Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2009 - V ZB 91/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beteiligte zu 1 (Schuldner) ist u.a. Eigentümer der im Rubrum zu a) näher bezeichneten Grundstücke, deren Zwangsversteigerung angeordnet worden ist. In dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 hatte der Schuldner das Gesamtausgebot aller Grundstücke unter Verzicht auf das Einzelausgebot beantragt, ist darauf aber in den Terminen vom 9. Mai 2005, 2. Oktober 2006 und 11. Dezember 2006 nicht mehr zurückgekommen.
- 2
- In dem Versteigerungstermin vom 29. Oktober 2007, in dem neben betreibenden Gläubigern auch der Schuldner mit seinem Verfahrensbevollmächtigten zugegen gewesen ist, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 2 (Gläubigerin) mit Blick auf die im Rubrum zu a) genannten Grundstücke beschlossen und in den Versteigerungsbedingungen festgestellt, dass ein Doppelausgebot aller Grundstücke bzw. ein Gruppenausgebot erfolgen solle. Die anwesenden Beteiligten haben hiergegen im Termin keine Einwände erhoben. In der sodann durchgeführten Versteigerung ist der Beteiligte zu 7 Meistbietender geblieben. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2008 hat der Schuldner eingewandt, der Erteilung des Zuschlages stehe entgegen, dass im Termin nicht auf eine Einzelausbietung verzichtet worden sei. Im Übrigen müsse ein Verzicht - woran es hier fehle - zu Protokoll erklärt werden. Es sei nicht auszuschließen, dass bei einer Einzelausbietung ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre.
- 3
- Mit Beschluss vom 11. Februar 2008 hat das Vollstreckungsgericht dem Beteiligten zu 7 den Zuschlag erteilt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte er die Versagung des Zuschlags erreichen. Soweit das Vollstreckungsgericht mit weiterem Beschluss vom 11. Februar 2008 der Beteiligten zu 8 ein Grundstück zugeschlagen hat, verfolgt der Schuldner die Anfechtung des Zuschlages nicht weiter.
II.
- 4
- Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, § 63 ZVG sei nicht verletzt. Der Schuldner habe auf das Einzelausgebot wirksam verzichtet. Keiner der in dem Termin Anwesenden habe dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen. Auch auf den Beschluss des Vollstreckungsgerichts seien keine Einwendungen erhoben worden. Bereits dadurch sei eine schlüssige Verzichtserklärung begründet worden. Das gelte umso mehr, als der Schuldner Anträge gestellt, er insbesondere Sicherheitsleistung verlangt habe, und er selber in einem der frü- heren Versteigerungstermine unter Verzicht auf das Einzelausgebot das Gesamtausgebot beantragt habe. Eine Protokollierung des Verzichts sei nicht erforderlich.
III.
- 5
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG).
- 6
- 1. Das Absehen von dem Einzelausgebot hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 7
- a) Allerdings geht das Beschwerdegericht zu Recht davon aus, dass von einem Einzelausgebot nur abgesehen werden darf, wenn die in § 63 Abs. 4 Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten (vgl. Senat, Beschl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, zur Veröffentlichung bestimmt). Es legt auch zutreffend zugrunde, dass der von dem Schuldner in dem ersten Versteigerungstermin am 14. März 2005 erklärte Verzicht auf das Einzelausgebot verfahrensrechtlich überholt ist und nicht mehr fortwirkt (vgl. auch Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 63 Rdn. 2.2; Hintzen in Dassler/Schiffhauer u.a., ZVG, 13. Aufl., § 63 Rdn. 9).
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- b) Das Beschwerdegericht nimmt jedoch zu Unrecht an, dass der Schuldner in dem Versteigerungstermin am 29. Oktober 2007 erneut auf das Einzelausgebot verzichtet hat. Der Senat hat bereits - allerdings erst nach der Beschlussfassung durch das Beschwerdegericht - entschieden, dass der Verzicht ein positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt voraussetzt, das zudem stets zu protokollieren ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO). Daran fehlt es hier.
- 9
- Dass der in dem Versteigerungstermin anwesende Schuldner oder sein Verfahrensbevollmächtigter den Verzicht auf das Einzelausgebot erklärt hätte, lässt sich dem Protokoll schon nicht entnehmen. Zwar kann sich ein nicht ausdrücklich vermerkter Vorgang gleichwohl aus dem Zusammenhang des im Übrigen Protokollierten ergeben, wenn der protokollierte Vorgang ohne den nicht protokollierten schlechterdings nicht denkbar ist - so kann etwa aus der protokollierten Rückgabe einer Sicherheit geschlossen werden, dass diese zuvor geleistet worden ist (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO). Vergleichbar verhält es sich hier jedoch nicht. Dass keiner der in dem Termin anwesenden Beteiligten dem Antrag der Beteiligten zu 2 widersprochen hat, lässt auch im Zusammenspiel mit dem Umstand, dass der Schuldner Sicherheitsleistung verlangt und im Übrigen Einwendungen erhoben hat, nicht denknotwendig (zwingend ) den Schluss auf eine Verzichtserklärung zu. Im Übrigen kann auch von einem positiven Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt keine Rede sein.
- 10
- c) Offen gelassen hat der Senat bislang, ob in Ausnahmefällen das Einzelausgebot auch ohne die Verzichtserklärung anwesender Beteiligter unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs unterbleiben kann (Senatsbeschluss v. 30. Oktober 2008, aaO, m.w.N.). Die Frage braucht auch hier nicht entschieden zu werden, weil die aufgezeigten Umstände auch bei verständiger Gesamtwürdigung nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauches ausreichen.
- 11
- 2. Da nicht auszuschließen ist, dass bei einem Einzelausgebot ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre, ist der Zuschlag auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 ZVG zu versagen.
IV.
- 12
- Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Anwendung der §§ 91 ff. ZPO steht grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.), dass sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und in einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Die Bestimmung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 GKG (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 5. Oktober 2006, V ZB 168/05, AGS 2007, 99, 100). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
AG Alsfeld, Entscheidung vom 11.02.2008 - 33 K 11/03 -
LG Gießen, Entscheidung vom 24.06.2008 - 7 T 178/08 -
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(1) Mehrere in demselben Verfahren zu versteigernde Grundstücke sind einzeln auszubieten. Grundstücke, die mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut sind, können auch gemeinsam ausgeboten werden.
(2) Jeder Beteiligte kann spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten verlangen, daß neben dem Einzelausgebot alle Grundstücke zusammen ausgeboten werden (Gesamtausgebot). Sofern einige Grundstücke mit einem und demselben Recht belastet sind, kann jeder Beteiligte auch verlangen, daß diese Grundstücke gemeinsam ausgeboten werden (Gruppenausgebot). Auf Antrag kann das Gericht auch in anderen Fällen das Gesamtausgebot einiger der Grundstücke anordnen (Gruppenausgebot).
(3) Wird bei dem Einzelausgebot auf eines der Grundstücke ein Meistgebot abgegeben, das mehr beträgt als das geringste Gebot für dieses Grundstück, so erhöht sich bei dem Gesamtausgebot das geringste Gebot um den Mehrbetrag. Der Zuschlag wird auf Grund des Gesamtausgebots nur erteilt, wenn das Meistgebot höher ist als das Gesamtergebnis der Einzelausgebote.
(4) Das Einzelausgebot unterbleibt, wenn die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind, hierauf verzichtet haben. Dieser Verzicht ist bis spätestens vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten zu erklären.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und - 2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), - 2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2, - 3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.
(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.
Der Zuschlag ist zu versagen:
- 1.
wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist; - 2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist; - 3.
wenn in den Fällen des § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden; - 4.
wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechts ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist; - 5.
wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht; - 6.
wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist; - 7.
wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 oder des § 73 Abs. 1 verletzt ist; - 8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.
(1) Mehrere in demselben Verfahren zu versteigernde Grundstücke sind einzeln auszubieten. Grundstücke, die mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut sind, können auch gemeinsam ausgeboten werden.
(2) Jeder Beteiligte kann spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten verlangen, daß neben dem Einzelausgebot alle Grundstücke zusammen ausgeboten werden (Gesamtausgebot). Sofern einige Grundstücke mit einem und demselben Recht belastet sind, kann jeder Beteiligte auch verlangen, daß diese Grundstücke gemeinsam ausgeboten werden (Gruppenausgebot). Auf Antrag kann das Gericht auch in anderen Fällen das Gesamtausgebot einiger der Grundstücke anordnen (Gruppenausgebot).
(3) Wird bei dem Einzelausgebot auf eines der Grundstücke ein Meistgebot abgegeben, das mehr beträgt als das geringste Gebot für dieses Grundstück, so erhöht sich bei dem Gesamtausgebot das geringste Gebot um den Mehrbetrag. Der Zuschlag wird auf Grund des Gesamtausgebots nur erteilt, wenn das Meistgebot höher ist als das Gesamtergebnis der Einzelausgebote.
(4) Das Einzelausgebot unterbleibt, wenn die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind, hierauf verzichtet haben. Dieser Verzicht ist bis spätestens vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten zu erklären.
(1) Die im § 83 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Versagungsgründe stehen der Erteilung des Zuschlags nicht entgegen, wenn das Recht des Beteiligten durch den Zuschlag nicht beeinträchtigt wird oder wenn der Beteiligte das Verfahren genehmigt.
(2) Die Genehmigung ist durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.