Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2006 - VI ZB 25/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat die von der Klägerin gegen die Beklagten erhobene Schadensersatzklage durch Urteil vom 13. Januar 2005 abgewiesen. Mit am 3. März 2005 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin "namens der Klägerin und der Berufungsklägerin" gegen das "am 13.01.2005 verkündete und am 04.02.2005 zugestellte Urteil des Amtsgerichts B. , Aktenzeichen " Berufung eingelegt. In dem Schriftsatz hat sie fälschlicherweise "Herrn S. B. aus B. " als Kläger und Berufungskläger angegeben. Am Ende der Berufungsschrift heißt es: "Die Urteilsausfertigung, deren Rückgabe erbeten wird, sowie zwei beglau- bigte Abschriften sind beigefügt." Die Berufung wurde am 31. März 2005 begründet.
- 2
- Mit Verfügung vom 12. April 2005 wurde die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass es an einer wirksamen Berufungseinlegung fehle. Nicht Herr S. B. sondern Frau N. B. sei Klägerin in dem in der Berufungsschrift angegebenen Verfahren vor dem Amtsgericht B. gewesen. Dass das Rechtsmittel für diese eingelegt werde, ergebe sich auch nicht mit Hilfe weiterer Unterlagen, die innerhalb der Berufungsfrist beim Landgericht eingegangen seien. Entgegen der Angaben in der Berufungsschrift seien dieser keine Abschriften des amtsgerichtlichen Urteils beigefügt gewesen. Die mit Verfügung vom 8. März 2005 angeforderte Verfahrensakte sei erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 11. März 2005 beim Landgericht eingegangen.
- 3
- Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin mit einem am 25. April 2005 eingegangenen Schriftsatz die Auffassung vertreten, die Berufung sei erkennbar für die Klägerin eingelegt gewesen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil sie ein Verschulden an der Fristversäumung nicht treffe. Sie habe nämlich anlässlich der Erstellung der Berufungsschrift ihrer Mitarbeiterin die Anweisung erteilt, der Berufungsschrift das angefochtene Urteil sowie zwei beglaubigte Abschriften beizufügen. Nicht die falsche Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Berufungsschrift, sondern der Fehler der Mitarbeiterin, die das amtsgerichtliche Urteil nicht beigefügt habe, habe zur Versäumung der Berufungsfrist geführt.
- 4
- Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil als unzulässig verworfen. Es könne dahinstehen , ob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anweisung gegeben habe, das Urteil sowie zwei Kopien des Urteils als Anlage mit zu übersenden. Unabhängig davon liege ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten darin, dass sie die Berufungsschrift unterzeichnet habe, obwohl die Person des Rechtsmittelführers nicht korrekt benannt gewesen sei. Da mithin erst nach Ablauf der Berufungsfrist die Person des Rechtsmittelführers erkennbar gewesen sei, sei die Berufung als unzulässig zu verwerfen gewesen.
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- Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Klägerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in die abgelaufene Berufungsfrist zu gewähren.
II.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt, insbesondere eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zu Recht zurückgewiesen und infolgedessen die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
- 7
- a) Die Rechtsbeschwerdeführerin geht selbst nicht mehr davon aus, dass die Berufung innerhalb der Berufungsfrist ordnungsgemäß für die Klägerin eingelegt worden sei. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Rechtsmittelschrift den Erfordernissen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nicht genügt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieser Vorschrift nämlich nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 1998 - VI ZR 316/97 - VersR 1999, 900, 901 und Beschluss vom 13. Januar 2004 - VI ZB 53/03 - VersR 2004, 1622, 1623 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift - wie hier - anstelle des wirklichen Berufungsklägers eine andere, mit ihm nicht identische Person bezeichnet wird und die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers auch nicht im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen, insbesondere des erstinstanzlichen Urteils, gewonnen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 2004 - VI ZB 53/03 - aaO; BGH, Beschluss vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - VersR 1998, 1529, 1530). Da hier die Ausfertigung und die Abschriften des erstinstanzlichen Urteils der Berufungsschrift nicht beigefügt waren , ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die erforderliche Klarheit über die Person der Klägerin als Rechtsmittelklägerin nicht gewinnen konnte.
- 8
- b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführerin hat diese auch zum Wiedereinsetzungsantrag keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Unter den gegebenen Umständen liegt ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten vor, das der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
- 9
- Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Prozessbevollmächtigte habe anlässlich der Erstellung der Berufungsschrift ihrer Mitarbeiterin die Anweisung erteilt, der Berufungsschrift das angefochtene Urteil sowie zwei beglaubigte Abschriften beizufügen. Deshalb habe nicht der Fehler der Prozessbevollmächtigten , die den falschen Namen in der Berufungsschrift nicht bemerkt habe, sondern der Fehler der Mitarbeiterin, die das amtsgerichtliche Urteil nicht beigefügt habe, zur Versäumung der Berufungsfrist geführt. Dieses Vorbringen lässt ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten nicht entfallen.
- 10
- Diese hat die Berufungsschrift unterzeichnet, obgleich die Person des Rechtsmittelführers nicht korrekt bezeichnet war. Damit hat sie gegen ihre anwaltlichen Pflichten verstoßen, weil sie die Rechtsmittelschrift auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen musste. Das weisungswidrige Verhalten der Mitarbeiterin , die ihrerseits gegen Pflichten verstoßen hat, steht einem für die Fristversäumung ursächlichen Verschulden der Prozessbevollmächtigten nicht entgegen. Zwar wären die Parteien des Berufungsverfahrens und die Person des Berufungsführers mit Hilfe des Ersturteils zu erkennen gewesen, so dass auch das Verhalten der Mitarbeiterin für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist. Dies lässt jedoch die Mitursächlichkeit der Pflichtverletzung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht entfallen. Die Pflichtwidrigkeit der Mitarbeiterin kann deshalb weder deren Pflichtenverstoß noch dessen Ursächlichkeit für die Unzulässigkeit des Rechtsmittels beseitigen. Wiedereinsetzung kann demgemäß nicht gewährt werden, wenn neben dem Verschulden des Prozessbevollmächtigten andere von ihm nicht verschuldete Umstände mitgewirkt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2003 - XII ZB 154/01 - FamRZ 2003, 1176). Da hier auch ein eigenes Verschulden der Prozessbevollmächtigten vorliegt, ist ein anderer Sachverhalt gegeben als bei dem Beschluss des Senats vom 9. Dezember 2003 (VI ZB 26/03, VersR 2005, 138), bei dem dem Prozessbevollmächtigten die falsche Bezeichnung des Berufungsführers aufge- fallen war und er sodann seiner Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilte, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte.
- 11
- 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 13.01.2005 - 4 C 174/04 -
LG Bonn, Entscheidung vom 28.04.2005 - 5 S 46/05 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)