 1994, 1854 ff.). Der Prozeßbevollmächtigte durfte auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten und den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht vertrauen (st.Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - VersR 2004, 354, 355 m.w.N.). Zu weiteren Vorkehrungen, um den fristgerechten Eingang eines Schriftsatzes sicherzustellen , war er nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet. Trifft ein Anwalt darüber hinaus Vorkehrungen zur Fristenkontrolle und unterlaufen ihm hierbei Fehler, so ist deshalb die Versagung der Wiedereinsetzung nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - aaO;
BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00 - BRAK-Mitteilungen 2001, 215 m. Anm. Borgmann; vom 8. April 1992 - XII ZB 34/92 - NJW-RR 1992, 1020, 1021 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 1990, aaO).
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale: 1. Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 A
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale: 1. Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 A
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Annotations

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Für den Universaldienst im Bereich der Briefdienstleistungen gelten die folgenden Qualitätsmerkmale:

1.
Bundesweit müssen mindestens 12.000 stationäre Einrichtungen vorhanden sein, in denen Verträge über Briefbeförderungsleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abgeschlossen und abgewickelt werden können. Die Anforderung nach Satz 1 wird bis zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Nachfrage überprüft. Bis zum 31. Dezember 2007 müssen mindestens 5.000 stationäre Einrichtungen mit unternehmenseigenem Personal betrieben werden. In allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern muss mindestens eine stationäre Einrichtung vorhanden sein; dies gilt in der Regel auch für Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben. In Gemeinden mit mehr als 4.000 Einwohnern und Gemeinden, die gemäß landesplanerischen Vorgaben zentralörtliche Funktionen haben, ist grundsätzlich zu gewährleisten, dass in zusammenhängend bebauten Gebieten eine stationäre Einrichtung in maximal 2.000 Metern für die Kunden erreichbar ist. Bei Veränderungen der stationären Einrichtungen ist frühzeitig, mindestens zehn Wochen vor der Maßnahme, das Benehmen mit der zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft herzustellen. Daneben muss in allen Landkreisen mindestens je Fläche von 80 Quadratkilometern eine stationäre Einrichtung vorhanden sein. Alle übrigen Orte müssen durch einen mobilen Postservice versorgt werden. Die Einrichtungen müssen werktäglich nachfragegerecht betriebsbereit sein.
2.
Briefkästen müssen so ausreichend vorhanden sein, dass die Kunden in zusammenhängend bebauten Wohngebieten in der Regel nicht mehr als 1.000 Meter zurückzulegen haben, um zu einem Briefkasten zu gelangen. Briefkästen sind jeden Werktag sowie bedarfsgerecht jeden Sonn- und Feiertag so zu leeren, dass die in Nummer 3 bestimmten Qualitätsmerkmale eingehalten werden können. Dabei sind die Leerungszeiten der Briefkästen an den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens zu orientieren; die Leerungszeiten und die nächste Leerung sind auf den Briefkästen anzugeben. Briefkästen im Sinne der Sätze 1 und 2 sind auch andere zur Einlieferung von Briefsendungen geeignete Vorrichtungen.
3.
Von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen müssen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 vom Hundert an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 vom Hundert bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Im grenzüberschreitenden Briefverkehr mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die im Anhang der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. EG 1998 Nr. L 15 S. 14) festgelegten Qualitätsmerkmale. Wird der Anhang der Richtlinie geändert, so gelten die Qualitätsmerkmale in der geänderten Fassung vom ersten Tage des dritten auf die Veröffentlichung der Änderung folgenden Monats an.
4.
Briefsendungen sind zuzustellen, sofern der Empfänger nicht durch Einrichtung eines Postfaches oder in sonstiger Weise erklärt hat, dass er die Sendungen abholen will. Die Zustellung hat an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte und ausreichend aufnahmefähige Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger zu erfolgen. Kann eine Sendung nicht gemäß Satz 2 zugestellt werden, ist sie nach Möglichkeit einem Ersatzempfänger auszuhändigen, soweit keine gegenteilige Weisung des Absenders oder Empfängers vorliegt. Ist die Wohn- oder Geschäftsadresse des Empfängers nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erreichen oder fehlt eine geeignete und zugängliche Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen, kann der Empfänger von der Zustellung ausgeschlossen werden. Der Betroffene ist von dem beabsichtigten Ausschluss zu unterrichten.
5.
Die Zustellung hat mindestens einmal werktäglich zu erfolgen.