Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - V ZB 96/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste am 8. Mai 2013 ohne gültige Reisedokumente aus Luxemburg nach Deutschland ein und wurde von Beamten der beteiligten Behörde festgenommen. Eine Abfrage der Behörde in der EURODAC-Datei ergab, dass er Asylanträge in Rumänien und in der Schweiz gestellt hatte, die abgelehnt worden waren. Die beteiligte Behörde verfügte die Zurückschiebung in die Schweiz. Der Betroffene stellte bei dem zuständigen deutschen Bundesamt einen Asylantrag. Dieses erwirkte bei den Schweizer Behörden eine Rücknahmezusage, die am 12. Juni 2013 vollzogen werden sollte.
- 2
- Das Amtsgericht hat am 8. Mai 2013 mit einem als einstweilige Anordnung bezeichneten Beschluss die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung gegen den Betroffenen bis zum 18. Juni 2013 angeordnet. Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das Landgericht auf die Beschwerde des Betroffenen die Haft aufgehoben, soweit sie für eine Dauer von mehr als drei Wochen angeordnet war, und die sofortige Freilassung des Betroffenen angeordnet. Mit der Rechtsbeschwerde strebt der Betroffene die Feststellung an, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts auch in dem aufrechterhaltenen Umfang rechtswidrig war.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht hält die Haftanordnung für grundsätzlich rechtmäßig. Ihr habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Haftanordnung hätten auch vorgelegen. Allerdings habe im Wege der einstweilige Anordnung Sicherungshaft nicht über drei Wochen hinaus angeordnet werden dürfen.
III.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unzulässig, weil sie nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft ist. Nach dieser Vorschrift findet die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statt. Dazu gehören auch Entscheidungen im Verfahren über einstweilige Anordnungen in Freiheitsentziehungssachen (Senat, Beschlüsse vom 11. November 2010 - V ZB 123/10 juris Rn. 3 und vom 3. Februar 2011 - V ZB 128/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 4 f.). Anders als der Betroffene meint, liegt hier eine solche Entscheidung vor.
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- 1. Richtig ist zwar, dass im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob die Haftanordnung im Wege der einstweiligen Anordnung oder im regulären Verfahren ergangen ist, etwa dann, wenn der einzige Hinweis auf eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung die Nennung (auch) des § 427 FamFG ist. Solche Zweifel sind dann aufzuklären. Anhaltspunkte für die Qualifikation als Haftanordnung im regulären Verfahren sind das Fehlen von Feststellungen zur Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung, eine abschließende, nicht nur vorläufige Feststellung der Haftgründe, die Überschreitung der für einstweilige Haftanordnungen geltenden Hafthöchstdauer von sechs Wochen (§ 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG) und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung (Senat, Beschlüsse vom 12. Mai 2011 - V ZB 296/10, juris Rn. 8 f. und vom 26. Januar 2012 - V ZB 96/11, juris Rn. 5).
- 6
- 2. Derartige Zweifel an dem Vorliegen einer Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung bestehen aber nicht, wenn die Entscheidung als solche bezeichnet ist und/oder ihren Ausspruch mit dem Hinweis auf ein Vorgehen im Wege der einstweiligen Anordnung einleitet. Hieraus folgt eindeutig, dass der Richter nicht im regulären Verfahren, sondern im Wege der einstweiligen Anordnung vorgehen will. Dafür ist es dann ohne Bedeutung, ob sich der Richter mit den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung näher befasst oder ob er eine Entscheidung getroffen hat, die in dem gewählten Verfahren nicht oder nicht mit dem getroffenen Ausspruch hätte ergehen dürfen.
- 7
- 3. So liegt es hier. Die Richterin hat ihre Entscheidung als „einstweilige Anordnung“ überschrieben. Sie hat den Ausspruch ihrer Entscheidung, der die Hafthöchstdauer nach § 427 Abs. 1 Satz 2 FamFG von sechs Wochen auch nicht überschreitet, mit den Worten eingeleitet: „... wird im Wege der einstweili- gen Anordnung nach § 427 FamFG folgendes angeordnet: …“. Hinzu kommt, dass sich die Richterin ausweislich des Kopfs der Entscheidung nicht als ordentliche Dezernentin des Amtsgerichts Saarbrücken, sondern als Mitglied des „zentralen Bereitschaftsgerichts für das Saarland“ bei dem Amtsgericht Saar- brücken mit der Sache befasst hat, bei dem der Bereitschaftsdienst für alle Amtsgerichte des Landes durch § 1 der (Landes-) Verordnung über den gemeinsamen Bereitschaftsdienst bei den Amtsgerichten des Saarlandes vom 31. Oktober 2004 (ABl. S. 2286) konzentriert ist, und dass sie ihre Entscheidung in der Nacht des 8. Mai 2013 getroffen hat.
IV.
- 8
- 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
- 9
- 2. Dem Betroffenen ist Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, weil der Fall eine Abgrenzungsfrage aufwirft, deren Beantwortung nicht im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe vorweggenommen werden darf. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Roth Brückner
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 08.05.2013 - 7 XIV 24/13 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 11.06.2013 - 5 T 199/13 -
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Annotations
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.