Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2008 - V ZR 92/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte zu 1, deren Komplementär der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände an und veräußert diese nach Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als Wohnungseigentum weiter. Der Kläger und seine Ehefrau, die Drittwiderbeklagte, erwarben im Dezember 1992 eine solche Wohnung in L. und traten einem Mietpool bei. Die Finanzierung erfolg- te im sog. Dortmunder-Modell über ein Vorausdarlehen und zwei hintereinander geschaltete Bausparverträge der B. .
- 2
- Dem Kaufvertragsabschluss vorangegangen waren Beratungsgespräche , in denen Repräsentanten der Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung der Finanzierungszinsen, der Sparleistung für das Bausparen, der Verwaltungskosten und der Mieteinnahmen eine auf den Kläger und seine Ehefrau zugeschnittene Einnahmen- und Ausgaben-Berechnung erstellt hatten.
- 3
- Mit der Behauptung, sie seien falsch beraten worden, verlangt der Kläger aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatz. Die Beklagte zu 1 will im Wege der Drittwiderklage festgestellt wissen, dass der Drittwiderbeklagten keine Schadensersatzansprüche zustehen.
- 4
- Die Klage war in erster Instanz erfolgreich; die Drittwiderklage ist abgewiesen worden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und der Drittwiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen; dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers und der Drittwiderbeklagten.
II.
- 5
- Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt hat.
- 6
- Die Klage ist unter dem Gesichtpunkt der Schlechterfüllung eines mit der Beklagten zu 1 zustande gekommenen Beratungsvertrages auch darauf gestützt worden, dass der Kläger und seine Ehefrau nicht über das Risiko einer Zinssteigerung für das Vorausdarlehen und einer damit verbundenen Erhöhung ihrer monatlichen Belastung nach Ablauf der acht Jahre dauernden Zinsbin- dungsfrist aufgeklärt worden seien. Entsprechendes gelte für die Ungewissheit der (weiteren) Zwischenfinanzierung durch das Vorausdarlehen nach Zuteilung des ersten Bausparvertrags.
- 7
- Das Berufungsgericht hat diesen – sowohl für die Klage als auch für die Begründetheit der Widerklage entscheidungserheblichen – Vortrag zwar nicht völlig außer Acht gelassen, ihn jedoch in einer Weise behandelt, die deutlich macht, dass es den wesentlichen Kern des Vorbringens nicht erfasst hat. Darin liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763; BGH, Beschl. v. 21. Mai 2007, II ZR 266/04, WM 2007, 1569 Rdn. 5).
- 8
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zielt der Vortrag des Klägers nicht auf eine – nicht bestehende – Verpflichtung der Beklagten zu 1 ab, die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen zu prognostizieren. Vielmehr ist das Risiko angesprochen, welches sich daraus ergibt, dass die Zinsbindungsfrist für das Vorausdarlehen nur acht Jahre beträgt, während der Zeitraum, in dem der Kläger mit den Zinsen dieses Darlehens belastet sein würde, deutlich länger ist. Mit der Tilgung der ersten Hälfte des Darlehens durch Zuteilung des ersten Bausparvertrages war nach seiner Darstellung erst nach zehn bis zwölf Jahren zu rechnen; die Zuteilung des zweiten Bausparvertrages, die zur Tilgung der zweiten Hälfte des Vorausdarlehens führen sollte, war nach Darstellung der Beschwerdeerwiderung sogar erst nach 22 Jahren zu erwarten.
- 9
- Über das hieraus folgende Risiko einer Erhöhung des berechneten monatlichen Eigenaufwands infolge steigender Kapitalmarktzinsen musste die Beklagte zu 1 aufklären (vgl. Senat, Urt. v. 9. November 2007, V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91 f. Rdn. 22; Krüger, ZNotP 2007, 442, 444). Bei dem Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands des Käufers nämlich das Kernstück der Beratung (Senat, BGHZ 156, 371, 377). Sie soll den Käufer von der Möglichkeit überzeugen, mit seinen fi- nanziellen Mitteln das Objekt erwerben und – worauf es hier ankommt – auch halten zu können. Demgemäß muss der Verkäufer über Unwägbarkeiten für den monatlichen Eigenaufwand, die sich aus Besonderheiten seines Anlagemodells ergeben, aufklären, hier also über das Auseinanderfallen von Zinsbindungsfrist und Laufzeit des Vorausdarlehens.
- 10
- Der – im Kern – übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht eine solche Aufklärung nicht festgestellt hat. Die im Besuchsbericht enthaltene Angabe "Zinsbindungsfrist: 8 Jahre" genügt nicht, weil sie nicht erkennen lässt, dass und welche Risiken mit dieser Frist verbunden sind. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
LG Bielefeld, Entscheidung vom 09.11.2004 - 6 O 675/01 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 22.03.2007 - 22 U 183/04 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.